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Wilpert, Joseph [Hrsg.]
Die Malereien der Katakomben Roms (Text): Die Malereien der Katakomben Roms — Freiburg i.Br., 1903

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https://doi.org/10.11588/diglit.1340#0158

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138 Achtes Kapitel.

Schöpfungen spricht eine wohlthuende Ruhe und ein feierlicher, durch die dekorativen
Elemente gemilderter Ernst; nirgends zeigt sich eine Spur von leidenschaftlicher Erre-
gung, nirgends ein Ausbruch des Zornes, wozu die gedrückte Lage, in der die Christen
der Jahrhunderte der Verfolgungen lebten, leicht hätte Veranlassung bieten können.
Die Darstellungen blutiger Marter, in denen sich die spätere Zeit so sehr gefiel, sind
von dem altchristlichen Bilderkreise gänzlich ausgeschlossen, — ein unverkennbarer
Beweis dafür, dass die christlichen Künstler noch klassisch dachten und empfanden.
Die Gemälde der Katakomben verrathen sodann ein grosses Geschick in der Hand-
habung der Technik und einen geschulten Sinn für harmonische Farbengebung und
symmetrische Gliederung des auszumalenden Raumes. Man betrachte nur die Fresken
an der Decke der Passionskrypta, der Lucinagruft, der Kammer in der Nunziatellaka-
takombe, der Sakramentskapelle A2 und in der Krypta des hl. Januarius.' Für die
Hauptgegenstände der letzteren Dekoration hatte der Maler ohne Zweifel Vorbilder in
der Profanmalerei. Wenn wir ihm deshalb das Verdienst, die Komposition selb-
ständig erfunden zu haben, absprechen müssen, so hat er seine künstlerische Befähi-
gung schon in der Wahl der Scenen und ihrer Anpassung an den gegebenen Raum
zur Genüge bekundet; dieselben sind so geschickt hineinkomponirt, dass es den An-
schein gewinnt, als sei der Raum eigens zur Anbringung dieser Malereien geschaffen
worden. Die künstlerische Hand zeigt sich auch in der Ausführung der einzelnen
Gegenstände: alles ist mit grosser Naturtreue gezeichnet und auch in den Einzelheiten
mit seltener Sorgfalt durchgeführt. Mit besonderer Liebe sind zumal die kleinen
Vögel in den Zonen behandelt. Meine kolorirteTafel 34 zeigt endlich, dass auch die
Farben mit vielem Geschmack gewählt sind. Daher wirkt die Fülle des Dargebotenen
nicht störend; alles vereinigt sich vielmehr harmonisch und macht die Malerei zu einer
der schönsten in den Katakomben.

Um alle die erwähnten Vorzüge gebührend zu würdigen, dürfen wir nicht ver-
gessen, dass die Maler auf ihre Schöpfungen nicht mehr Mühe und Zeit, wie die
grossen Meister auf ihre Skizzen und ersten Entwürfe, verwendet haben. Und doch
sind die Figuren mit einer staunenswerthen Sicherheit auf die Wand gebracht. Sie
bekunden zumeist ein tiefes Verständniss für den Organismus des menschlichen Kör-
pers und sind hinreichend modellirt, obgleich auf eine anatomisch genaue Durchbildung
der Details Verzicht geleistet ist. Es sind auch nicht «seelenlose Typen», die uns in
ihnen entgegentreten, sondern Gestalten, in denen warmes Leben pulsirt. Den Künst-
lern ist es namentlich oft geglückt, in die Figuren der Oranten eine Stimmung, eine
Andacht hineinzulegen, welche jeden Beschauer anmuthet: Gestalten, wie beispiels-
halber die beiden Susannen in der cappella greca und die Urans der Einkleidungs-
scene es sind,2 sieht man an ihrer Haltung — bei der letzteren auch an dem Gesichts-
ausdruck — an, dass sie nicht bloss mechanisch die Hände ausgebreitet haben, sondern
auch geistig bei der Sache sind, dass sie mit einem Worte wirklich beten. Wie wahr

1 Taff. 17; 25; 32-34; 38 u. 75. ' Taff. 14, 1, u. So; Fraciio, Taff. IV 11. V.
 
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