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Winckelmann, Johann Joachim; Winckelmann, Johann Joachim [Hrsg.]; Bruer, Stephanie-Gerrit [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz [Hrsg.]; Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Winckelmann-Gesellschaft [Hrsg.]; Gross, Marianne [Bearb.]
Schriften und Nachlaß (Bd. 2, T. 1): Sendschreiben von den herculanischen Entdeckungen — Mainz am Rhein: von Zabern, 1997

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https://doi.org/10.11588/diglit.51406#0073
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Sendschreiben
von den
herculanischen Entdeckungen.

Hochgebohrner Graf,
Da ich das Vergnügen hatte, Sie auf Ihrer Reise, im Carnevale 1762. von Rom nach Neapel zu
begleiten, entschloß ich mich, von den Seltenheiten, welche Sie in dem Königlichen Museo zu
Portici sahen, etwas aufzusetzen, um Sie an das merk [4] würdigste wiederum zu erinnern, und
5 zugleich zum Unterrichte für andere Reisende, die in einem kurzen Aufenthalte daselbst, nicht
alles mit völliger Aufmerksamkeit betrachten können.
Ich habe mehr, als andere, so wohl Fremde, als Einheimische, Gelegenheit gehabt, diese
Schätze des Alterthums zu untersuchen, da ich auf meiner ersten Reise mich fast zwey Monate
in Portici selbst aufgehalten, und vermöge eines ergangenen Königlichen Befehls, mir alles zu
io zeigen, was zu sehen erlaubt ist, und in der möglichsten Bequemlichkeit dazu, habe ich diesen
freyen Zutritt nach Vermögen genutzet, so daß ich ganze Tage in dem Museo zubrachte. Sie
wissen, Hochgebohrner Graf, daß während unsers Aufenthalts von drey Wochen in Neapel,
nicht leicht ein Tag vorbeygegangen, wo ich nicht in aller Frühe nach Portici gefahren bin.
Außerdem verschaffet mir die genaue Freundschaft mit Herrn Camillo Paderni, dem Aufseher
15 dieses Musei, eine hinlängliche Bequemlichkeit, alles nach meinen Wunsche zu betrachten, und
ich bin daselbst wie in meinem Eigenthume.
Ich bin versichert, Hochgebohrner Graf, Ihre angebohrne Gütigkeit werde dieses an Sie
gerichtete Sendschreiben mit eben dem Wohlgefallen, welches Sie sich dessen Verfasser zu
bezeigen würdigten, annehmen. In dieser Zuversicht bin ich über die gewöhnlichen Grenzen
20 eines Sendschreibens hinausgegangen; auch weil ich mir schmeichele, das Publicum, wenn es
hier unbekannte und verlangte Nachrichten finden wird, werde Ihnen verbunden seyn, weil Sie
Gelegenheit dazu gegeben haben.
In ein umständlich Verzeichniß aber kann ich mich nicht einlassen, sondern begnüge mich,
das Merkwürdigste anzuzeigen, und lasse auch von diesem zurück, was ich über die dortigen
25 alten Gemählde und Statuen in meiner Geschichte der Kunst des Alterthums, die itzo unter der
Presse ist, angebracht habe. Ich werde einigemal ein Werk Herrn Jacob Martorelli, Professors
der griechischen Sprache an dem Seminario der Cathedralkirche zu Neapel, unter dem Titel:
DE REGIA THECA CALAMARIA anführen. Dieser in der griechischen Sprache gründ [5] lieh
gelehrte Mann erhielt die Erlaubniß, über ein altes Dintenfaß von Erzt, in dem Museo zu
30 Portici befindlich, (welches aber nicht in den entdeckten Städten, sondern anderwärts, gefunden
ist) zu schreiben. Es sind auf den acht Ecken desselben eben so viel Götter von eingelegter Arbeit
in Silber, welche der Verfasser vor Planeten nimmt, und da er diese öffentliche Gelegenheit
ergriff, seine ganze Wissenschaft zu zeigen, so öffneten ihm die Götter ein weites Feld, in die
Mythologie und in die alte Sternwissenschaft auszuschweifen. Er schüttet zugleich aus, was man
35 über Dinte, Federn, Schreiberey und über Schriften der Alten nur immer sagen kann. Da er aber
 
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