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§ 1. Name und Begriff der Philosophie.

R. Haym, Art. Philosophie in Ersch und Grubers Encyklopädie. III. Abt. Bd. 24.
W. Windelband, Praeludien (6. Aufl. Tübingen 1919) I, 1 ff. »

Unter Philosophie versteht der heutige Sprachgebrauch die wissenschaft-
liche Behandlung der allgemeinen Fragen von Welterkenntnis und Lebensansicht.
Diese unbestimmte Gesamtvorstellung haben die einzelnen Philosophen je nach
den Voraussetzungen mit denen sie in die Denkarbeit eintraten, und den Er-
gebnissen die sie dabei gewannen, in bestimmtere Definitionen1) zu verwandeln
gesucht; diese gehen jedoch zum Teil so weit auseinander, daß sie sich nicht
vereinbaren lassen und daß die Gemeinsamkeit des Begriffs zwischen ihnen
verloren erscheinen kann. Aber auch jener allgemeinere Sinn ist schon eine
Einschränkung und Umgestaltung der ursprünglichen Bedeutung, welche die
Griechen mit dem Namen Philosophie verbanden, und diese Wandlung ist durch
den ganzen Verlauf des abendländischen Geisteslebens herbeigeführt worden.

1. Während das erste literarische Auftreten2) der Wörter yiXoao<x>zv/ und
cp:Xoaocpta noch die einfache und zugleich unbestimmte Bedeutung des „Strebens
nach Weisheit" erkennen läßt, hat das Wort „Philosophie" in der auf Sokrates
folgenden Literatur und insbesondere in der platonisch-aristotelischen Schule
den fest ausgeprägten Sinn erhalten, wonach es genau dasselbe bezeichnet wie
im Deutschen „Wissenschaf t"3). Danach ist Philosophie im allgemeinen4)
die methodische Arbeit des Denkens, durch welche das „Seiende" erkannt
werden soll; danach sind die einzelnen „Philosophien" die besonderen Wissen-
schaften, in denen einzelne Gebiete des Seienden untersucht und erkannt
werden 5).

Mit dieser ersten, theoretischen Bedeutung des Wortes Philosophie
verband sich jedoch sehr früh eine zweite. Die Entwicklung der griechischen

1) Im einzelnen ausgeführt auch bei Überweg-Heinze, Grundriß der Geschichte
der Philosophie I, § 1. — 2) Herodot I, 30 und 50. Thukydides II. 40; und vielfach auch
noch bei Piaton, z. B. Apol. 29. Lysis 218a. Symp. 202e ff. — 3) Ein Begriff bekanntlich
von viel größerem Umfange als das englische und französische „science". — 4) Piaton,
Rep. 480b. Aristoteles, Met. VI 1, 1026a 18. — 5) Piaton, Theaet. 143d. Aristoteles stellt
die Lehre „vom Sein als solchem" (die später sog. Metaphysik) als „erste Philosophie"
den übrigen „Philosophien" gegenüber, unterscheidet lerner theoretische und praktische
„Philosophie". Gelegentlich (Met. I 6, 987 a 29) wendet er auch den Plural cpiXoaocpiai,
für die verschiedenen historisch aufeinanderfolgenden Systeme der Wissenschaft an, wie
etwa wir von den Philosophien Kants, Fichtes, Hegels etc. reden würden.

Windel band, Lehrbuch. 9. u. 10. Aufl. 1
 
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