ENTWÜRFE VON 1510/11 FÜR PLASTISCHE ARBEITEN USW.
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sein. An dem Tucheraltar hat er gewiß indirekt viel mitgeholfen, hat die Zeichnungen Kulmbachs
verbessert (Anh. Taf. XXVIII, XXIX), einzelne Figuren und Bildskizzen geliefert, mit Rat und
Tat geholfen. Der Landaueraltar (das Allerheiligenbild in Wien), in dem Dürer noch einmal jede
Einzelheit selbst malte, geht auf die Skizze von 1508 (Nr. 445) zurück. Es ist vielleicht kein Zufall,
daß an Zeichnungen außer ihr nur noch das ergreifende Profilbildnis des Stifters von 1511 überlie-
fert ist. Dürer wird der mühseligen Vorbereitungen solcher Gemälde in Zeichnungen überdrüssig ge-
worden sein.
Wie immer, wenn dem Künstler neue Aufgaben gestellt wurden, hat er sich auch bei seinen Entwür-
fen für Bildhauer leidenschaftlich um neu von ihm gestellte Ziele gemüht. Die Helldunkelblätter zu
den Fuggergräbern1, die in einem Zuge 1510, wahrscheinlich infolge des Hinscheidens von Ulrich
Fugger (f 1510), entstanden sind und einer der größten baulichen Unternehmungen der Zeit gelten,
und zu den Muschelschnitzereien der Herkulestaten (Bremen, 1511) überbieten in gewissem Sinne
die Studien zum Helleraltar, bei denen Dürer, wie wir sahen, von der spitzen Feinmalerei der ersten
Studien zu einer breiteren Malweise übergegangen war. Jetzt galt es, viele kleine Figuren mit einem
Höchstmaß an genauer klarer Zeichnung lebendig, wie es dem geborenen Erzähler ziemte, und gut
komponiert als Anweisung zu liefern. Dürer hat keine Mühe gescheut, durch Verbindung der Ar-
beit von Pinsel und Feder Feinmalereien zu schaffen, die mit seinen kunstvollsten Stichen wetteifern
können. Daß sie malerisch ausfallen mußten, da ihr Urheber ein Maler war, daß sie damit ein Ziel
aufstellten, das dem Bildhauer niemals erreichbar war, kann nicht wundernehmen. Die hohe Lust
des Meisterzeichners, sein Können ganz zu entfalten, dem Bildhauer zu zeigen, was des Malers
Kunst hergab, ist nach der Entwicklung, die Dürer seit Venedig genommen hatte, nur zu verständ-
lich. Hier regen sich die Keime, in denen die Verselbständigung der Zeichnung im 2. Jahrzehnt be-
schlossen lag.
Dürer hat auch auf andere Weise die Bildhauer bedient. Die köstlich ungezwungen aufgefaßte
Gruppe des ritterlichen Ehepaars (Nr. 489) ist eine Anweisung an den Bildhauer, wie er sie früher
auch schon gegeben haben würde. Ganz vereinzelt steht scheinbar der riesengroße Entwurf für die
Schnitzerei des Armes eines Kruzifix im Werke Dürers. Er teilt das Schicksal so mancher Kohle-
zeichnung des Meisters, die verkannt oder allzu wenig beachtet ist. Und doch gehören die großarti-
gen Entwürfe des König Tod zu Pferde (Nr. 377), der Bremer Beweinung von 1512 (L. 117), ge-
hört vor allem Dürer’s Mutter von 1514 (Berlin) zu dieser Gruppe. Sie wird sich im Bewußtsein der
Dürerfreunde befestigen, sobald der Überblick über das Ganze gewährleistet ist. Eine ähnlich seltsame
Zeichnung, die aber fast nie angezweifelt worden ist2, ist der große Fuß in London (L. 405, Abb.
Anh. Taf. XXVI). Im 1. Band der Dürermanuskripte in London finden sich fol. 189 ganz ähnliche
Füße in Federzeichnung, die wohl in Zusammenhang mit den Proportionsstudien zu denken sind. Ich
halte deshalb auch für möglich, daß die Zeichnung erst zur Zeit des Koburger Armes um 1510 ent-
stand und nicht 1503. Eine gewisse Ähnlichkeit mit der Glimm’schen Beweinung (Füße Christi) hat
Flechsig (II S. 347) und die Verfasser des Londoner D. Kataloges (Nr. 210) veranlaßt, das letztere
Datum anzunehmen. Ob Dürer damals schon Skelettstudien wie die über dem Fuß gemacht hat,
steht dahin. Jedenfalls besitzt der Arm in Koburg in dieser Fußstudie, die ähnlich ungewöhnlich und
ziemlich gut für Dürer gesichert ist, ein wichtiges Seitenstück3.
1 Außerdem kommen noch Nr. 444 und 472 als Vorarbeiten in Betracht.
2 Soviel ich sehe nur von Weixlgärtner in Kstgesch. Anz. 1906 S. 20 und Flechsig.
3 An den Rändern durch Feuchtigkeit verdorben. 194X287. Aus Samml. Crozat, Malcolm.
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sein. An dem Tucheraltar hat er gewiß indirekt viel mitgeholfen, hat die Zeichnungen Kulmbachs
verbessert (Anh. Taf. XXVIII, XXIX), einzelne Figuren und Bildskizzen geliefert, mit Rat und
Tat geholfen. Der Landaueraltar (das Allerheiligenbild in Wien), in dem Dürer noch einmal jede
Einzelheit selbst malte, geht auf die Skizze von 1508 (Nr. 445) zurück. Es ist vielleicht kein Zufall,
daß an Zeichnungen außer ihr nur noch das ergreifende Profilbildnis des Stifters von 1511 überlie-
fert ist. Dürer wird der mühseligen Vorbereitungen solcher Gemälde in Zeichnungen überdrüssig ge-
worden sein.
Wie immer, wenn dem Künstler neue Aufgaben gestellt wurden, hat er sich auch bei seinen Entwür-
fen für Bildhauer leidenschaftlich um neu von ihm gestellte Ziele gemüht. Die Helldunkelblätter zu
den Fuggergräbern1, die in einem Zuge 1510, wahrscheinlich infolge des Hinscheidens von Ulrich
Fugger (f 1510), entstanden sind und einer der größten baulichen Unternehmungen der Zeit gelten,
und zu den Muschelschnitzereien der Herkulestaten (Bremen, 1511) überbieten in gewissem Sinne
die Studien zum Helleraltar, bei denen Dürer, wie wir sahen, von der spitzen Feinmalerei der ersten
Studien zu einer breiteren Malweise übergegangen war. Jetzt galt es, viele kleine Figuren mit einem
Höchstmaß an genauer klarer Zeichnung lebendig, wie es dem geborenen Erzähler ziemte, und gut
komponiert als Anweisung zu liefern. Dürer hat keine Mühe gescheut, durch Verbindung der Ar-
beit von Pinsel und Feder Feinmalereien zu schaffen, die mit seinen kunstvollsten Stichen wetteifern
können. Daß sie malerisch ausfallen mußten, da ihr Urheber ein Maler war, daß sie damit ein Ziel
aufstellten, das dem Bildhauer niemals erreichbar war, kann nicht wundernehmen. Die hohe Lust
des Meisterzeichners, sein Können ganz zu entfalten, dem Bildhauer zu zeigen, was des Malers
Kunst hergab, ist nach der Entwicklung, die Dürer seit Venedig genommen hatte, nur zu verständ-
lich. Hier regen sich die Keime, in denen die Verselbständigung der Zeichnung im 2. Jahrzehnt be-
schlossen lag.
Dürer hat auch auf andere Weise die Bildhauer bedient. Die köstlich ungezwungen aufgefaßte
Gruppe des ritterlichen Ehepaars (Nr. 489) ist eine Anweisung an den Bildhauer, wie er sie früher
auch schon gegeben haben würde. Ganz vereinzelt steht scheinbar der riesengroße Entwurf für die
Schnitzerei des Armes eines Kruzifix im Werke Dürers. Er teilt das Schicksal so mancher Kohle-
zeichnung des Meisters, die verkannt oder allzu wenig beachtet ist. Und doch gehören die großarti-
gen Entwürfe des König Tod zu Pferde (Nr. 377), der Bremer Beweinung von 1512 (L. 117), ge-
hört vor allem Dürer’s Mutter von 1514 (Berlin) zu dieser Gruppe. Sie wird sich im Bewußtsein der
Dürerfreunde befestigen, sobald der Überblick über das Ganze gewährleistet ist. Eine ähnlich seltsame
Zeichnung, die aber fast nie angezweifelt worden ist2, ist der große Fuß in London (L. 405, Abb.
Anh. Taf. XXVI). Im 1. Band der Dürermanuskripte in London finden sich fol. 189 ganz ähnliche
Füße in Federzeichnung, die wohl in Zusammenhang mit den Proportionsstudien zu denken sind. Ich
halte deshalb auch für möglich, daß die Zeichnung erst zur Zeit des Koburger Armes um 1510 ent-
stand und nicht 1503. Eine gewisse Ähnlichkeit mit der Glimm’schen Beweinung (Füße Christi) hat
Flechsig (II S. 347) und die Verfasser des Londoner D. Kataloges (Nr. 210) veranlaßt, das letztere
Datum anzunehmen. Ob Dürer damals schon Skelettstudien wie die über dem Fuß gemacht hat,
steht dahin. Jedenfalls besitzt der Arm in Koburg in dieser Fußstudie, die ähnlich ungewöhnlich und
ziemlich gut für Dürer gesichert ist, ein wichtiges Seitenstück3.
1 Außerdem kommen noch Nr. 444 und 472 als Vorarbeiten in Betracht.
2 Soviel ich sehe nur von Weixlgärtner in Kstgesch. Anz. 1906 S. 20 und Flechsig.
3 An den Rändern durch Feuchtigkeit verdorben. 194X287. Aus Samml. Crozat, Malcolm.