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Nr. 79.

Preis pro Nummer 10 Pfennig.

1889.

Erscheint monatlich zweimal.

Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Kolporteure.

Blitzdrahtmeldungen.

Berlin. Die Differenzen mit der Schweiz sind noch nicht beige-
legt. Man befürchtet die Beschlagnahme sämmtlicher in Berlin befind-
lichen Schweizerkäse.

— Der Bäcker st reik setzte die Spießbürger in Verzweiflung. Sie
begriffen zum ersten Male, daß es nichts zu essen giebt, wenn die
Gesellen nicht arbeiten.

— Dr. Max Hirsch soll wegen des Bankerotts der Gewerkvereins-
Jnvalidenkaffe z»m Ehrenmitglied der gelehrten Gesellschaft „Mirkann-
keener" in Dickthunismeinleben ernannt werden.

Dresden. Die Dresdener Arbeiter sind wegen Majestntsbe-
j leidigung denunzirt worden, weil sie die Gambrinusbrauerei gebop-
kottet und somit indirekt den König Gambrinus beleidigt haben.

Paris. Bonlanger soll den französ. Reptilienfonds bestohlen haben.
Allgemeines Gelächter. Boulanger will nunmehr Nachweisen, daß alle
j Parteien, mit Ausnahme der Arbeiter, aus derselben Krippe gefressen haben.

lionstantinopcl. Der Sultan bat eine Kommission eingesetzt, die
! zu untersuchen hat, ob für die russischen Imperials und englischen
Sovereigns, die gegenwärtig die Türkei überschivemmen, Gewehre und
Kanonen oder Erweiterungen der Harems zu beschaffen sind.

M Zur Weltausstellung. W»

Als zu des schönen Friedensfestes Feier
Die Reiche alle la belle France entbot,

Da barg ein jedes hinter dichtem Schleier
Der Wange züchtiges, verschämtes Roth.

Von jedem kam ein höflich kühles Schreiben;

Sie lehnten alle ab, he kamen nicht;

Im Grunde schien es eine Ehrenpflicht,

Dem Unterfangen klüglich fern zu bleiben.

Für la belle France war es ein bitt'rer Biflen
Sie war an solche Körbe nicht gewöhnt,

Doch ist's am Besten inrmerdar zu ivisten,

Man fei verdächtig und man fei verpönt,

Man kann dann ruhig feine eig'nen Wege
Zum schönen Ziele selbstvertrauend geh'n,

Man braucht nach rechts nicht und nach links zu feh'n
Und fremde Mifzgunst hält den Eifer rege.

Und eig'ne Wege ist Paris gegangen
Und hat geschafft und jedes Glied gerührt
Und fein „vermeff'nes", „keckes" Unterfangen
Vor aller Welt mit Ehren durchgeführt.

In Schatten stellt es seiner Freunde Hoffen
Und fehle stch ein stolzes Monument,

Und auch der Neid, die Nörgelsucht bekennt,

Dah es stch selber glänzend übertroffen.

Wohl sah Paris fo manches Mal das wogen
Und Aeberfluten eines Menschenstroms,

Als noch die Adler feines Kaisers flogen,

Des schlauen Neffen eines grohen Ohms.

Doch alle Zauber jener Zeit verbleichen
Vor dem, was heute des Besuchers harrt,

And vor der stolzen, freien Gegenwart
Muh aller Prunk der früh'ren Tage weichen.

Ihr mögt die Wahrheit noch so tief verschleiern
Sie tritt als Stern hervor aus dunklen: Zelt;

Auch Republiken können Feste feiern
Für ganz Europa, für die ganze Welt,

Und wer die Hand verächtlich ausgefchlagen,

Die in Versöhnlichkeit stch dargestreckt,

Der steht stch nun aus eitlem Wahn geweckt
Und hat den Schaden und den Spott zu tragen.

Es hat vielleicht so Manchen schon verdroffen,

Der nun verspätet heimlich in stch geht,

Das; er stch selbst in Dünkel ausgeschloffen
Vorn Völkerfeste und nun drauhrn steht.

Klug war es nicht; man wird ihn kaum vermissen,
Durchmißt die Hatten man im Pilgergang,

Und aus lebendigem Zusammenhang
Hat er in-Trotz stch selbst herausgeriffen.

Auch du, mein Deutschland — nur vereinzelt lesen
wir deutsche Namen dort aus deutschem Land,
Und du gerade wärst am Platz gewesen
Im Schnruck der Arbeit an der Seine Strand.

Im Wettbewerb des Tüchtigen und Schönen
Uns groß zu zeigen, haben wir verscherzt —

Nach mancher Wunde, die noch heute schmerzt,
War's die Gelegenheit, euch zu versöhnen.

Und die Versöhnung einmal muh sie kommen,
Ob jetzt, ob später, willig oder nicht;

Habt ihr die ferne Brandung nicht vernommen»
Die stch im Osten an den Dämmen bricht?

Und ob stch Beide rw'gen Rah geschworen
Und stnster grollend stch genüber steh'n
Es kommt der Lag, da Seit' an Seiw weh'n
Deutschlands und Frankreichs stolze Trikoloren.

Ein solches Fest verhieh uns ferner'» Friedeir
Und Frieden will und Frieden braucht das Reich;
Drum thut rnir's Weh, dah wir Paris gemieden
Ich fürchte sehr, es war ein Schwabenstreich.
Dergleichen Streiche hatte stets zu buhen
Der Einzelne — büht minder ste ein Land?

Wir aber senden nach der Seine Strand
Ein brüderliches, achtungsvolles Grüßen!

Zu beziehen durch L. Langer, Buchhandlung in Chemnitz.
 
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