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Nr. 83.

Preis pro Nummer 10 Pfennig.

1889.

Erscheint monatlich zweimal.

Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Kolporteure.

Blitzdrahtmcldungen.

Berlin. Die Zeitungen füttern das Publikum mit Enten, um
für das theure Schweinefleisch einen Ersatz zu bieten.

— Das Mandat des gegenwärtigen Reichstags läuft schon im Februar
ab, die Manipulation des Steuerbewilligens wird also diesmal früher
als gewöhnlich eingestellt. Man hofft, daß die günstigen Wirkungen dieses
Umstandes aus den Volkswohlstand nicht ausbleiben werden.

Dresden. Die Kriegervereine erwarten stündlich ihre Auf-
lösung; nachdem der Dresdner Wahlverein, der sich mit Reichstags-

wahlangelegenheiten beschäftigte, polizeilich aufgelöst ist, können die
Kriegervereine, die geständigermaßen dasselbe thun, kein anderes Loos
erwarten.

Frankfurt a. M. Herr Miguel hat seine Wohnung gekündigt,
um jedes Hinderniß, welches seiner Uebersiedelung nach Berlin in's Finanz-
ministerium entgegenstehen könnte, zu beseitigen.

Afrika. Die kürzlich stattgefundene Eroberung von Saadani durch
Wißmann wurde in Europa so beifällig ausgenommen, daß sie nächstens
da capo stattfinden soll.

„Wallende Nebel und Sonnenschein.


So schrieb ein „alter Diplomat",

Als er zu einer kühnen Dhat
Jüngst angesetzt den Hebel:

„Ich sag' Euch, in der Gegenwart
Da giebt es Fragen eigner Art,

Wir stehen im wallenden Nebel.
Was später kommt, das kann allein
Ein Diplomat ja ergründen,

Drum will ich Euch fröhlich verkünden
Den künftigen Sonnenschein.

„Wenn Bismarck einst nicht mehr amtirt,
Dann wird zum Kanzler designirt
Nicht Richter und nicht Bebel.

Das weiß ich heut' schon ganz gewiß,
Doch wer dann springt in diesen Riß,
Das liegt im wallenden Nebel.

Und sollt' es nicht ein Einz'ger sein,
Dann werden sicher Viele
Gemeinsam ringen zum Ziele,

Zum leuchtenden Sonnenschein."

D Diplomat, Du weiser Mann,

Wie strengst Du Dich vergeblich an,

Zu prophezeih'n dem Pöbel;

Wir wußten längst schon ganz genau,

Die Diplomaten „grau in grau"

Steh'n stets im wallenden Nebel.

Das Licht sie lassen nur ungern ein,

Sollte Bismarck's „Mondschein" erblassen,
Dann werden sie immer noch hassen
Den klärenden Sonnenschein.

Es sucht der Sonne gold'nes Licht
Das Aug' des Diplomaten nicht,

Es schaut ans Flint' und Säbel.

Wie lang' jedoch das Volk den Bann
Der schweren Rüstung tragen kann,

Das liegt im wallenden Nebel.

Einst tritt ein Bölkersrieden ein,

Der scheucht die Nebeldünste,

Die Diplomatenkünste,

Dann leuchtet der Sonnenschein!
 
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