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666

Er war zu jeder Zeit ein Wunder
Als Hauptmann schau der Artillerie
Die armen Artill'risten schund er
Und galt dabei für ein Genie.

Gar bald ließ er sich pensioniren
Und ward ein wüth'ger Demokrat,

Doch schmählich that die Schlacht verlieren
Er schon als Reichtagskandidat.

Das deutsche Vaterland — so glaubt' man —
Das war für ihn bald ohne Reiz;

Es ging alsbald der blut'ge Hauptmann
Voll finstrer Pläne nach der Schweiz.

In Deutschland schien ihm alles triste
Und Alles faul und alles lahm,

So daß als grimmer Anarchiste
Er in der Schweiz zum Vorschein kam.

-8 Der Ehrenberg. —

Tief angelegt war er als Denker
Und sein Geschmack traf bald die Wahl:

Zu werden großer Zukunfts-Henker,

Das war sein einzig Ideal.,

Bei allen seinen wüth'gen Mienen,

Da wollt' der dunkle Ehrenmann
Doch auch noch etwas Geld verdienen
Und bot sich als Lockspitzel an.

Er spielt' sich auf als tollen Esel —

Als solcher zwar schon längst bekannt
Und wollt' die ganze Festung Wesel
Dem Feinde spielen in die Hand.

Bor einem deutschen Kriegsgsgerichte
Da stellt' er kecklich sich und frech
Und lachte Jedem in's Gesichte,

Der glaubt', er hätt' nun endlich Pech. .

Glück haben alle solche Pflanzen,

Auch Ehrenberg hatt' Glück allda,

Statt im Gefängniß bei den Wanzen
Ist er jetzt fern in — Afrika.

Was er erlebt, was er getrieben,

Was ihm mißglückt, was ihm gedieh'n,
Das hat er treulich all' beschrieben
Und eingesandt stets nach Berlin.

Wer hat davon jetzt wohl den Schaden?
Deutschland sei stolz auf diesen Sohn!

Er hat für alle seine Thaten
Empfangen hoffentlich den Lohn.

Als gar zu toll ward sein Gebühren,
Da kam die Schweizer Polizei;

Doch er war schon davongefahren
Und lacht' sich in die Faust dabei.

Er war ein Ritter ohne Tadel, Lockspitzel und ein Herr von Adel

Wie ihn ein Dichter je gedacht, Zum Räuber-Hauptmann wie gemacht!

Berlin, Anfang Oktober.

Lieber Jacob!

Indem ick heite die Feder erjreife, um an Dir zu schreiben, looft mir
schon 'ne jelinde Jänsehaut ieber meinen jeehrten Puckel, weil ick nehmlich
bei die rauhe Witterung, die wir hier in Spreeathen seit de letzten Tage
haben, unwillkiehrlich an den Winter denken muß. Du mußt nich etwa
jlooben, det ick sonne Frostbeile bin, die sich vor'n bisken Kälte ekelt — janz
in't konträre Jejentheil, wovor Hütten wir den Irak, mit den wir unsere
paar Jliedmaßen immer in 'ne jemisse Jeschmeidigkeit erhalten kennten! Nee,
darum is et mir janz jewiß nich zu duhn, aber haste schon von die Kohlen-
preise jeheert, mit die uns die Herren Kohlenbarone bejlicken wollen? Ick
kann Dir bloö sagen, det ick jewiß keen Kind von Traurigkeit bin, aber ick
sehe schon, det ick so zu Weihnachten rum mit eenen permanenten Eiszappen
an de Reese rumloofen muß, weil et mir als preiß'schen Staatsbirger woll
nich möglich sein wird, soville zu erschwingen, det ick meine Bude regulär
inheizen lassen kann. Denn soville, wie die Bergwerksbesitzer nu mit eenmal vor
de Kohlen haben wollen, kann een verninftiger Mensch ieberhaupt nich berappen.

Die Brieder sind janz bestimmt nich so dämlich, wie se sich manchmal
stellen. Du mußt die Sache blos richtig bekieken. Seehste, det is so. Wie
de Bergleite anfingen zu streiken, da war so ziemlich Alles, wat noch ieber
een kleenet bisken jesunden Menschenverstand versiegte, uff Seite von de
Streikenden. Jeder sagte sich, det die Leite zum Verhungern zu ville un
zum Sattessen zu wenig verdienten. Wenn se nu bei uns in Deitschland
ooch jrade nicht allzuville ufs de öffentliche Meinung jeben, so kriegten de
Bergwerksunternehmer doch einigermaßen Manschetten, un nu drehen se den
Spieß um. Jetzt sagen se nu janz einfach, wir kennen de Kohlen nich
billiger vcrkoofen, weil wir durch de Streiks 'n beesen Jroschen Jeld zujesetzt
haben. Un seehste, Jacob, wenn nu jede Hausfrau mächtig in't Portemonnaie
rinjreifen muß, un der sojenannte Hausherr muß den Draht dazu abladcn,
denn fangen die Leite, die den Mumpitz nich richtig durchschauen kennen, an,
uff de armen Bergleute zu schimpen, un de Unternehmer stehen jroß da. Un
det wollen se blos.

Denke aber darum noch lange nich, lieber Jacob, det die anderen noth-
leidenden Unternehmer un Jutsbesitzer ooch blos um een Haar besser sind.

Bonlanger auf dem Tande.

Eine Enthüllung von H. Schlauberger.

fas freundliche Landstädtchen Bockhausen liegt unweit der französi-
ßlxf scheu Grenze und sein seit langen Jahren amtirender Bürger-
meister, Herr Katzenberger, trug sich mit dem Gedanken, seine
^ geliebte Vaterstadt durch Hebung des Fremdenverkehrs reich und
angesehen zu machen. Allzuschwierig schien ihm das nicht, denn in dieser Zeit
der forcirten Luftschnapperei eignete sich auch Bockhausen ganz vorzüglich zu
einem Luftkurort und es galt nur, Kurgäste anzulocken. Es giebt in Bock-
hausen Wald, frisches Quellwasser und Ziegenmilch; warum sollten keine
Kranken kommen? Aber es kamen keine, wennschon sich die Wirthe vor-
trefflich auf das Ausplündern derselben eingerichtet und sich sogar befrackte
Kellner aus Berlin verschrieben hatten.

Wenn das würdige Stadtoberhaupt, Herr Katzenberger, auf den Mangel
an Fremdenverkehr zu sprechen kam, konnte er ganz wüthend werden. Er
schob alle Schuld auf die Franzosen und ihre Republik. Unter Napoleon III.,
meinte er, seien die Franzosen noch ganz andere Leute gewesen. Da seien
jährlich so und so viel Grafen und Barone nach Deutschland gekommen und
hätten große Summen in's Land gebracht. Seitdein aber Frankreich von
den Advokaten regiert werde, komme Niemand mehr.

Herr Katzenberger predigte mit demselben Feuer gegen die französische
Republik, wie der Römer Cato gegen Karthago. „Im Uebrigen", sagte
Herr Katzenberger immer zum Schlüsse, „bin ich der Meinung, daß diese
Republik beseitigt werden muß!"

Er hätte gerne einen berühmten Mann nach Bockhausen zur Kur zu
kommen veranlaßt. Damit hoffte er Andere anzulocken. Aber er hatte um-
sonst an sämmtliche Staatsminister und Unterstaatssekretäre geschrieben. Er
hatte nicht einmal eine Antwort bekommen; nur einige Geheimräthe, an die
er sich zuletzt in seiner Verzweiflung gewendet, hatten dankend abgelehnt.

Brütend saß das Stadtoberhaupt in seiner Amtsstube und sann, wie
diese Schwierigkeiten zu heben und der Fremdenverkehr angeregt werden
könne. Da sandte der Wirth vom weißen Hirsch herüber und ließ sagen,
der Herr Bürgermeister möge bald hinüberkommen, es sei ein Fremder, ein
Franzose, da, offenbar eine vornehmliche Persönlichkeit.

Der Herr Bürgermeister verstand den Wink. Endlich schien die Ge-
legenheit sich günstig zu erweisen. Wenn es gelang, den Fremden für Bock-
hausen zu interessiren, so konnte das für die Stadt von den erfreulichsten
Folgen sein.

Als Herr Katzenberger in den weißen Hirsch kam, sah er an der Tafel
einen Herrn von etwa fünfzig Jahren sitzen, der ihm sehr distinguirt vor-

kam. Der Fremde zeigte sich sehr entgegenkommend, sprach indessen nur ge-
brochen deutsch.

„Ah, Sie sind Franzose, mein Herr", meinte Herr Katzenberger.

„Jawohl", antwortete der Fremde.

„Und Sie wollen sich unser Deutschland ansehen?"

„Ja! Die Zustände in Frankreich gefallen mir nicht . . . ."

„Und richten Frankreich auch ganz sicher zu Grunde", fiel der Bürger-
meister eifrig ein.

Der Fremde sah das Stadtoberhaupt forschend an. Dann fuhr er fort:

„Wir sollten eine feste und starke Regierung haben . . ."

„Jaja, eine feste und starke Regierung. Sie sprechen mir aus der
Seele, mein Herr!" rief Katzenberger und nahm eine Prise. Der Franzose
sah ihn wieder durchdringend an.

„Herr Bürgermeister", sagte er, „Sie sind ein Mann, der Zutrauen er-
weckt. Ich sage Ihnen, Frankreich wird wieder eine feste und starke Regier-
ung bekommen."

„Ja, wer kann das wissen?" sagte Katzenberger gedankenvoll.

„Ich kann es wissen", antwortete der Fremde mit einem gewissen Nach-
druck, „ich kann es wissen, besser als tausend Andere."

Katzenberger sah aufmerksam und gespannt den Fremden an.

„Mit wem habe ich die Ehre?" frug er. Der Fremde lächelte.

„Ich wollte eigentlich im strengsten Inkognito reisen", sagte er zögernd.
„Indessen Sie sind eine so vertrauenerweckende Person, daß . . . ."

„Vertrauen Exzellenz sich mir an", meinte Katzenberger schmeichelnd.
„Rechnen Exzellenz auf alle Diskretion!"

„Nun wohl", sagte der Fremde langsam, „ich bin der General
Bo u lang er."

Katzenberger sprang auf und machte einen Bückling um den andern.

„Der Tausend, daß ich einen so berühmten Militär und Staatsmann
nicht gleich erkannt habe! Oh, Herr General, wenn Sie wüßten, wie sehr
ich Sie verehre!"

„Sie mich?"

„Gewiß, Sie wollen ja dem armen Frankreich wieder eine feste und
starke Regierung geben!"

„Ach so!" Der General blinzelte ein wenig. Dann fuhr er fort:
„Vorläufig inuß aber meine Inkognito gewahrt bleiben."

„Gewiß, gewiß! In dieser Beziehung wird Alles geschehen, was der
Herr General anzuordnen belieben."

„Ich danke Ihnen."

„Aber später darf es doch bekannt werden, daß wir einen so hoch-
berühmten Gast in unseren Mauern haben?"

„Gewiß!"-

Am Abend wußte die Frau Bürgermeisterin, daß der berühmte General
 
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