Jahrg. IV, Nr. 40 vom 5. Oktober 1930
WELTKUNST
13
Ausstellung
des Welfen Schatzes
Nachdem die Ausstellung des Weifen-
schabes im Schloß, wie wir in Nr. 39 der „Welt-
kunst“ berichteten, durch das Eingreifen der
preußischen Regierung verhindert worden ist,
kommt jeßt der Weifenschab in der D e u t -
schenGesellschaft zur Ausstellung, und
zwar unter dem Patronat eines Ausschusses, der
aus Staatssekretär z. D. Dr. v. Kühlmann, als
Vorsitzenden des Vereins der Freunde des
Schloßmuseums, dem Staatssekretär im
Reichsminisferium des Innern, Zweigert, und
dem Reichskunstwart Dr. E. Redslob besteht.
Der Erlös der Ausstellung ist für öffentliche
Zwecke bestimmt. Die Werke, über die wir
anläßlich ihrer Frankfurter Schau in Nr. 22 der
„Kunstauktion“ ausführlich berichtet haben,
präsentieren sich in den schönen Räumen in
ausgezeichneter Weise. Wir dürfen uns freuen,
daß auf diese Weise es uns noch vergönnt
ist, einen Blick auf diese Köstlichkeiten zu
werfen, bevor sie nach Amerika gehen. Die
Ausstellung dauert bis zum 12. Oktober.
Moderne Franzosen
Galerie W i 1 I s ch e k , Berlin
Die Berliner Galerie Rudolf Wiltschek führt
eine Reihe moderner Maler vor, die in Paris
arbeiten. Es treten dabei mehrere bisher in
Deutschland wenig bekannte Persönlichkeiten
hervor, so Sterling mit recht schönen,
wenn auch im ganzen allzu sehr ins Orna-
mentale gewendeten Stilleben, — Paresce
mit märchenhaft stilisierten Stadtbildern, —
P o u g n y mit einem Montparnasse-Bild, —
D e j e z mit orientalischen und französischen
Landschaften, - de la S e r n a mit groß-
zügigen, dekorativen Stilleben. Am relativ
stärksten von diesen jüngeren Malern wirkt
der Clown Charley von A. Utter und das
stimmungsvolle Nordseebild von Masereel.
Von F o u j i t a finden wir ein Blumenstilleben,
— von Raoul D u f y eine tieftonige Land-
schaft. Die Hauptbilder aber sind Maurice
V 1 a m i n c k s abendliches Dorf mit seinen
dunklen, schwermütigen Farben, das wir in der
nächsten Nummer reproduzieren, und Jules
P a s c i n s Mädchenbild (Abbildung Seite 12).
— In die ältere französische Kunst führen zwei
Blätter von Constantin Guys zurück.
Matisse,
Braque, Picasso
Die Berliner Galerie Alfred Flecht-
heim stellt 60 Werke von den drei führenden
Meistern der Pariser Malerei aus. Bei Henri
Matisse führt die Reihe seiner Arbeiten
von 1898 in die neueste Zeit. Ein großes Bild
der Frühzeit, Frühstückstisch (1898), ist noch
impressionistisch auf die Wirklichkeitswieder-
gabe eingestellt. In der Felsenküste von 1904
tritt der Übergang zum Dekorativen hervor.
Prächtig führt das Bildnis von Frau Oskar
Moll (1908) die dekorative Prägung durch.
Schöne Bilder aus späterer Zeit zeigen den
weiteren Fortschritt. So besonders das
„Offene Fenster" (1911), „Die Odaliske“ (1923)
und der Karneval von Nizza, den wir in Nr. 27
abgebildet haben.
Mit einer imposanteren Reihe von Bildern
ist Georges Braque zur Stelle. Sehr präzis
durchgearbeitet, dekorativ und vornehm zu-
gleich, präsentiert sich in seinen meisten Ar-
beiten ein Kubismus hohen Ranges. Auch hier
handelt es sich nicht um Bilder neuesten
Datums, sondern zugleich um eine Entwick-
lungsreihe von 1905 bis 1930. Die reifsten
Werke stammen aus den leßten Jahren, so die
Felsen von Dieppe, Obst, Krug und Messer,
Dieppe, Stilleben. Aber auch frühere Stücke,
wie Violine, Harmonium, sind treffliche
Arbeiten. Ein besodners schönes Stück bilden
wir unten ab.
Am umfangreichsten und eindrucksvollsten
ist, wie immer bei solchen vergleichenden Zu-
sammenstellungen, Pablo Picasso ver-
treten. Auf so reizvolle Stücke der Früh-
zeit, wie Junger Arbeiter, folgt die
kubistische Zeit mit hervorragenden Arbei-
ten, wie dem Bild des Dichters, später mit
dem heraldisch stilisierten „Treff-Aß“. Vor-
züglich ist besonders die Zeit von 1920 re-
präsentiert. Da haben wir so monumentale
Würfe, wie Frau in Grün, Mutter und Kind
usw., dann so ausgezeichnete Stilleben, wie
das von 1924. Höchst interessante Experi-
mente stellen der Harlekin (1923) und der
Mädchenkopf (1926) dar, — Zeugnisse eines
künstlerischen Wagemutes, wie man sie sonst
von keinem zeitgenössischen Maler kennt. Das
schönste Bild der Schau ist wohl das „Mar-
morarm" (1925) genannte Stilleben, das in
seiner reichen und lebendigen Farbigkeit einen
Höhepunkt des Meisters darstellt.
Dr. E. v. S y d o w
Krinoline und Turnüre
Bei Friedmann u. Weber, Berlin,
zeigt eine sehr reizvolle Ausstellung die Ent-
wicklung der Mode und der kunstgewerblichen
Kleinkunst von 1830 bis 1890. Zahllose char-
mante Kleinigkeiten: Fächer, Schmuck, Dosen,
Gläser, Porzellane, geben zusammen mit den
Gewändern ein farbiges Abbild jener Jahr-
zehnte, wie es anziehender nicht gedacht wer-
den kann.
Alfred Messel
Gedächtnis-Ausstellung
Gleichzeitig mit der Ausstellung von
Meisterwerken aus den preußischen Schlös-
sern hat die Berliner Akademie der Künste
eine Übersicht der Bauten Alfred Messels ver-
anstaltet, und zwar in Entwürfen und Photo-
graphien. Es ist interessant, den Entwick-
lungsgang des allzu früh Verstorbenen zu ver-
folgen. Er beginnt mit einem stark eklekti-
schen Einschlag, den er auch in der Folge-
zeit nicht aufgab, — in der monumentalen Hal-
tung seiner Bauten ist er dadurch keineswegs
behindert, sondern eher gefördert worden.
Die mannigfachen Dokumente seines Schaf-
fens, die wir in der Akademie vor uns sehen,
gipfeln in den Entwürfen für die Museums-
bauten in Berlin, und so gewinnt diese Schau
durch diese Aktualität den Anschluß an die
Gegenwart.
Vision und Formgesetz
Galerie Möller, Berlin
Unter dem programmatischen Titel „Vision
und Formgeseß" hat die Berliner Galerie
Ferdinand Möller eine Reihe von
Künstlern mit mehr oder weniger abstrakter
Richtung zusammengestellt. Neben den be-
kannten Namen von Feininger, Heckel,
Jawlensky, Kandinsky, Klee, Macke usw.
treffen wir auf eine
Anzahl bisher unbe-
kannterer Maler. Da
ist Heinrich H o e r 1 e
mit Stilleben und lyrisch
wirksamen Figuren-
bildern, von denen wir
„Abend und Morgen“
(Abbildung nebenst.)
reproduzieren. Dann
Ewald M a t a r e , des-
sen Bildhauerkunst wir
s. Zt. eingehend würdig-
ten (vgl. „Kunstauktion“
Jg. III, Nr. 46) und der
diesmal mit einer Serie
von Holzschnitten ver-
treten ist. Werner
Scholz ist durch
recht gute Buntstift-
zeichnungen, — V o r -
demberge-Gilde-
w a r t (Hannover) durch
sehr einfache lineare
Kompositionen, — Ge-
org M u c h e u. a. mit
einem interessanten Bild
„Tote Vögel" reprä-
sentiert. Dazu treten
Blätter von Otto Nebel,
OskarNerlinger, H.Neu-
geboren, Friß Kuhr,
Egon Engelien, Freddo
Bortoluzzi usw. Eines
der Hauptverdienste dieser Schau liegt in der
Veranschaulichung der jüngeren Schule der
Abstrakten. — o w.
Kollektivausstellungen im
Haus der Juryfreien
Die erste Reihe dieser Ausstellungen, der
am 15. Oktober eine zweite folgt, führt drei-
zehn recht verschiedene Künstler vor.
Kurt B a d t, der auch in der Galerie
Casper ausstellt, ist eher derb als kräftig,
eher bunt als farbig, überlebensgroße ist nicht
notwendig monumental, Kontrastfarben können
sich ebenso leicht gegenseitig schädigen wie
steigern. Ein Frauenbildnis in Weiß veran-
schaulicht, wie man diese Farbe so intensi-
vieren kann, daß sie breiig überfließt. Bei
Gyula Pap, einem in allen Techniken bril-
lierenden Routinier und Arrangeur, wird die
jeweilige Parole des Tages geschickt und
äußerlich verarbeitet. Picasso und Gris treten
uns hier sauber und elegant, schlacken- und
knochenlos entgegen. Fritz Brill bietet
vom harmlosen Landschaftsaquarell bis zur
Komposition stereometrischer Körper dhes,
nur kein eigenes Gesicht. Manche Kohlezeich-
nungen von Richard Holty legen ein
gutes Wort für seine Bilder ein; ein rotes und
ein blaues Pferd ergeben nicht immer einen
Franz Marc. Max Bornstein zeigt eine
dämonische Kaffeetasse, irrlichternde Zitro-
nen, ein pseudokubistisches Stilleben und
einen Mann mit einer ach so roten Weste
(Roda Roda?). Wenn ich recht sehe, strebt
Robert Hauff über Henri Rousseau etwas
wie eine spukhafte Intensivierung des Still-
lebens an; zu diesem Zweck seßt er Blumen-
vasen, Goldfischgläser, Obstschalen und der-
gleichen in großväterlicher, plüschartiger Far-
bengebung vor tiefdunkle Hintergründe. Erik
Richter zeichnet sehr
akkurate Tierstudien
und malt holländische
Meister des 17. Jahr-
hunderts. Walter
Well enstein doku-
mentiert mit Bildern,
über die man lieber
nicht spricht, einen
Aufenthalt auf der Pyre-
näenhalbinsel. Um so
sympathischer hat eine
Italienreise in den hüb-
schen und feinen Zeich-
nungen von Georg
Walter Rössner
ihren Niederschlag ge-
funden. Die frühe Ge-
burtszahl August
Bochers entschuldigt
nicht ganz seineProduk-
tion. Konsequenz und
bewußte Beschränkung
im Thematischen zeigen
die sehr schönen, ein-
fachen und ernsten
Zeichnungen von Pe-
ter Fischer, die
allein einen Besuch der
Ausstellung lohnen.
Glücklicher als die
größeren, tonigen an-
scheinend an Munch an-
knüpfenden Blätter er-
scheinen mir dieArbeiten
kleineren Formates. Der
Bildhauer Hermann
Geibel ist ein be-
stechender Zeichner;
seine elastischen und
Plastiken halten ein gutes Niveau. Kurt
Schwerdtfeger hat für seine Aktstudien
eine eigene Technik erfunden: er umspult die
Körper hundertfach mit garnarfigen Strichen;
weniger Striche und mehr Form wären man-
chem lieber. Neben ornamentalisierten Tier-
plastiken tappen in diesem Saal riesige
Männerakte mit mehr voluminöser als plasti-
scher Gewichtigkeit auf die seltenen Besucher
zu. Kurt Kusenberg
Venezianische Malerei
München war während dieses Sommers mit
umfangreichen repräsentativen Kunstaus-
stellungen mehr denn jede andere deutsche
Stadt gesegnet. Der Kunsthandel selbst war
nur insoweit daran beteiligt, als die Samm-
lung Schloß Rohoncz in der Neuen Pinakothek
ein getreues Spiegelbild der Möglichkeiten
und der außerordentlichen Leistungsfähig-
keiten des deutschen Kunsthandels zu geben
vermochte. Und es wirkt wie eine glückliche
Ergänzung und Verbreiterung der in der
Sammlung Baron Thyssens besonders ge-
pflegten venezianischen Malerei, wenn als ein-
zige Firma in München die Galerie
Caspari mit einer Sonderschau hervortritt,
in der aus eigenen Beständen die Haupt-
meister der Lagunenstadt durch eine gut ab-
gerundete Anzahl herrlicher Hauptwerke ver-
anschaulicht werden.
Am Übergang zur Hochrenaissance stehen
zwei charakteristische Madonnen von Marco
Palmezzano und Alvise Vivarini. Ausge-
zeichnet vertreten ist Tinforetto mit dem glut-
voll verhaltenen Bildnis des Dogen Mocenigo
und zwei weiteren Männerporträts, Jacopo
Bassano mit einer großartigen Geburt Christi
und, vielleicht als Ersaß für den fehlenden Ve-
ronese, Moroni mit einem farbig äußerst diffe-
renzierten Männerbildnis und der thronenden
Madonna. Herrlich erglänzt das 18. Jahrhundert
in Skizzen Tiepolos, in der geistvollen und
musikalisch intonierten Geburt Christi von Se-
bastiano Ricci, in der feinen Musikszene
Pietro Longhis, in verschiedenen frühen und
späten Veduten Guardis und dem vornehmen
Bildnis der Marchesa Brignole von Batoni.
Glücklich ausgewählt sind einige qualitäts-
mäßig außergewöhnlich ansprechende deutsche
Stadtansichten von Belotto.
Georges Braque
Nature morte — Stilleben — still life
Sammlung Dr. Erich Raemisch-Krefeld
Ausstellung „Matisse, Picasso und Braque, 6o Meisterwerke aus deutschem
Privatbesitz“, in der Galerie Alfred Flechtheim, Berlin
Exposition .Matisse — Picasso — Braque, 60 chef-d'oeuvres,
prmenants de coilechons allemandes"
Galerie Alfred FleMheim, Berlin
Exhibition ,,Matisse — Picasso — Braque, 60 masterworks of german collections“
at the Flechtheim Gallertes, Berlin
L. F. Schnorr von Carolsfeld, Landschaft mit Staffage
Lwd., 67: 1x4 cm — Kat. Nr. 173
Versteigerung bei A. Kende, Wien, am 14.—16. Oktober 1930
L. F. Schnorr von Carolsfeld, Paysage avec des figwres I L. F. Schnorr von Carolsfeld, Landscape with figures
Toile, 67 :114 cent. —• No 173 du Cat. I Canvas, 67 by 114 cent. — No. 173 in the catalogue
Vente par A. Kende, Vienne, les 14—16 Octobre 1930 I To be sold by auction by A. Kende, Vienna, on the 14 th—16 th of October 1930
Heinrich Ho er le
Abend und Morgen — Soir et Matin — Evening and Morning
Ausstellung — Exposition — Exhibition
Galerie Ferdinand Möller, Berlin
WELTKUNST
13
Ausstellung
des Welfen Schatzes
Nachdem die Ausstellung des Weifen-
schabes im Schloß, wie wir in Nr. 39 der „Welt-
kunst“ berichteten, durch das Eingreifen der
preußischen Regierung verhindert worden ist,
kommt jeßt der Weifenschab in der D e u t -
schenGesellschaft zur Ausstellung, und
zwar unter dem Patronat eines Ausschusses, der
aus Staatssekretär z. D. Dr. v. Kühlmann, als
Vorsitzenden des Vereins der Freunde des
Schloßmuseums, dem Staatssekretär im
Reichsminisferium des Innern, Zweigert, und
dem Reichskunstwart Dr. E. Redslob besteht.
Der Erlös der Ausstellung ist für öffentliche
Zwecke bestimmt. Die Werke, über die wir
anläßlich ihrer Frankfurter Schau in Nr. 22 der
„Kunstauktion“ ausführlich berichtet haben,
präsentieren sich in den schönen Räumen in
ausgezeichneter Weise. Wir dürfen uns freuen,
daß auf diese Weise es uns noch vergönnt
ist, einen Blick auf diese Köstlichkeiten zu
werfen, bevor sie nach Amerika gehen. Die
Ausstellung dauert bis zum 12. Oktober.
Moderne Franzosen
Galerie W i 1 I s ch e k , Berlin
Die Berliner Galerie Rudolf Wiltschek führt
eine Reihe moderner Maler vor, die in Paris
arbeiten. Es treten dabei mehrere bisher in
Deutschland wenig bekannte Persönlichkeiten
hervor, so Sterling mit recht schönen,
wenn auch im ganzen allzu sehr ins Orna-
mentale gewendeten Stilleben, — Paresce
mit märchenhaft stilisierten Stadtbildern, —
P o u g n y mit einem Montparnasse-Bild, —
D e j e z mit orientalischen und französischen
Landschaften, - de la S e r n a mit groß-
zügigen, dekorativen Stilleben. Am relativ
stärksten von diesen jüngeren Malern wirkt
der Clown Charley von A. Utter und das
stimmungsvolle Nordseebild von Masereel.
Von F o u j i t a finden wir ein Blumenstilleben,
— von Raoul D u f y eine tieftonige Land-
schaft. Die Hauptbilder aber sind Maurice
V 1 a m i n c k s abendliches Dorf mit seinen
dunklen, schwermütigen Farben, das wir in der
nächsten Nummer reproduzieren, und Jules
P a s c i n s Mädchenbild (Abbildung Seite 12).
— In die ältere französische Kunst führen zwei
Blätter von Constantin Guys zurück.
Matisse,
Braque, Picasso
Die Berliner Galerie Alfred Flecht-
heim stellt 60 Werke von den drei führenden
Meistern der Pariser Malerei aus. Bei Henri
Matisse führt die Reihe seiner Arbeiten
von 1898 in die neueste Zeit. Ein großes Bild
der Frühzeit, Frühstückstisch (1898), ist noch
impressionistisch auf die Wirklichkeitswieder-
gabe eingestellt. In der Felsenküste von 1904
tritt der Übergang zum Dekorativen hervor.
Prächtig führt das Bildnis von Frau Oskar
Moll (1908) die dekorative Prägung durch.
Schöne Bilder aus späterer Zeit zeigen den
weiteren Fortschritt. So besonders das
„Offene Fenster" (1911), „Die Odaliske“ (1923)
und der Karneval von Nizza, den wir in Nr. 27
abgebildet haben.
Mit einer imposanteren Reihe von Bildern
ist Georges Braque zur Stelle. Sehr präzis
durchgearbeitet, dekorativ und vornehm zu-
gleich, präsentiert sich in seinen meisten Ar-
beiten ein Kubismus hohen Ranges. Auch hier
handelt es sich nicht um Bilder neuesten
Datums, sondern zugleich um eine Entwick-
lungsreihe von 1905 bis 1930. Die reifsten
Werke stammen aus den leßten Jahren, so die
Felsen von Dieppe, Obst, Krug und Messer,
Dieppe, Stilleben. Aber auch frühere Stücke,
wie Violine, Harmonium, sind treffliche
Arbeiten. Ein besodners schönes Stück bilden
wir unten ab.
Am umfangreichsten und eindrucksvollsten
ist, wie immer bei solchen vergleichenden Zu-
sammenstellungen, Pablo Picasso ver-
treten. Auf so reizvolle Stücke der Früh-
zeit, wie Junger Arbeiter, folgt die
kubistische Zeit mit hervorragenden Arbei-
ten, wie dem Bild des Dichters, später mit
dem heraldisch stilisierten „Treff-Aß“. Vor-
züglich ist besonders die Zeit von 1920 re-
präsentiert. Da haben wir so monumentale
Würfe, wie Frau in Grün, Mutter und Kind
usw., dann so ausgezeichnete Stilleben, wie
das von 1924. Höchst interessante Experi-
mente stellen der Harlekin (1923) und der
Mädchenkopf (1926) dar, — Zeugnisse eines
künstlerischen Wagemutes, wie man sie sonst
von keinem zeitgenössischen Maler kennt. Das
schönste Bild der Schau ist wohl das „Mar-
morarm" (1925) genannte Stilleben, das in
seiner reichen und lebendigen Farbigkeit einen
Höhepunkt des Meisters darstellt.
Dr. E. v. S y d o w
Krinoline und Turnüre
Bei Friedmann u. Weber, Berlin,
zeigt eine sehr reizvolle Ausstellung die Ent-
wicklung der Mode und der kunstgewerblichen
Kleinkunst von 1830 bis 1890. Zahllose char-
mante Kleinigkeiten: Fächer, Schmuck, Dosen,
Gläser, Porzellane, geben zusammen mit den
Gewändern ein farbiges Abbild jener Jahr-
zehnte, wie es anziehender nicht gedacht wer-
den kann.
Alfred Messel
Gedächtnis-Ausstellung
Gleichzeitig mit der Ausstellung von
Meisterwerken aus den preußischen Schlös-
sern hat die Berliner Akademie der Künste
eine Übersicht der Bauten Alfred Messels ver-
anstaltet, und zwar in Entwürfen und Photo-
graphien. Es ist interessant, den Entwick-
lungsgang des allzu früh Verstorbenen zu ver-
folgen. Er beginnt mit einem stark eklekti-
schen Einschlag, den er auch in der Folge-
zeit nicht aufgab, — in der monumentalen Hal-
tung seiner Bauten ist er dadurch keineswegs
behindert, sondern eher gefördert worden.
Die mannigfachen Dokumente seines Schaf-
fens, die wir in der Akademie vor uns sehen,
gipfeln in den Entwürfen für die Museums-
bauten in Berlin, und so gewinnt diese Schau
durch diese Aktualität den Anschluß an die
Gegenwart.
Vision und Formgesetz
Galerie Möller, Berlin
Unter dem programmatischen Titel „Vision
und Formgeseß" hat die Berliner Galerie
Ferdinand Möller eine Reihe von
Künstlern mit mehr oder weniger abstrakter
Richtung zusammengestellt. Neben den be-
kannten Namen von Feininger, Heckel,
Jawlensky, Kandinsky, Klee, Macke usw.
treffen wir auf eine
Anzahl bisher unbe-
kannterer Maler. Da
ist Heinrich H o e r 1 e
mit Stilleben und lyrisch
wirksamen Figuren-
bildern, von denen wir
„Abend und Morgen“
(Abbildung nebenst.)
reproduzieren. Dann
Ewald M a t a r e , des-
sen Bildhauerkunst wir
s. Zt. eingehend würdig-
ten (vgl. „Kunstauktion“
Jg. III, Nr. 46) und der
diesmal mit einer Serie
von Holzschnitten ver-
treten ist. Werner
Scholz ist durch
recht gute Buntstift-
zeichnungen, — V o r -
demberge-Gilde-
w a r t (Hannover) durch
sehr einfache lineare
Kompositionen, — Ge-
org M u c h e u. a. mit
einem interessanten Bild
„Tote Vögel" reprä-
sentiert. Dazu treten
Blätter von Otto Nebel,
OskarNerlinger, H.Neu-
geboren, Friß Kuhr,
Egon Engelien, Freddo
Bortoluzzi usw. Eines
der Hauptverdienste dieser Schau liegt in der
Veranschaulichung der jüngeren Schule der
Abstrakten. — o w.
Kollektivausstellungen im
Haus der Juryfreien
Die erste Reihe dieser Ausstellungen, der
am 15. Oktober eine zweite folgt, führt drei-
zehn recht verschiedene Künstler vor.
Kurt B a d t, der auch in der Galerie
Casper ausstellt, ist eher derb als kräftig,
eher bunt als farbig, überlebensgroße ist nicht
notwendig monumental, Kontrastfarben können
sich ebenso leicht gegenseitig schädigen wie
steigern. Ein Frauenbildnis in Weiß veran-
schaulicht, wie man diese Farbe so intensi-
vieren kann, daß sie breiig überfließt. Bei
Gyula Pap, einem in allen Techniken bril-
lierenden Routinier und Arrangeur, wird die
jeweilige Parole des Tages geschickt und
äußerlich verarbeitet. Picasso und Gris treten
uns hier sauber und elegant, schlacken- und
knochenlos entgegen. Fritz Brill bietet
vom harmlosen Landschaftsaquarell bis zur
Komposition stereometrischer Körper dhes,
nur kein eigenes Gesicht. Manche Kohlezeich-
nungen von Richard Holty legen ein
gutes Wort für seine Bilder ein; ein rotes und
ein blaues Pferd ergeben nicht immer einen
Franz Marc. Max Bornstein zeigt eine
dämonische Kaffeetasse, irrlichternde Zitro-
nen, ein pseudokubistisches Stilleben und
einen Mann mit einer ach so roten Weste
(Roda Roda?). Wenn ich recht sehe, strebt
Robert Hauff über Henri Rousseau etwas
wie eine spukhafte Intensivierung des Still-
lebens an; zu diesem Zweck seßt er Blumen-
vasen, Goldfischgläser, Obstschalen und der-
gleichen in großväterlicher, plüschartiger Far-
bengebung vor tiefdunkle Hintergründe. Erik
Richter zeichnet sehr
akkurate Tierstudien
und malt holländische
Meister des 17. Jahr-
hunderts. Walter
Well enstein doku-
mentiert mit Bildern,
über die man lieber
nicht spricht, einen
Aufenthalt auf der Pyre-
näenhalbinsel. Um so
sympathischer hat eine
Italienreise in den hüb-
schen und feinen Zeich-
nungen von Georg
Walter Rössner
ihren Niederschlag ge-
funden. Die frühe Ge-
burtszahl August
Bochers entschuldigt
nicht ganz seineProduk-
tion. Konsequenz und
bewußte Beschränkung
im Thematischen zeigen
die sehr schönen, ein-
fachen und ernsten
Zeichnungen von Pe-
ter Fischer, die
allein einen Besuch der
Ausstellung lohnen.
Glücklicher als die
größeren, tonigen an-
scheinend an Munch an-
knüpfenden Blätter er-
scheinen mir dieArbeiten
kleineren Formates. Der
Bildhauer Hermann
Geibel ist ein be-
stechender Zeichner;
seine elastischen und
Plastiken halten ein gutes Niveau. Kurt
Schwerdtfeger hat für seine Aktstudien
eine eigene Technik erfunden: er umspult die
Körper hundertfach mit garnarfigen Strichen;
weniger Striche und mehr Form wären man-
chem lieber. Neben ornamentalisierten Tier-
plastiken tappen in diesem Saal riesige
Männerakte mit mehr voluminöser als plasti-
scher Gewichtigkeit auf die seltenen Besucher
zu. Kurt Kusenberg
Venezianische Malerei
München war während dieses Sommers mit
umfangreichen repräsentativen Kunstaus-
stellungen mehr denn jede andere deutsche
Stadt gesegnet. Der Kunsthandel selbst war
nur insoweit daran beteiligt, als die Samm-
lung Schloß Rohoncz in der Neuen Pinakothek
ein getreues Spiegelbild der Möglichkeiten
und der außerordentlichen Leistungsfähig-
keiten des deutschen Kunsthandels zu geben
vermochte. Und es wirkt wie eine glückliche
Ergänzung und Verbreiterung der in der
Sammlung Baron Thyssens besonders ge-
pflegten venezianischen Malerei, wenn als ein-
zige Firma in München die Galerie
Caspari mit einer Sonderschau hervortritt,
in der aus eigenen Beständen die Haupt-
meister der Lagunenstadt durch eine gut ab-
gerundete Anzahl herrlicher Hauptwerke ver-
anschaulicht werden.
Am Übergang zur Hochrenaissance stehen
zwei charakteristische Madonnen von Marco
Palmezzano und Alvise Vivarini. Ausge-
zeichnet vertreten ist Tinforetto mit dem glut-
voll verhaltenen Bildnis des Dogen Mocenigo
und zwei weiteren Männerporträts, Jacopo
Bassano mit einer großartigen Geburt Christi
und, vielleicht als Ersaß für den fehlenden Ve-
ronese, Moroni mit einem farbig äußerst diffe-
renzierten Männerbildnis und der thronenden
Madonna. Herrlich erglänzt das 18. Jahrhundert
in Skizzen Tiepolos, in der geistvollen und
musikalisch intonierten Geburt Christi von Se-
bastiano Ricci, in der feinen Musikszene
Pietro Longhis, in verschiedenen frühen und
späten Veduten Guardis und dem vornehmen
Bildnis der Marchesa Brignole von Batoni.
Glücklich ausgewählt sind einige qualitäts-
mäßig außergewöhnlich ansprechende deutsche
Stadtansichten von Belotto.
Georges Braque
Nature morte — Stilleben — still life
Sammlung Dr. Erich Raemisch-Krefeld
Ausstellung „Matisse, Picasso und Braque, 6o Meisterwerke aus deutschem
Privatbesitz“, in der Galerie Alfred Flechtheim, Berlin
Exposition .Matisse — Picasso — Braque, 60 chef-d'oeuvres,
prmenants de coilechons allemandes"
Galerie Alfred FleMheim, Berlin
Exhibition ,,Matisse — Picasso — Braque, 60 masterworks of german collections“
at the Flechtheim Gallertes, Berlin
L. F. Schnorr von Carolsfeld, Landschaft mit Staffage
Lwd., 67: 1x4 cm — Kat. Nr. 173
Versteigerung bei A. Kende, Wien, am 14.—16. Oktober 1930
L. F. Schnorr von Carolsfeld, Paysage avec des figwres I L. F. Schnorr von Carolsfeld, Landscape with figures
Toile, 67 :114 cent. —• No 173 du Cat. I Canvas, 67 by 114 cent. — No. 173 in the catalogue
Vente par A. Kende, Vienne, les 14—16 Octobre 1930 I To be sold by auction by A. Kende, Vienna, on the 14 th—16 th of October 1930
Heinrich Ho er le
Abend und Morgen — Soir et Matin — Evening and Morning
Ausstellung — Exposition — Exhibition
Galerie Ferdinand Möller, Berlin