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Deutsche Kunst- und Antiquitätenmesse [Hrsg.]
Die Weltkunst — 4.1930

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Nr. 41 (12. Oktober)
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WELTKUNST

Jahrg. IV, Nr. 41 vom 12. Oktober 1930

aus möglich. Nur dürfe es sich eben nicht um
selbständige größere Abschnitte handeln. Auch
ließen sich ja mit dem Wesen des Betons nicht
die dekorativen Einzelheiten in Einklang brin-
gen. Skulpturale Gruppen, die auswechslungs-
bedürftig seien, können frei nachgeschaffen
werden, sofern die Potenz des gestaltenden
Künstlers ausreicht. Im übrigen stünde die
Irrationalität eines gotischen Bauwerks im
schärfsten Widerspruch zur rationalen Sach-
lichkeit heutiger Formgebung, so daß ein Ver-
einigen beider Stile zur Zeit wohl nicht in
Frage käme.
Als eine kluge Stimme endlich aus dem
Lager der jüngeren Generation sprach Dr.
Wichert (Frankfurt a.M.I. Ob man im
Augenblick die Gestaltungsfragen am Dom
und an jedem anderen Zweckbau mehr im
archäologischen Sinne sehe und bewerte oder
in einer zeitnahen Weise, sei zunächst gleich-
gültig. Jedenfalls dürfe an die große Aufgabe
nur der große und beste Künstler herangelas-
sen werden. — Durchaus richtig! Leider domi-
nieren heute allenthalben die unzulänglichen
Lokalgrößenl — Allgemein wertend muß ge-
sagt werden, daß eine paradigmatische Lösung
all dieser Erhaltungs- und Erneuerungsarbei-
ten nicht gefunden werden konnte. Die Auf-
gaben- und Problemfülle ist zu groß. Über-
all liegen andere Tatbestände vor. Jedenfalls
würde sich eine neue schöpferische Zeit nicht
scheuen, an alten Bauwerken im neuen Sinn
weiterzugestalten, wenn Sinn, Zweckseßung
und Verwertung eben dieser Bauten eine
andere geworden ist. Zur Zeit kommt das
nicht in Frage. Also ist ein Streiten über diese
Dinge höchst müßig! Man braucht kommen-
den Dingen nicht vorzugreifen. Sie finden
ihren eigenen Weg. Für uns gilt es nur, das
wertvolle Alte taktvoll zu erhalten und zu
pflegen. Jedes radikale Experiment würde
höchstens Kunstgewerbe ergeben, das bald
wieder über Bord geworfen würde.
Aus dem Geschäftsbericht, den Geheimrat
Clemen erstattete, ist erwähnenswert, daß sich


Metallrohrstuhl mit Leder
Chaise en tubes de metal et cuir — Chair out of
metal-tubes and leather
Aus Ad. G. Schneck: „Der Stuhl“
(Verlag Jul. Hoffmann, Stuttgart)

der Denkmalpflegetag um die Überführung
der Notverordnung zum Schuß nationalen
Kunstgutes, die Ende dieses Jahres außer
Kraft tritt, in geseßlich festgelegte Form be-
müht. Wegen eines bereits oft versprochenen,
aber nie erlassenen preußischen Denkmal-
schutzgesetzes ist das Kultusministe-
rium erneut ersucht worden, endlich einmal
mit klaren Entscheidungen hervorzutreten.
Doch das wird noch gute Weile haben. Diese
Dinge sind ja heute nicht lebenswichtig! Auch
mit dem Weifenschatz wird sich der
Denkmalpflegetag in leßter Stunde nochmals
befassen, desgleichen mit den Braun-
schweiger Vorgängen (Vermeer-Bild).
Schritte wurden ferner unternommen bezüglich
des verwahrlosten Schlosses Bensberg bei
Köln und der Überführung der Zitadelle von
Jülich zu neuer Verwendung. Als nächster
Tagungsort wurde Kassel gewählt.
Hermann Ginzel.

Der Stammbaum
des Stuhles
Als dem Wilden die hockende Stellung
nicht mehr genügte, fand er naturgemäß eine
primitive Stüße des Körpers. Der Mensch der
freien Natur konnte sich zunächst mit einem
abgeplatteten Stein, mit einem behauenen
Baumstumpf begnügen. Und der auch noch so
einfache Siß war eine Bevorzugung des
Mannes, des Kriegers, der nicht arbeitete. Der
Stärkste unter ihnen wird den irgendwie
schönsten, höchsten, beguemsten Siß bean-
sprucht haben. So dokumentierte sich der
Mensch der gehobenen Stellung. So entstand
der Siß des Herrschers, der Thron. — Es ist
selbstverständlich, daß der primitive Mensch
seinen Ehrgeiz darin seßte, diesen Hochsiß des
Gebieters zu schmücken. Später schuf er
Götterbilder in sißender Stellung und zwangs-
läufig den Thron für die Gottheit. —
Erst mit zunehmender Kultur, mit der
Schöpfung des künstlich geschlossenen
Raumes bekam der Stuhl seine heutige Be-
stimmung des Behagens und der Geselligkeit.
Schon Ägypten und Griechenland kannte
längst den Stuhl als unentbehrliches Requisit
des häuslichen und gesellschaftlichen Lebens.
Wieder war es der Hausherr oder der geehrte
Gast, der einen bevorzugten, erhöhten Plaß
einnahm. Noch bis heute ist die Sitte des
Hochsißes im hohen Norden, wie im tropischen
Süden erhalten geblieben.
Dem reichen, entnervten Rom genügte bei
seinen Festen der Stuhl nicht mehr. Er be-

hauptete seinen Plaß als Richterstuhl und —
typisch für die beginnende Herrschaft des
schönen Geschlechtes — als Frisierstuhl. Aber
wenn Rom feierte — lag es. — Germanischer
Einfluß änderte die Sitten in Italien. Denn
dem Germanen genügte die Bärenhaut nicht
mal zum Trinkgelage. Man saß in Walhall.
Man saß in den weiten Reichen der Goten.
Gut und vielgeformt ist die Ahnenreihe
unseres heutigen Stuhles. Unendliche Wand-
lungen mußte er durchmachen, bis zu der
äußersten Kühnheit moderner Stahlkonstruk-
tion. Seine Form in all ihrer Vielgestaltigkeit
hatte einem bestimmten Zweck zu dienen.
Stüße des Rückens und seiner Verlängerung
verbunden mit Tragfähigkeit troß fragilster
Grazie sind seine Bestimmung gewesen und
werden es bleiben. Epochale Sitten und
Formensprachen beherrschten seine Aus-
führung, nie seinen Zweck.
Die starren Gewänder des Mittelalters
forderten hochlehnige gerade Sessel, die sich
bis in die Renaissance erhielten. Aber
auch das Tabureft, dieses Marterwerk-


Englischer Armlehnstuhl
Fauteuil anglais — English easy-chair
Aus Ad. G. Schneck: „Der Stuhl“
(Verlag Jul. Hoffmann, Stuttgart)
zeug des Menschen, der eine guie Figur
machen wollte, entstand damals, — eine
Wiedergeburt des primitiven Hockers. Man
saß auf diesem gehobenen Schemel immer
noch zu Füßen der Dame; und der Mann
der Renaissance hatte es dank seinem
Kostüm sehr schwer, keine gute Figur zu
machen. Könige erhoben das Taburett bald
danach zum Vorrecht der Marquisen, wiesen
ihm gerade dadurch einen Plaß als nicht voll-
kommenen Sessel an. Denn das Privileg, in
Gegenwart des Königs zu sißen, sollte ein
halbes Geschenk bleiben. Doch die Ge-
schlechter bestimmten ebenbürtig Form und
Gebrauch des Stuhles, der mit dem be-
ginnenden Rokoko immer zierlicher wurde,
soweit er Gebrauchsmöbel blieb und nicht der
Repräsentation diente. ■— Die Gesellschaft des
Menuetts kannte lange Sißungen höchstens am
Kartentisch. Bequem zu sißen mag den Esprit
behindert haben, mehr noch die permanente
Courtoisie. In dieser Zeit griff Eng-
land (siehe Abbildung oben) das Thema
„Stuhl“ mit praktischer Zweckmäßigkeit
auf und schuf den Begriff des bequemsten


Armlehnstuhl in Metall mit Stoffgurten
Fauteuil en metal et sangles d’etoffe — Easy-chair
out of metal and stuff-girdles
Aus Ad. G. Schneck: „Der Stuhl“
(Verlag Jul. Hoffmann, Stuttgart)
Sißmöbels, dessen Wert sich bis heute er-
halten hat. In England konnte ebenso wenig
das Taburett entstehen, wie in Frankreich der
Klubsessel.
Die heutige Stahlepoche (siehe Ab-
bildungen auf dieser Seite) hat selbstver-
ständlich versucht, Metall für das Möbel
zu verwenden. Ob das Stahlmöbel prak-
tisch, zweckentsprechend ist, kann erst
längere Praxis feststellen. An einigen der
Neuschöpfungen ist entschieden ein gefähr-
licher Irrtum zu bemerken. Wenn eine Dame
in langen, faltigen Gewändern es benußt,
schwebt sie in sißender Stellung für das Auge
des Beschauers — ein immerhin ungewöhn-
licher Anblick. Die Zeit der Sachlichkeit
darf nicht inkonsequent sein. Menschen,
seit sie Kultur kennen gelernt haben, werden
immer zu sitzen wünschen, nicht zu
schweben —- ganz gleich ob auf Fauteuils,
Sesseln, Stühlen, Hockern oder Thronen.
H. v. Oelsen

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