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Deutsche Kunst- und Antiquitätenmesse [Hrsg.]
Die Weltkunst — 4.1930

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Nr. 44 (2. November)
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Jahr g. 1V. Nr. 44 vom 2. November 1930

W E L T K U N S T

13

wegen Irrtums vor dauerndem Verlust zu be-
wahren. Dieses Ergebnis ist unbillig, denn
die bloße Unechtheit ist durchaus kein Fehler
im Sinne des § 459 BGB, der innerhalb von
6 Monaten von allein zum Vorschein kommt.
Die schlechte Stellung des Käufers, die
man beispielsweise in Frankreich nicht kennt,
hat bei uns außerordentlich viel dazu bei-
getragen, den Schrei nach der Expertise zu
verstärken. Aber die Abhilfe ist ausgeblie-
ben. Dazu gibt es, solange die Recht-
sprechung nicht andere Wege einschlägt, nur
ein Mittel: Die schriftliche Garantieerklärung
des Verkäufers! V^er einen tiohen Preis für
ein Kunstwerk anlegen soll, verlange die
mehrjährige schriftliche Gaiantie des Händ-
lers für die Richtigkeit seiner Angaben.
Dann wird die Expertisenflut rasch ver-
ebben, und nicht zulebt der Kunsthandel von
der nun erfolgten Sicherung des Publikums
den Vorteil haben, aus dem Lager der bisher
mißtrauisch abseits Stehenden . neue Inter-
essenten zu gewinnen.
B. Svenonius, Stockholm:
Mit Interesse habe ich die Versuche zur
Lösung des Expertisenproblems in der „Welt-
kunst" gelesen. Ich glaube, daß diese „Pro-
bleme“ sich von selbst lösen werden, wenn
man sich darüber klar wird, was eine Expertise
eigentlich darstellt, und wenn man daraus
die Konsequenzen zieht.
Die Expertise ist ein juristisches
Dokument, ein Beweismittel, das Zeugnis
eines Sachverständigen. Man gestatte mir, in


G. H. Wolff, Orpheus und Eurydike
(Bronze)
Leihgabe des Folkwang-Museums, Essen
Ausstellung — Exposition — Exhibition:
Galerie Flechtheim, Berlin

kurzen Zügen die Expertisenfrage vom Ge-
sichtspunkte des Juristen aus zu beleuchten.
Eine Gerichtsverhandlung zeige folgendes
Bild: Herr A. hat bei Herrn B. ein Gemälde
von Tizian gekauft, das jedoch nachher von
dem in Frage kommenden Fachmann nicht als
echt begutachtet wird, weshalb A. auf Zurück-
nahme des Bildes durch Herrn B. klagt. Als
Zeuge fungiert der von A. zu Rate gezogene
Experte, dem jedoch B. als Gegenzeugen
einen anderen Sachverständigen entgegen-
stellen kann, der die Auffassung der Echtheit
des Bildes vertritt. Nachdem A.’s Zeuge
seine Ansicht, daß das Gemälde unmöglich
von Tizian stammen könne, auseinandergelegt,
jedoch die Frage des Richters, wer seines
Erachtens nach der Schöpfer sei, nicht be-
antworten konnte, tritt der Sachverständige
B's zum Gegenbeweis an. Seine Eignung als
Sachverständiger wird vom Gericht auf Grund
seiner beruflichen Tätigkeit als Museums-
direktor und Universitätsprofessor sowie
seiner wissenschaftlich publizistischen Tätig-
keit als Verfasser mehrerer bekannter
Schriften, darunter eines Spezialwerks über
Tizian, als gegeben erachtet und zu Protokoll
genommen. Er reicht eine schriftliche Exper-
tise auf der Rückseite der Photographie des
fraglichen Bildes ein, in der er es als ein
zweifellos echtes und eigenhändiges Werk
Tizians erklärt. Erläuternd gibt er auf die
Frage des Richters mündlich zu Protokoll, daß
das zur Diskussion stehende Bild nachweis-
bar identisch sei mit einem von Kaiser Karl V.
in Auftrag gegebenen Werk, das in der ge-
samten Quellenliteratur zu verfolgen und auch
in neueren Forschungen an der und der Stelle
erwähnt und beschrieben sei, usw. — Darauf-
hin wurden vom Gericht die Ansprüche des
Herrn A. zurückgewiesen.
Es ergibt sich nun die grundsäßliche Frage:
Ist durch diese Aussage und Gerichtsent-
scheidung die Authentizität des Gemäldes als
eigenhändiges Werk Tizians festgestellt?
Natürlich nicht. Denn es kann ein dritter
Sachverständiger auftreten, der das um-
strittene Bild als eine zu Lebzeiten Tizians

oder nach seinem Tode entstandene Wieder-
holung eines geschickten Schülers oder
Kopisten erklärt, weil er feststellen kann,
daß das Original einst, um es vor dem Zu-
griff fremder Kriegsscharen zu Schüßen, in
einem Kloster verborgen wurde und er es
jeßt, anläßlich der Strittigkeiten, auf Grund
erneuter Nachforschungen wieder zutage
fördern konnte.
Die Autorschaft kann also leßten Endes
durch eine Expertise niemals festgestellt wer-
den. Welche Rechtswirkung die Expertise
jedoch besißt, hängt von der Geseßgebung
jedes einzelnen Landes ab; vor allem davon,
ob die Beweisführung geseßlich an die Sach-
verständigen gebunden ist oder, wie in man-
chen Ländern (z. B. in den U. S. AJ, die
Prüfung des Beweisantritts und seine Ver-
bindlichkeitserklärung dem Ermessen und der
Überzeugung des Gerichtshofs zusteht. Troß-
dem muß gesagt sein, daß allein Expertisen
von einem oder selbst mehreren Sachver-
ständigen nicht als voller Beweis gelten
dürfen, nachdem die moderne Technik in
chemischen Untersuchungen und Durch-
leuchtungen mit Röntgenstrahlen neue, hilf-
reiche Beweismittel zur Verfügung gestellt hat.
Dagegen halte ich eine Sachverständigen-
Kammer, die über die Identität einer Autor-
schaft zu bestimmen hätte, für eine Utopie.
Das Gewicht einer Entscheidung wird in dem
Maße geringer, je mehr Personen dabei mit-
zusprechen haben.
Was die Form der Expertise betrifft, so
glaube ich in einer Motivierung der Sachver-
ständigen-Auffassung keine Steigerung ihres
Vertrauenswertes erblicken zu können; höch-
stens die Angabe, daß ein Werk als bisher
unbekanntes Gegenstück eines anderen be-
kannten oder als Stück einer Serie, deren
übrige Teile sich da und dort befinden und
bereits in der Literatur bekannt sind, anzu-
sprechen ist, müßte gegebenenfalls gemacht
werden.
Man hat die Abschaffung der Expertisen
vorgeschlagen. Solange jedoch Gemälde vor-
kommen, deren Autornamen in Vergessenheit
geraten sind, müssen Sachverständige zur
Aufklärung zu Rate gezogen werden. Der
ursprüngliche Zweck der Expertise ist natür-
lich ihre Verwendung als Beweismittel bei ge-
richtlichen Streitigkeiten, später dann zur
Überzeugung des Käufers, und es ist langsam
zur Regel geworden, daß man sich im freien
Handel oder auf der Versteigerung auf die
Expertise als die Bestätigung des genannten
Autornamens stüßt und dem Bilde dadurch
sicheren Werf verleiht.
Wenn ein sammelnder Käufer selbst ein
guter Kenner ist, kann es ihm angenehm sein,
seine eigene Auffassung von der Wissenschaft
bestätigt zu finden. Unkundigen und An-
fängern dagegen müßte man abraten, auf
Grund von Expertisen zu kaufen, denn dies
bedeutet nicht mehr als „Kunsthandel mit
Namen". Der wirklich echte und begeisterte
Kunstsammler kauft nach Gefühl und eigener
Erfahrung und, so gut er es vermag, nach
Qualität.

Ausstellungen
Giorgio de Chirico,
G. H. Wolff
Die Berliner Galerie Flechtheim
veranstaltet eine Ausstellung von über 40 Ge-
mälden C h i r i c o s , sowie von Skulpturen,
Aquarellen und graphischen Blättern G. H.
Wolffs, dessen Bronzegruppe „Orpheus
und Eurydike" wir auf dieser Seife abbilden.
Beiden gemeinsam ist das Streben nach
plastischer Formprägung, — insofern gehen
sie recht gut zusammen. Das kräftigere, ein-
fachere Naturell ist Chirico. In Stilleben,
Pferde- und Gladiatorenbildern (Abbildung
in Nr. 42 der „Weltkunst“) usw. gestaltet er
mit abstrakter Härte eine Welt voll gewollt
monumentaler Haltung. Die beträchtliche Wil-
lensenergie, die in all diesen Konstruktionen
steckt, läßt es denn auch verständlich er-
scheinen, daß bereits eine relativ umfang-
reiche Literatur über Chirico erschienen ist.
Die Plastik Wolffs strebt im Prinzip ähn-
lichen Zielen zu, ohne ihrer Lösung so nahe zu
kommen, wie es Chirico in gewissem Sinne
geglückt ist. Allzu ausgeweitete Köpfe, allzu
bunte Färbung verraten einen Überfluß an Ge-
fühl, der noch nicht zur Präzision der harten
Form eingedampft worden ist. —ow.
Erich Heckel
Die Galerie Ferdinand Möller,
Berlin, hat eine Ausstellung von Gemälden,
Aquarellen und Graphik Erich Heckels aus
den leßten drei Jahren eröffnet. Wir kom-
men auf diese dankenswerte Schau noch
zurück.
Anton Leidl
Die Galerie J. Casper, Berlin, stellt
Arbeiten des Münchener Malers Anfon Leidl
aus, — die Schau wird heute eröffnet.
Bernhard Feldkamp
In der Galerie Adolf Meyer, Osna-
brück, ist zum erstenmal eine Kollektion des
jungen Malers Bernhard Feldkamp ausgestellt.
In Landschaften gibt er das Wesentlichste
seiner Art: stimmungsvoll und zugleich scharf
präzisierend stellt er Bäume und Gesträuch,
Vögel und Rehe, Wolkenhimmel und Erdboden
hin. Wir reproduzieren auf Seife 12 den

Marczell von Nemes J*

Aus Budapest kommt die Nachricht, daß
der bekannte Kunstsammler Baron Marczell
von Nemes daselbst im Alfer von 64 Jahren
an den Folgen einer Operation verschieden
ist. Mit ihm verschwin-
det eine der markan-
testen Erscheinungen
aus den internationalen
Kreisen des Sammler-
tunis, eine Persönlich-
keit, die sich gleicher-
weise durch außer-
gewöhnlichen Spürsinn
und Kennerschaft wie
durch die Zielsicher-
heit und Eigenwilligkeit
seiner fruchtbaren
sammlerischen Be-
mühungen auszeich-
nete, ein Typus, dem
Tschudi 1910 anläßlich
der Ausstellung seiner
ersten Sammlung in
der Münchener Pinako-
thek nicht zu Unrecht
einen besonderen Plaß
innerhalb der Ge-
schichte des neuzeit-
lichen Sammelwesens
zuwies. Leidenschaft
und Kunstsinn, der sich
auch in eigener künst-
lerischer Produktion
sussprach, waren die
Triebfeder seines Sam-
melns, dem die erste
Sammlung mit den
Werken Grecos, Goyas
und den französischen
Impressionisten von
Manet bis Cezanne ihr
Dasein verdankt, die
dann, nachdem die
Düsseldorfer Stadtver-
waltung in bedauer-
licher Kurzsichtigkeit
den Ankauf verweigert
hafte, 1913 in Paris auf
einer sensationellen
Versteigerung aufgelöst
wurde, um einer neuen
Sammlung alter Mei-
stei Plaß zu machen,
die wiederum 1928 in
Amsterdam auf den
Markt kam, nicht ohne
daß noch heute die Wohnsiße des Sammlers
in München und am Starnberger See beinahe
unübersehbare Kunstschäße an Gemälden,
deutschen Skulpturen und vor allem eine
kostbare Sammlung früher Textilien be-
wahrten. Die Spuren dieser Persönlichkeit

von außergewöhnlichen Ausmaßen sind aus
der Geschichte des modernen Sammelns
nicht mehr hinwegzudenken, die Universali-
tät und Rastlosigkeit dieses Sammlers, der

Mit Erlaubnis von Paul Cassirer, Berlin

zwischen Alt und Neu überraschende Ver-
bindungen zu schlagen wußte, kennzeichnet
den Vollmenschen unserer raschen Zeit. Ein
Bildnis Nemes’ von Oskar Kokoschka aus
dem Hallenser Museum gibt eine hervor-
ragende Charakteristik des Verstorbenen.


Oskar Kokoschka, Porträt Marczel von Neines
Halle, Städtisches Museum für Kunst und Kunstgewerbe

Abend in der Kiefernheide und sein Selbst-
bildnis.

Foujita in Paris
In der Galerie Colette Weil findet eben
eine Ausstellung von Werken Foujitas statt,


Statuette der Marquesas-Inseln
Iles Marquises — Marquesas Islands
H. 150 cm — Collection J. Hloucha, Prag
Internationales Kunst- und Auktionshaus, Berlin
3. und 4. Dezember 1930

dieses japanischen Malers, der die Subtilität
seiner Heimat mit Pariser Charme zu ver-
binden weiß. Große Kompositionswerke des
Künstlers bilden den Hauptteil dieser auf-
schlußreichen Ausstellung, aber nicht weniger
interessant sind zahlreiche Skizzen, Studien
und Radierungen. Alles trägt den Stempel
dieses erstaunlichen Erfassens der Nuance.
A. S.
Museums-Ausstellung in London
Das Universify College in London stellt die
Schäße seiner Kunstsammlung aus, die es
dem Mäzenatentum Sir Joseph Duveens ver-
dankt. Neben einer bedeutenden Anzahl
früher deutscher Künstler, Altdorfer, Burk-
mair usw., sind die wertvollsten und an-
ziehendsten Stücke der Ausstellung eine
größere Anzahl Gemälde von Turner, von
denen eines, „Der Luzerner See“, ein wahres
Juwel Turnerscher Zartheit und Virtuosität
darstellt.
Die Herzogin von Vendöme
als Malerin
Die Genfer Kunstgesellschaft
veranstaltet im Palais de l’Athenee eine
Kollektivausstellung des künstlerischen Schaf-
fens der Schwester des Königs der Belgier,
der Herzogin Henriette von Vendöme. In
ihrem riesigen Schloß Tourronde bei Evian

Der Verlag der „Weltkunst“ kauft bis auf
weiteres die Nr. 2 des Jahrgangs 1927 und
die Nr. 24 vom Jahrgang 1929 der „Kunst-
auktion“ in guterhaltenem Zustande mit je
2 M. zurück.

auf der savoyischen Seite des Genfer Sees
hat sich die Herzogin ein Atelier eingerichtet.
Dorf sind die meisten der z. T. recht
wertvollen Bilder entstanden: Landschaften
Savoyens und der Schweiz, vor allem aber
eine Fülle von vorzüglichen Blumenbildern,
in deren Leben die Künstlerin sich mit be-
sonderer Liebe einzufühlen weiß. Oe.
Wander-Ausstellung
Vier Ausstellungen, die zuerst für München
von der dortigen Galerie J. B. Neumann
u. Guenther Franke (Graphisches Kabi-
nett) zusammengestellt worden waren: Um
1800 (Beiträge zur deutschen Graphik) — Von
Ingres bis Picasso, — Werke Georges
Rouault’s und Max Beckmann’s neue Gemälde,
werden jeßt in der Kestner-Gesellschaft zu
Hannover, im Staatlichen Museum in Saar-
brücken und in der Neuen Kunst Fides in
Dresden gezeigt. Bereits früher hat das
Graphische Kabinett Ausstellungen für die
Basler Kunsfhalle, das Züricher Kunsthaus und
das Provinzialmuseum in Hannover ein-
gerichtet.
 
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