Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
134

Die klassische Kunst.

Man begreift den Grimm Sebasti-
anos, dass ihm durch solche Leute
in Rom der Weg versperrt sein sollte.
Sebastiano ist zeitlebens ein ge-
hässiger Nebenbuhler Raffaels ge-
wesen, allein sein Talent gab ihm
das Recht, auf die ersten Aufgaben
Anspruch zu machen. Einige vene-
zianische Befangenheiten ist er nie
ganz los geworden. Mitten im
monumentalen Rom hält er noch
fest an dem Schema des Halbfiguren-
bildes und zu einer vollkommenen
Herrschaft über den Körper mag
er nicht gekommen sein. Es fehlt
ihm auch das höhere Raumgefühl,
er verwirrt sich leicht und wirkt
dann eng und unklar. Allein er
besitzt eine wahrhaft grosse Auf-
fassung. Als Bildnismaler steht er
in der allerersten Linie und in den
historischen Bildern erreicht er hie
und da einen so gewaltigen Aus-
druck, dass man ihn nur mit Michelangelo vergleichen kann. Freilich
weiss man nicht, wie viel er von dieser Seite empfangen hat. Seine
Geisselung in S. Pietro in Montorio in Rom und die Pieta in Viterbo
gehören zu den grossartigsten Schöpfungen der goldenen Zeit. Die
Auferweckung des Lazarus, wo er mit Raffaels Transfiguration kon-
kurrieren wollte, würde ich nicht ebenso hoch stellen: Sebastiano ist
besser bei wenigen Figuren als bei der Darstellung der Menge
und das Halbfigurenbild möchte überhaupt der Boden gewesen sein,
wo er sich am sichersten gefühlt hat. In der »Heimsuchung«
des Louvre kommt seine ganze vornehme Art zum Ausdruck und
das Raffaelsche Schulbild der Visitation im Prado sieht trotz seiner
grossen Figuren daneben gewöhnlich aus.1) Und auch die Kreuz-
tragung in Madrid (Wiederholung in Dresden) möchte im Ausdruck

-1) Die sehr ärmliche Komposition kann unmöglich auf Raffaels Entwurf zurückgehen.
Vgl. Dollmayr (a. a. O. S. 344: von Penni).

L. Carracci. Transfiguration.
 
Annotationen