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Die klassische Kunst.

wegung, machten den Florentinern einen grossen Eindruck. Hier war
in einer höheren Form gegeben, was man einst in Peruginos geometrisch
geordneter Beweinung Christi (1494) bewundert hatte. Pontormo hat
in seinem Fresko der Heimsuchung (Vorhalle der Annunziata) nicht
ohne Glück versucht, die Komposition des Frate nachzuahmen. Er
stellt die Hauptgruppe erhöht vor eine Nische, er setzt vorn kräftig
kontrastierende Eckhguren an die Ränder, er sorgt für eine lebendige
Zwischenfüllung die Stufen hinan und erreicht einen wahrhaft monu-
mentalen Eindruck. In dem Zusammenhang eines so bedeutenden
Ganzen erscheint der Wert jeder Einzelfigur erhöht.

Eine besondere Erwähnung beansprucht noch die Madonna von
Besangon, schon darum, weil sie den schönsten Sebastian enthält.
Das Bewegungsmotiv von prächtigstem Fluss und die Malerei venezia-
nisch breit. Man merkt den vermischten Eindruck Peruginos und
Bellinis. Das Licht fällt nur auf die rechte Seite des Körpers, die
bewegtere, und hebt so, zum grössten Vorteil der Figur, gerade den
wesentlichen Inhalt des Motives heraus. Das Bild ist aber auch merk-
würdig hinsichtlich des Stoffes: die Madonna auf AVolken und diese
Wolken hineingenommen in einen geschlossenen architektonischen
Binnenraum, der nur durch eine Thür im Hintergrund den Blick ins
Freie hinauslässt. Das ist ein Idealismus neuer Art. Bartolommeo mag
den dunkeln Grund, die dämmerige Tiefe gewünscht haben; er gewann
damit auch für die Heiligen, die dastehen, neue Erscheinungskontraste.
Der Raumeindruck ist indessen kein günstiger und die offene Thür
verengt mehr als dass sie erweitert. Das Bild schloss übrigens
ursprünglich anders nach oben; es folgte im Halbrund eine himmlische
Krönung. Möglich, dass dadurch die Wirkung im ganzen eine bessere
war. Das Bild scheint auch um 1512 entstanden zu sein.

In rascher Steigerung erhebt sich nun die Empfindung des Frate
bis zu dem grossen Pathos in der fürbittenden Mutter des Er-
barmens vom Jahre 1515 in Lucca (Akademie). Man kennt die
Misericordienbilder als lange Breitbilder: die Maria steht in der Mitte und
hält die Hände betend zusammen und rechts und links knien unter
ihrem Mantel die Andächtigen, die sich ihrem Schutze anheimstellen.
Bei Bartolommeo ist es ein mächtiges Hochbild mit halbrundem Abschluss.
Maria steht erhoben über dem Erdboden, Engel breiten ihren Mantel
hoch aus und so fleht sie empor mit prachtvoll triumphierender Be-
wegung, laut und drängend, die Arme nach unten und oben auseinander-
gebreitet und vom Himmel her antwortet der gewährende Christus,
 
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