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Lebensgeschichte

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und als er uach Kolmar kam, kam er zu spät: unvermutet war Mcister Martin
1491 gestorbeu. So blieb er eine Weile bei den Brüdern, ging dann nach
Basel — dort sinden wir ihn im Dienste des Holzschnitts — und eine weitere
Nachricht scheint noch einen Aufenthalt in Straßburg für 1494 anzuzeigen.

Seit Psingsten dieses Jahres aber, wie gesagt, ist er wieder in Nürnberg.
Gleich nach der Heiinkehr gründet er den eignen Herd, indem er die Frau
heiratet, die ihm der Bater nach üblicher Weise ausgesucht hatte. Sie hieß
Agnes Frei, war aus wohlhabendem Haus, eine nüchterne Person mit
stumpfen Zügen, oon der man wohl begreift, daß böse Zungen sie als ein
Kreuz für den Maler bezeichnen konnten. Jch brauche hier in Bezug auf
sein eheliches Glück keine Rechnung aufzustellen und begnüge mich zu konsta-
tieren, daß er mit der Frau — in kinderloser Ehe — bis zu seinem Tode
schlecht und recht zusammengelebt hat.

Die künstlerische Persönlichkeit Dürers kennzeichnet sich oon Anfang an
durch eine ungewöhnliche Feinfühligkeit der plastischen Form gegenüber. Man
merkt, daß die Dinge der Sichtbarkeit ihm mehr sagten als den andern und
daß er früh einen neuen Begriff oon der Darstellungswürdigkeit und der
Darskellungsfähigkeit der Natur sich gebildet haben muß. Nicht als Fortführer
einer Nürnberger Lokaltradition läßt er sich begreifen, sondern gleich tritt er
als der Erbe der gesamten oberdeutschen Kunst uns entgegen und diese be-
saß damals ihre bedeutendste Potenz in Martin Schongauer. Neben dem
Eindruck Schongauers bleibt alles im Hintergrund, ivas etwa auf die Ilnter-
weisung durch Wohlgemut und seine Genossen zurückgeführt werden kann.

Und nun war also Dürer in der Heimat Schongnuers gewesen und hatte
in den oberrheinischen Gegenden sich vollgesogen mit der feinen, beweglichen
und ausdrucksvollen Art dieser Kunst und was soll man anderes erwarten
als daß er ietzt, zurückgekehrt nach Nürnberg, der Fortsetzer, der Vollender
des frühverstorbenen Meisters würde?

Allein da geschieht das Ilnerwartete: Dürer kommt unter den Eindruck
Ztaliens. Die Wirkung Schongauers kreuzt sich mit der Wirkung Mantegnas.
Deutsche Spätgotik begegnet sich mit italienischer Renaissance.

Wann die ersten italienischen Bilder an Dürer herankamen, ist nicht be-
stimmt zu sagen, bald nach der Rückkehr aber nach Nürnberg, im Jahre 1494
und 1495 mehren sich die Zeichen der Berührung so sehr und sind von
solcher Stärke, daß eine Reise über die Alpen angenommen werden müßte,
auch wenn wir nicht durch sonstige Hinweise darnuf gedrängt würden. Mag
sein, daß einzelne Stiche italienischer Meister von Dürer schon im Norden
kopiert wurden, 1495 aber hat er sicher auf italienischem Boden gestanden.
Mit diesem Datum stimmt es, wenn Dürer später auf der großen italienischen
 
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