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Die Xunst Klbrecht Oürers

Reise 1506 r>on einem Eindruck spricht, den er elf Jahre früher an Ort
und SteLte d. h. in Venedig gehabt habe.ch

Vieles hat er damals gesehen, was eine mächtige Gährung in ihm her-
vorrnfen mußte: große Landschast, die Berge und Täler Tirols; Venedig
und seine Mnler; der Haupteindruck scheint aber Mantegna gewesen zu sein.
Der Abstand war ein ungeheurer, ja, in ganz Jtalien hätte er kaum einen
stärkeren Gegensatz zu Schongauer sinden können als den heroischen, strengen,
antik gesinnten Meister von Padua. Jn großer sicherer Erscheinung gewahrte
er da eine ganz andere Welt von Schönheit, andere Körper, andere Be-
lvegungen, und eine Gesinnung, die ihn in ihrer Art ebenso sremd berühren
mußte: dem grandiosen Pathos Mantegnas — was hatte die nordische Kunst
dem irgend Vergleichbares entgegenzusetzen!

Selbstverständlich, daß Dürer nicht eine Kunst an die andere hingab; auch
wenn er gewollt hätte, er hätte nicht mit einem Male Jtaliener lverden können.
Er vermittelt nnd kommt dadurch in Nachteil gegen Schongauer. Altes und
Neues stchen unausgeglichen nebeneinander. Es ist die Trübung des Stil-
gesühls, wie sie jeden Übergang bezeichnet. Aber es glühte eine Feuerseele
in dem jungen Künstler und man sieht mit Spannung dem Moment entgegen,
wo er die Kraft seiner Jugend in eine große Aufgabe ausströmen lassen würde.

Das geschah im Holzschnitt. Es ist sehr charakteristisch: der Linienknnst
hat er zuerst sich anvertraut. Er griff nach dem aktuellsten Stoff der Zeit,
nach der Offenbarung des Johannes. Die Zeichen, die man damals er-
wartete als die letzten vor dem Untergang der Welt, dort standen sie ge-
schrieben und sie wollte er in neuen Linien gestalten, mit einer noch nie
gesehenen Macht des Ausdrucks, auf großen, großen Blättern; als Holzschnitte,
so daß er sicher war, zu vielen zu reden. Das Buch erschien 1498. Für die
Geschichte des Holzschnittes bedeutet die Apokalppse eine neue Epoche; durch
die kühne Genialität der Jugend, die sie vor andern Arbeiten Dürers aus-
zeichnet, hat sie aber immer, namentlich auf produktive Geister, einen be-
sondercn Eindruck gemacht.

Gleichzeitig fing Dürer an, das Thema zu gestalten, das ihn zu allen
Zeiten seines Lebens beschäftigt hat, die Passion des Herrn. Auch hier sind

0 Brief an Pirkheimer vom 7. Februar 1506. Er lobt Giovanni Bellini und fährt
dann fort: „— und das Ding, das mir vor clf Jahren fo wohl hat gefallen, das ge-
fällt mir jctzt nicht mehr. Und wcnn ichs nicht selbft fäh, so hütt ichs keinem andern
geglaubt." Es ift kaum anders denkbar, als daß es sich um eine Kunstangekegenheit
handelt, „Ding" lüßt fich ungefähr mit „Zeug" übersetzen (ohne verächtliche Bedeutung),
Dürer konftatiert eine Geschmackswandlung angesichts einer Sache, die ossenbar in Vencdig
festlag.
 
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