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Die Kunst Klbrecht Dürers

Krönungen lassen den hinreißenden Zug gotischer Darstellungen völlig ent-
behren. Bei der Himmelfahrt ist es oft nur ein knieendes Püppchen, mas
mühsam emporgeschoben wird, und die Handlung des Täusers, bei eng aus-
einnnder gerückten Figuren, kommt selten vom Kleinen und Klebrigen los.

Daß manche Situationen ganz innerlich und rein empfunden sind — mer
wollte es leugnen? Der Christus in Schongauers großer Kreuztragung
ist ein ergreifender Kops und wie der Gekreuzigte auf dem Peringsdörsser
Altar (Germanisches Museum) zum heiligen Bernhard sich neigt, ist viel-
leicht die schönste Darstellung, die es überhaupt gibt, aber man wird zu-
gestehen, daß all die Schönheiten, die sich nennen ließen, in einer begrenzten
Empsindungszone liegen und daß der Zug des Bedeutenden, den z. B. noch
die Deckersche Grablegung von 1446 in der Ägidienkirche zu Nürnberg hat,
sich kaum mehr sinden läßt. Z

llnd dann ist noch etwas merkwürdig: wie unbedenklich neben dem Jnnigsten
die bare Trivialität vorgebracht wird. Man will natürlich sein und sucht
den Eindruck durch Einmengung von allerlei Zügen des gewöhnlichen Lebens
zu gewinnen. Das, Essen und Trinken wird mit besonderer Sorgsalt dar-
gestellt. Jn den Bildern vom Auseinandergehen der Apostel kommen rührende
Motive vor, z. B. auf dem anonpmen Nürnberger Gemälde der Münchener
Pinakothek die llmarmung mit dem Wegwenden der tränengefüllten Augen,
und niemand wird sich durch das typische Begleitmotiv verletzt fühlen, daß
der eine oder andere der Jünger noch rasch an der Duelle seinen Becher süllt,
aber warum nmß es jetzt gerade die Hauptsigur sein, Petrus, groß im Vorder-
grund, der das Bedürsnis hat, erst einen tüchtigen Schluck aus der Feldflasche
zn nehmen, bevor er auszieht, den Völkern das Evangelium zu bringen?
Es kommt den Leuten nicht darauf an, eine einheitliche Stimmung zu wahren.
Beim Tod der Maria ist es so recht nach dem Herzen dieser Zeit, wenn eine
Kerze flackert und einer der Apostel, die aus aller Welt gekommen sind, der
Muttergottes in ihrem Sterben beizustehen, niit llmständlichkeit die Licht-
putzschere in Bewegung setzt (Wohlgemut, Hallersches Epitaph von 1487
im Germanischen Museum). Schongauer ist ja schon wählerischer in seinen
Motiven, immerhin wird man auch bei ihm Züge sinden, die aus der Stim-
mung herausfallen: ich denke an seinen großen Stich des Marientodes und
jenen Apostel dabei, der einem Genossen ins Buch sieht und mit dem ab-

0 Wns an Phantastik und ausschweifend übertriebenern Wesen in der Zeit liegt, hat
nicht in der darstetlenden Kunst, sondern in der Architektur seinen Ausdruck gefunden.
Hier entsteht noch immer Großartiges. Allein es ist ein Großartiges, das jenseits des
Lebens liegt, nicht das großempfundene Leben selbst.
 
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