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Zeitschrift für christliche Archäologie und Kunst — 1.1856

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Quast, Ferdinand von: Die Münsterkirche in Essen
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https://doi.org/10.11588/diglit.3677#0010
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2 DIE MUNSTERKIRCHE IN ESSEN.

als der schon genannte Haupttheil der Münsterkirche. Sie zeigt uns die flauen Formen
einer nüchternen spälgothischen Architektur, die gleichfalls durch den Mangel alles Maass-
werks der Fenster so wie durch hässliche Vorbauten zopfiger Portale entstellt wird. Auch
der hohe spitze Thurm über dem westlichsten Gewölbe des Mittelschiffs kann dieses Inter-
esse nicht wesentlich erhöhen; er steht selbst zurück gegen den ziemlich gleich hohen
Schieferthurm über dem Kreuze der grösseren Kirche, dessen Hauptform, bis zu seinem
Abbruche vor wenigen Jahren, sich durch acht Giebelblenden auf halber Höhe eigenthümlich
auszeichnete.

Was aber schon unsere besondere Aufmerksamkeit erregt, ist der Titel dieser Vor-
kirche. Sie ist dem beil. Johannes dem Taufer geweiht und bewahrt noch jetzt den Tauf-
stein, in dem früher ausschliesslich das Sacrament der Taufe der ganzen Stadt gespendet
wurde. Eine besondere Taufkirche gehört aber in Deutschland zu den Seltenheiten.*)
Ausser den Cathedralen, welche auf ehemals Römischem Gebiete liegen, und deshalb als auf
Römischer Stiftung beruhend anzusehen sind (mit Ausnahme der hier spater errichteten Bi-
schofsitze), ist eine besondere Taufkirche bisher nur noch in Aachen nachgewiesen worden,
wo solche gleichfalls der Westseite des Münsters gegenüber liegt, gleichfalls nur durch einen
Vorhof, den Perwisch (d. h. Paradies), von demselben getrennt.

Noch auffalliger wird diese Uebcreinstiinmung aber dadurch, dass auch in Essen der
an den Vorhof grenzende westliche Theil der Münsterkirche einen dem Aachener Münster
sehr verwandten Charakter zeigt. Vergegenwärtigen wir uns einen Augenblick die Haupl-
anordnung dieses bedeutendsten Werkes der karolingischen Periode. Ein achteckiger Kuppel-
bau öffnet sich zu unterst durch acht Rundbögen gegen den niederen Umgang, der mit
Kreuzgewölben überspannt ist. Darüber steigen höhere Rundbögen bis zum Reginne der
Kuppel hinauf, sind aber ein jeder durch zweimal zwei Säulen übereinander und deren Ver-
bindungen ausgefüllt. Das untere Paar wird unter einander und mit den Eckpfeilern durch
Rundbögen verbunden, zwischen welchen und den Kapitalen sich ein kubischer Aufsatz mit
einem Gesimse befindet, während die oberen Säulen stumpf gegen den grossen Umschlies-
sungsbogeu gegenstossen, nur durch einen niederen kubischen Aufsatz ohne Gesims, ober-
halb der Kapitale, vermittelt. Dieser ganzen oberen Säulen- und Bogenstellung entspricht
nur ein einziges oberes Geschoss der Umgänge, welches in jedem Hauptfelde stets durch
hochgespannte Tonnengewölbe überdeckt wird, die nach der Mitte ansteigen und seitwärts
sich gegen dreieckige Zwischenräume mit Kreuzgewölben stemmen. Zwischen diesem Ober-
geschosse und der oberen achteckigen Kuppel befindet sich noch der Lichtgaden, an jeder
Seite mit einem miltelgrossen Rundbogenfenster versehen. Zur Seite der Vorhalle erheben
sich kleine Treppenthürme, während der mittlere Kuppelbau über das Ganze emporsteigt,
an den Seiten durch Pilaster begleitet, welche jedoch gegenwärtig, wo die obere Krönung
gänzlich verändert ist, kein Gesims mehr tragen. Alle Säulen sind von Marmor, Granit

*) Wir geben hierüber weiter unten einen besonderen Artikel: Mannigfaltiges I. 1.
 
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