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Zeitschrift für christliche Archäologie und Kunst — 1.1856

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https://doi.org/10.11588/diglit.3677#0041
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KLEINERE AUFSÄTZE UND NOTIZEN.

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dass es Etliche gäbe, welche absichtlich die Längcnaxe der Kirchen nach dem Aufgangspunkte der Sonne
im Sommersolstitium regelten*), also eine nordöstliche Baulinie annahmen, und der bekannte Durandus
schreibt ihm hundert Jahr später dieselbe Bemerkung nach**), es jedoch unbestimmt lassend, ob die
von der rechten Ostlinic Abweichenden sich nach dem Sommer- oder Wintersolstitium richteten, ob sie
sich also für eine nord- oder südöstliche Bicbtungslinie entschieden. Es kommt nämlich beides vor, wie
schon ein Blick lehrt auf den Plan irgend einer an mittelalterlichen Kirchen reichen Stadt. Nehmen wir
z.B. Münster; hier ist der Dom richtig, die Minoritenkirche nordöstlich, die Martinikirche südöstlich
orientirt; oder Braunschweig, wo der Dom die Ostlinie, St. Andreas, St. Martin und St. Peter die nord-
östliche, St. Aegidien dagegen die südöstliche Bichtung inne hält. In Aachen ist das Münster richtig,
St. Adalbert nordöstlich orientirt. In Breslau haben neben dem richtig orientirten Dom die Kirchen zum
heil. Kreuz, Maria auf dem Sande und St. Elisabeth südöstliche Abweichung. In Cöln liegen der Dom
und Maria auf dem Capitol z. B. richtig nach Osten, St. Pantalcon und St. Cunibert erstrecken sich gen
Südost. Und so wohl mehr oder weniger wahrscheinlich überall, wobei allerdings möglicher Weise nicht
gerade liturgische, sondern von dem Terrain, der Nachbarschaft etc. hergenommene lediglich locale
Bücksichten den Ausschlag gegeben haben mögen. Indess die englischen Archäologen, unter welchen
dieselben Wahrnehmungen in ihrem Lande schon vor länger als 150 Jahren lebhafte Discussionen erreg-
ten, sind über die Bicbtungslinie der Kirchen zu sehr ansprechenden Besultaten gelangt. Man hat sich
nämlich dort — auf welche Gründe gestützt erhellt nicht — zu folgender Annahme geeinigt. ***) Wenn an
einem Orte der Grund zu einer Kirche gelegt werden sollte, habe sich das Volk schon am Abend vor
dem zur Grundsteinlegung bestimmten Tage auf der Baustelle versammelt (oft sei dies die Vigilie des
dem erwählten Patron der betreffenden Kirche gewidmeten Festtages gewesen), man habe die Nacht
unter geistlichen Ucbungen hingebracht und sodann im Momente des Sonnenaufgangs die Bicbtungslinie
der Kirche nach dem betreffenden Punkte des Horizontes festgesetzt. Wenn diese Annahme der engli-
schen Archäologen mehr als blosse Hypothese sein sollte, so Hesse sich die wichtige Folgerung daraus
herleiten, dass die richtig orientirten Kirchen, wenn man bei der wahrscheinlichen Mehrzahl dieser Ge-
bäude nicht strenges Einhalten der liturgischen, schon in den Apostol. Constitutionen enthaltenen Vor-
schriften annehmen will, im Frühling oder Herbst, die nach Nordost gerichteten im Sommer und die
gen Südost gelegenen im Winter seien gegründet worden. Wie dem nun aber auch sein möge, so sei
es doch gestattet, ein nicht uninteressantes Beispiel anzuführen. Es war am 12. Juli des J. 1030, als
Kaiser Conrad II. hei Sonnenaufgang den ersten Stein legte zu der Klosterkirche auf Limburg a.
d.U.; hierauf begab er sich nach Speier, wo man bereits den Grund gegraben und alles zum Bau
Erforderliche vorbereitet hatte, um noch an dem nämlichen Tage den Grundslein zu dem dortigen Kai-
serdom zu legen.+) Letzterer ist fast genau richtig, also wahrscheinlich nach einer Miltagslinie durch
Messung orientirt; allein die Klosterkirche zu Limburg schaut gen Nordost, ob etwa genau nach dem
Punkte des Horizontes, von wo die Strahlen der aufgehenden Sonne den Morgen des 12. Juli begrüs-
sen? — Die Morgenweite der Sonne im Solstitium beträft (nach gefälliger Mittbeilung des Herrn
Director August in Berlin) bei 50' N. B. jetzt 38 17' und war im J. 1000 12 Minuten, d. i. l/s Grad
grösser. ^-

3. Cisterzienserkirchen. — Es darf nach den Ergebnissen der bisherigen Forschungen ff) und
namentlich nach den Ergebnissen der auf den letztjährigen archäol. Versammlungen zu Münster und
Ulm darüber gepllogenen Verhandlungen wohl als allgemeine Hegel für die im XII und XIII. Jahrb. erbauten
Kirchen der Cisterziensermönche angesehen werden, dass dieselben an der Ostseite der Kreuzvorlagen
mit je einem Paar kleiner Zwillingskapellen versehen sind, welche in Uebereinstimmung mit dem Chorende der

noclial ^ l0"' Beleth> 1)ivini offidi fcxplicatio c. 12: Ut aedificelur versus Orienten, hoc est versus solis ortum aequi-
, ee vero contra aestivale soktilium, ut nonnulli et volunt el faciunt. .,

*) Ouil. Ddran,,, Rationale I. 1. n. 8: Debet sie funclari, ut eaputrecle inspiciat versus orientem--, videlxote
*JlmJC ae1"inontialem..., et non versus salslüiale ut faciunt quidam. ,

*** Vgl. z.B. R. Hart, ecclesiastical records. 2d, ed. Cambridge 184(5. p, 217. H. Bi-oxam, prmc.ples of gotluc
eccles.ast.cal arch.lectuve. 9th ed. London. 1849. p. 313 sq.

f) Der Kaiserdon) zu Speier und seine Gemälde. 1854. S. 5.
ff) Vgl. den Aufsatz von F. v. Quast im Organ f. elirisll. Kunst 1853. Nr. 7.
1850. 5
 
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