Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Archäologie und Kunst — 1.1856

DOI Artikel:
Quast, Ferdinand von: Nochmals Mainz, Speier, Worms, [1]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3677#0076
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
68

um einige Decennien heranrücken, was wir nicht annehmen, sondern auch den Dom, dessen
östliche Absis dieselbe Anordnung zeigt. Ebenso dürfte hervorzuheben sein, wie die
Kapelle in ihrer ganzen sinnreichen Anordnung nicht minder, wie in der organischen Durch-
bildung aller ihrer Theile nur einen künstlerischen Gedanken darstellt, wie es stets die Ei-
genthümliclikeit eines wahren schöpferischen Kunstwerks ist, während das Langhaus des
Doms, abgesehen davon, dass es selbst nur ein Fragment eines verschiedenen Zeilen und
Kunstweisen angehörigen grösseren Ganzen ist, bei aller Grossartigkeit der Anlage, doch
keinesweges eine solche in sich geschlossene künstlerische Harmonie darbietet, vielmehr eine
gewisse Unsicherheit nicht verkennen lässt.

Dass die Kalhedral-Kirchen der Regel nach vorangehen und den Styl ausbilden, den
die kleineren Kirchen sodann im weiten Umkreise befolgen, darin stimme ich meinem Geg-
ner völlig hei. Derselbe wird aber mit mir anerkennen, dass es nicht wenige anderweitige
Kirchen grösseren und kleineren Umfanges giebt, welche, weil die Gunst besonderer Für-
sten, Prälaten oder Orden sich ihnen zuwendete, wiederum den Kathedralen vorangingen
und diejenigen Architekturformen zuerst im Kleinen ausbildeten, welche an jenen grösseren
Monumenten sodann sich reicher entfalten konnten. Die Kapelle zu Aachen war gewiss das
vornehmste Bauwerk des grossen Karl, ,obschon dieser Kaiser nicht wenige Kathedralen in
seinem weiten Reiche gründete oder neubaute. Die Abtei-Kirche zu Clugny war in weiten
Kreisen und Ländergebieten nicht bloss für die Kirchen desselben Ordens mustergültig.
S. Denys und S. Germain-des-Pres waren vollendet, als Notre-Dame in Paris begonnen
ward, dieser den Weg der Gothik vorzeichnend. Nicht an der letzteren, sondern an der Ste.
Chapelle vollendete sich die golhische Architektur in Frankreich, und nicht der Dom zu Cöln
bildet den Uebergang zur höchsten Blüthe derselben in Deutschland, sondern die kleine
Liebfrauen-Kirche in Trier, und nächst ihr die der heiligen Elisabeth in Marburg. So war
auch unzweifelhaft die S. Gothards-Kapelle zu Mainz die Liehliugsschöpfiing des Erzbischofs
Adalbert L, dessen kräftiger Geist in ihr sich manifesürt. Ihre Gesammtanlage wurde maass-
gebend für die im XII. und XIII. Jahrh. von Kaisern und Fürsten beliebte Form gedoppel-
ter Schlosskapellen; ihre Architeklurformen, selbst wieder auf älteren fussend (zu Höchst
und Lorsch), zunächst für die des Doms, der gleichzeitig mit Vollendung der Kapelle we-
gen des durch den Brand erlittenen Schadens einer Erneuerung in seinen Haupttheilen
bedurfte.

Noch bedarf der Einwand einer Entgegnung, wie es möglich sei, dass, wenn der
Brand von 1137 das Schiff des Doms habe einäschern können, die unweit desselben gele-
gene Gothards-Kapelle davon nicht berührt worden sei. Hiegegen erwidere ich, wie ein
massives, gewölbtes Gebäude, dessen Dachweik ein Jahr vor Vollendung der Kapelle viel-
leicht noch gar nicht existirte, dem Feuer nicht die mindeste Nahrung darbot. Der Brand
von 1191 war gewiss so verheerend wie irgend einer, welcher den Dom getroffen. Ob-
schon das nördliche Kreuz, neben welchem die Kapelle unmittelbar liegt, durch denselben
völlig zerstört wurde und jetzt nur noch in einem Neubaue exislirt, so ist dieselbe doch
 
Annotationen