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Zeitschrift für christliche Archäologie und Kunst — 1.1856

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https://doi.org/10.11588/diglit.3677#0152
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144 LITERARISCHE ANZEIGE.

erklären zu wollen: ein Fehler, den Hirt, nach Vitruv's Vorgange, pedantisch durchzuführen sich he-
strehte, und dadurch grade die Opposition, zunächst von Hübsch, hervorrief, der zuerst die Theorie des
ursprünglichen Steinbaues der dorischen Architektur aufstellte, die dann von Botticiikr weiter ausgebil-
det wurde.

Viel schwieriger ist es aber, die Einzelnheiten der ionischen Ordnung aus griechischem, sei es
Holz- oder Steinbau erklären zu wollen. Unser Verfasser vertheidigt auch hier die erstere Alternative
und sucht sie bei einzelnen Gliederungen selbst grammatikalisch zu begründen. Auch er dürfte hier in
den Fehler verfallen, den wir anderwärts in noch stärkerem Maasse zu rügen hätten, als ob der griechi-
sche Name in seiner etymologischen Bedeutung und die Sache selbst sich notliwendigerweise stets decken
mtissten. Wer die historische Entwicklung der Formen nicht minder wie der Namen kennt, wird wissen,
wie misslich eine solche Generalisirung einer Annahme ist, die in vielen Fällen allerdings zutrifft, in an-
deren aber nicht. Nur eine Nebeneinanderslellung der Formen in ihrer geschichtlichen und geographi-
schen Aufstellung kann uns cinigermaassen sichere Aufschlüsse gehen. Da wird es denn, durch die
neuerdings mehr und mehr zu unserer Kenntniss gekommenen Monumente, immer offenbarer, dass die
charakteristischen Eigenthümlichkeiten der ionischen Baukunst, grade diejenigen, welche sie von der do-
rischen unterscheiden, nicht von den Hellenen herstammen, sondern lange vorher in Vorderasien, bis
nach Niniveh und Persepolis hin verbreitet waren, und zunächst von den griechischen Kolonien Klein-
asiens adoptirt und mit griechischer Eurythmie durchgebildet wurden. Dass hierbei die echtgriechische,
später dorisch genannte Bauweise, mitgewirkt habe, ist nicht minder wahrscheinlich, als der dein Holz-
bau wenigstens theilweise gleichfalls angehörige Ursprung jener orientalischen Bauformen.

Die Bömer waren es, welche den Bundbogen, der allerdings vereinzelt schon anderwärts vor-
kam, zuerst systematisch zu allgemeinerer Anwendung brachten. Unser Verfasser schreibt es dem Man-
gel an guten Bausteinen in Latium bei. Aber die Säulen und Architrave, welche einst die grossen
römischen Prachllempel, wie die von Hadrian erbauten des Augustus und der Borna und den des Trajan
schmückten, nicht minder den Tempel, der einst an Stelle des jetzigen Gartens Colonna stand, können
es wohl mit den gerühmtesten Hauten Griechenlands, was Bedeutsamkeit der Massen betrifft, aufnehmen.
Die Basilica Aemilia und Ulpia werden, was Spannweiten der horizontalen Träger betrifft, schwerlich
voit irgend einer griechischen Halle übertroffen worden sein, sei es in Bezug auf die Architrave von
Stein, oder die von Holz oder Erz gebildeten Felderdecken. Der Gewölbebau der Römer wird daher zum
grossen Theile einen mehr inneren Grund gehabt haben: seine zähere Widerstandskraft, namentlich bei
den zahlreichen Wasser- und Strassenbauten der Römer; die üppig-grossartigen Formen, welche bei wei-
ten und langgestreckten Räumen nicht minder wie bei den mächtigsten Kuppelbauten durch die Anwen-
dung verschiedenartigerer Gewölbearten zu erreichen waren, entsprachen eben so dem praktisch-tüchtigen
Sinne der Römer, als ihrer üppigen Prachtliebe, namentlich in den späteren Zeiten. Je mehr man den
Sinn einbüsste, die Schönheit einzelner Profile zu würdigen, welcher einst die griechische Architektur
auszeichnete, desto mehr schwelgte man in den wunderlichsten und kühnsten Gewölbeconslructionen, wie
namentlich die Bäder des Caracalla bezeugen, deren Hauptsaal, wie unser Verfasser erwähnt, eine so
weite Spannung hatte, dass nach dem Zeugnisse des Aelius Spartianus die gelehrten Mechaniker densel-
ben trotz seines Daseins für eine Unmöglichkeit erklärten: der Triumph des Virtuosenthums, der stets
den Verfall ankündigt.

iSchlnss folgt..)
 
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