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Zeitschrift für christliche Archäologie und Kunst — 1.1856

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Passavant, Johann David: Ueber die mittelalterliche Kunst in Böhmen und Mähren, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3677#0172
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164 ÜBER DIE MITTELALTERLICHE KUNST IN BÖHMEN UND MÄHREN.

christlichen Ländern ähnlich waren. Dieses bestätigt folgender Bericht in dem Leben des
seligen Altmann, Bischofs von Passau, hei Pez I. 146, worin es hcisst, dass, als jener Bischof
im Jahr 1081 die Kirche von Göttweih in Oesterreich eben habe einweihen wollen, ein Bote
der Herzöge von Böhmen ihm ein Marienbild zum Geschenk überreichte, welches „b e vv u n d-
rungswürdig nach griechischer Art" gemalt war und würdig zum ewigen Gedächt-
niss in jener Kirche aufbewahrt zu werden. Die byzantinische Kunslweise war also damals
auch in Böhmen die herrschende. Ein Geistlicher des XIII. Jahrhunderts, welcher sich in
der Malerei hervorgethan, war Budisch oder Budissius, der berühmte Abt des Stiftes
Strahow in Prag. Nach dem Zeugniss des Peter v. Gzaciirow hat er die ganze Kirche
seines Klosters im Jahr 1295 ausgemalt und den Chor mit einem von ihm verfertigten Ma-
rienbilde geschmückt. Hierauf erblindete er, und legte die Würde eines Abtes nieder.
Durch den Fortsetzer des Cosmas wissen wir ferner, dass in den Jahren 1243 und 1244
die Kreuzgänge der Prager Kirche und des Klosters St. Jakob der Minoriten sind ausgemalt
worden. Von noch andern Malereien, die der berühmte Domdechant Vitus ausführen Hess,
war schon oben die Bede. Auch für die Glasmalerei haben wir Zeugniss, dass sie schon
damals auf eine grossartige Weise in Böhmen zur Anwendung kam, denn 1276 Hess der
Prager Bischof Johannes für die Kathedrale zwei grosse Fenster mit Darstellungen aus dem
alten und neuen Testamente aufs kostbarste ausführen.

Lassen nun diese vielen in Böhmen entstandenen Werke der Malerei keinen Zweifel
übrig, dass sie daselbst einen gewissen Aufschwung erhalten, so entbehren wir doch durch
die Zerstörung aller grössern Malereien bis zur Mitte des XIV. Jahrhunderts einer
richtigen Vorstellung derselbe)). Wir würden selbst aller Mittel beraubt sein zu finden, in
wie fern und zu welcher Zeit eine nationale czechische Kunst sich zu entwickeln angefan-
gen, böte nicht glücklicher Weise eine Folgenreihe von Minialuren vom XI. bis in das
XVI. Jahrhundert einigen Ersatz für diesen Verlust.

Hierdurch sind wir in den Stand gesetzt zu erkennen, dass schon im XI. Jahrhun-
dert sich ein neu belebendes Element neben den byzantinischen Typen geltend gemacht, in-
dem für solche Gegenstände, welche von Byzanz her nicht überliefert waren, der Künstler
sich nach seiner Umgebung umsah, und sie, wenn auch in hergebrachtem Kunstslyl, doch
in eigcnthümlicber, dem Leben entnommener Auffassung national behandelte. Jedoch erst im

XIII. Jahrhundert begann eine völlige Durchdringung dieser lebendigen künstlerischen Auf-
fassung, so dass die byzantinischen Herkömmlicbkeiten fast gänzlich wichen, und die allge-
mein im nördlichen Europa herrschenden Sitten in Haltung und Trachten entschieden
in den Darstellungen auftraten und eigene Weisen der Ausführuiigsmiltel gesucht wur-
den. Von einer die Individualität näher bezeichnenden Kunst war damals in der Male-
rei überhaupt noch nicht die Bede, so dass auch die czechische noch nichts bestimmt
Nationales zeigt, sondern ganz mit denjenigen Kimstwcisen übereinstimmt, wie wir sie
in jenen Zeiten auch in Deutschland und Frankreich antreffen. Erst zu Anfang des

XIV. Jabrhunderts begegnen wir einer sich national bildenden Kunstenlwickelung der
 
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