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Zeitschrift für christliche Archäologie und Kunst — 1.1856

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Passavant, Johann David: Ueber die mittelalterliche Kunst in Böhmen und Mähren, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3677#0203
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ÜBER DIE MITTELALTERLICHE KUNST IN BÖHMEN UNI) MÄHREN. 195

U, Seite 137, mit der halben Figur des Erlösers, der bartlos mit blauem Nimbus auf Gold-
grund dargestellt ist, knieen ein Geistlicher und ein noch junger Mann im Laienkleide und
mit braunen Locken; beide halten ein Spruchband mit den Worten: Exaudi jumulos. Soll-
ten unter diesen gleichfalls der Schreiber und der Illuminator dargestellt sein, so wäre
längere Zeit an diesem Werke gearbeitet worden, und unser Künstler damals noch nicht in
den geistlichen Stand getreten. Dieser für Böhmen so wichtige Codex, in dem sich die
einheimische Kunst schon auf einem hohen Stande zeigt, ist ein Geschenk des Grafen Joseph
von Kolowrat auf Brezuic an die Bibliothek des böhmischen Museums in Prag. Eine aus-
führliche Beschreibung nebst Abbildung des grossen Buchstaben A befindet sich im 1. Heft
der Archäologischen Blätter, herausgegeben von dem archäologischen Comite des böhmischen
Museums in Prag. Dieses Heft ist jedoch, so viel uns bekannt, nicht ausgegeben worden
und in Deutschland so gut wie nicht gekannt; wir geben daher hier (BL XI; s. oben [Heft4]
zu Seite 165) in verkleinertem Maasstab eine Nachbildung des schönen und merkwürdigen
Buchstaben A, der zu weitern Auslegungen reichen Stoff bietet.

Von kunstliislorischem Interesse ist eine lateinische Bibel aus dem Kloster Ja-
romir bei Josephstadl, vom Jahr 1259, welche sich gleichfalls in der Museunisbibliolhek zu
Prag befindet. Auf S. 278, im Buchstaben E, hat sich der Schreiber in rolber Mütze und
blauem, rolh gefüttertem Mantel abbilden lassen. Dabei steht: Sbigneus de Jlaiibor hoc
■seripsi. Und S. 340 im / steht der llluminist, in rolhem Kleid mit violettem Mantel, auf
einen Spruchzettel mit der Inschrift deutend: Bohnsse Lutomericensis pinxi. Anno MCCLVHIL
(Politisch von Leitmeritz.) Hier sehen wir also bereits die Schreib- und Illuminirkunst
durch Laien ausgeübt, wie denn auch schon um jene Zeit in Prag eine Zunft von Scriptores
und Illuminatores bestand. Unter mehreren schönen Minialuren ist besonders die beim Psalm:
Salve me etc. sehr bcachlenswerlh. Hier erblicken wir David dem Ertrinken nahe, den über
ihm thronenden Christus anrufend. Merkwürdig ist nun in diesem Bilde die schöne, fast
anatomisch richtige Zeichnung des Nackten, während diese in frühern Blättern desselben
Buches sehr steif und schlecht verslanden ist. — Die Zeichnungen sind mit feiner Feder
umrissen. Die Fleischlheile, einfach mit Deckfarbe colorirl, haben nur an Wange und Mund
etwas Rötbe. Der Gang der Gewänder hat einen schönen Schwung.

In noch höherm Grade als Bohusch bewährte sich Ben es oder Benesch, Domherr
bei S. Georg in Prag, durch seine geistreichen, nach einer Notiz auf dem Titelblatte im
Jahr 1312 gefertigten Minialuren zu einer Passio Domini, als ein origineller Künstler.
Das Titelblatt stellt dar die Tochter Königs Oltokar IL, Kunigunde, Aebtissin des S. Georgen-
Slifts, umgeben von mehreren Klosterfrauen und vor ihr knieend den Canonicus Benes, oder
Benessius, wie er sich hier nennt, ihr das Buch in Gemeinschaft mit Georg dem Schrei-
ber überreichend. Es folgen dann einige Blätter mit Allegorien auf die Braut Christi, so-
dann die Schöpfungsgeschichte, Darstellungen aus dem Leiden und Leben Christi und solcher
der himmlischen Hierarchie. Alle diese Composilionen sind leicht und geistreich mit der
Feder gezeichnet und aquarellartig mit vieler Feinheit colorirt, so dass die durchschei-
 
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