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Zeitschrift für christliche Archäologie und Kunst — 1.1856

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Passavant, Johann David: Ueber die mittelalterliche Kunst in Böhmen und Mähren, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3677#0220
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212 ÜBER DIE MITTELALTERLICHE KUNST IN BÖHMEN UND MÄHREN.

graden Nase und dem vollen Mund alle jene Eigentümlichkeiten der italienischen Maler-
schule aus dem XIV. Jahrhundert. Auch dass das Kind einen Finger in den Mund steckt,
ist ein in Italien damals oft vorkommendes Motiv, und das mit goldenem Ringelmuster ge-
zierte Kleid desselben lässt eine italienische Arbeit erkennen. Den Grund hat Karl IV. mit
einem Goldblech überdecken lassen, in dem in Würfelfeldern der Adler, der böhmische Löwe
und zwei kreuzweis über einander gelegte Schlüssel abwechselnd erhaben ausgepresst sind.
Letztere machen es wahrscheinlich, dass der Kaiser das Bild vom Papst zum Geschenk er-
halten hat.

Die zwei Reise-Altärchen von Thomas von Modena, noch in der h. Kreuzkapelle
auf dem Karlstein befindlich, sind mit vergoldetem Sclmitzwcrk von italienischer Arbeit ein-
gerahmt. Das eine Bild stellt eine Pietä, oder die halbe Figur des in einem Sarkophag
stehenden Christus dar. Ueber ihm im Giebelfeld hält die halbe Figur eines Engels einen
Zettel, dessen Schrift aber zerstört ist. In den Nischen der Seitenpilaster erkennt man noch
Johannes den Täufer und einen Apostel. Das Bild trägt die Inschrift:

THOMAS DE MUTINA FECIT.

Das andere Altärchen desselben Meisters zeigt die halbe Figur der Maria, das be-
kleidete Christkind auf dem linken Arm haltend. Sehr schön sind die vollen Formen der
Köpfe. Die Schatten der blühenden Carnation gehen ins Bräunliche über. Im Vergleich
mit den Madonnenbildern des Giotto sind die Augen offener gehalten und die Schattentöne
der Fleischtheilc nicht grünlich untermalt. Der Goldgrund ist fein gemustert, die Heiligen-
scheine stark erhaben. Im Giebelfeld hat die halbe Figur des mit weissen Rosen gekrönten
Engels einen weissen Stab in der Hand. An den Pilastern sind vier musicirende Engel
und zwei Evangelisten, Bücher haltend, gemalt, und in den spitzen Endigungen die Kirchen-
väter, von denen aber nur noch einer sichtbar. Da die beiden Tafeln in ihrer Grösse und
architektonischen Einfassung sich ganz gleich sind, so scheint es, dass sie ehedem als Sei-
tenbilder eines nicht mehr vorhandenen Mittelbildes gedient, was jetzt bei ihrem mangelhaf-
ten Zustande nicht mehr erkannt werden kann.

Fragmente eines dritten Altarbildes, nämlich die halben Figuren der Madonna, des
h. Wenzel und des h. Palmatius,*) befinden sich jetzt in einer neuen Umrahmung in der
Bildergalleric des Belvederc zu Wien, wohin sie aus dem Karlslein gebracht worden sind.
Unter der h. Jungfrau stehen folgende leoninische Verse:

Quis opus hoc ßnxil? Thomas de Mulina pinxit,
Quäle vides, leclor, Barisini filius auetor.

Aus dieser Inschrift ergiebt sich, dass Thomas von Modena der Familie Barisini an-
gehörte , welche bis auf den heutigen Tag noch in jener Stadt fortblüht. **) Ein Wandge-
mälde, vierzig Dominikaner vorstellend, im Capitelsaal von S. Nicolo zu Treviso hat folgende
Inschrift: „Anno Domini M. CCCLIL Prior Tarvisinus ordinis praedicalorum depingi fecit

*) Serotjx d'AoiNCOunT, Histoire de Vart par les monumens PI. 133.
**) S. Wocel, Grundzüge der böhmischen Alterlhumskunde S. 145.
 
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