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Zeitschrift für christliche Archäologie und Kunst — 1.1856

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Quast, Ferdinand von: Archäologische Reiseberichte, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3677#0222
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214 ARCHÄOLOGISCHE REISEBERICHTE. ----- MAGDEBURG. (KLOSTER U. L. FRAUEN.)

Diese sehr auffällige Bildung zeigt sich auch bei einzelnen Pfeilern im Langhause der Kirche.
Ausserdem habe ich sie bisher nirgend gefunden; nur ist neuerlich noch die Entdeckung
gemacht worden, dass auch die Pfeiler des bereits 1565 zerstörten Langhauses der Kirche
auf dem Petersberge bei Halle ursprünglich diese Form gehabt haben, weshalb auch bei
der eben vollendeten Herstellung desselben sie durchgehend in dieser Weise erneuert worden
sind. Da nun feststeht, dass dieses Langhaus gegen die Mitte des Xll. Jahrhunderts erbaut
wurde (zwischen 1137 und 1151), so lässt sich hieraus auf eine ungefähre Gleichzeitigkeit
der Magdeburger Bauten um so mehr schliessen, als der Petersberg bekanntlich in engster
Beziehung zu Magdeburg stand. Man wird also hieraus einestheils folgern können, dass die
ältere Form des Langhauses der Marienkirche, auch im Uebrigen denen des Petersberger
Schiffes am meisten verwandt, gleichfalls gegen die Mitte des XII. Jahrhunderts fallen wird,
was wir früher schon auf andere Weise wahrscheinlich zu machen suchten; die Kapelle
jener Kirche aber, welche viel entwickeltere und schlankere Verhältnisse zeigt, der zweiten
Hälfte desselben angehören wird. Noch ist zu bemerken, dass die nördliche äussere Seiten-
wand des Altarhauses, welche jetzt als innere Südwand der Kapelle dient, mit Flachpfeilern
besetzt ist, die mit der jetzigen Architektur der Kapelle ausser Zusammenhang stehen. Auch
hieraus folgt, dass letztere erst ein späterer Anbau ist. Noch zeigt die jetzt vermauerte
Thür zum nördlichen Arme des Kreuzes, innerhalb des Südwestwinkels der Kapelle, das
Weihwasserbecken des alten Einganges. Jetzt ist die schöne Kapelle nur vom Kreuzgange
aus zugänglich.

Dieser Kreuzgang gehört zu den schönsten und merkwürdigsten, die jetzt in Deutschland
noch existiren. Auf der Nordseite der Kirche gelegen, umgiebt er einen ziemlich grossen Garten,
nach Osten selbst über die östliche Ausdehnung des Allarhauses der Kirche vortretend.
Neun Rundbogenarkaden ziehen sich an der Nord- und Südseite hin; je sieben an den
beiden anderen. Jeder Rundbogen wird durch kleinere Rundbögen über Säulen ausgefüllt,
während Wandpfeiler nach innen vortreten, um das rundbogige Kreuzgewölbe des Umganges
zu stützen. Alles dies ist in zwar nicht sehr brillanter, aber edler romanischer Bildung der
zweiten Hälfte des XII. Jahrhunderts ausgeführt, und gewährt einen höchst würdigen Anblick;
namentlich jetzt, wo das Erdreich des mittleren Gartens, das noch vor wenigen Jahren bis zur hal-
ben Höhe der Arkaden aufgehöht war, bis zur Sohle derselben gesenkt ist, und die früher völlig
versperrten Bogenstellungen geöffnet sind, um den reizendsten Einblick in den mit Bäumen und
Blumen zierlich besetzten Garten zu gewähren. Auch die grossen Doppelhallen, welche den Kreuz-
gang gegen Westen hin erweitern, sind theilweise wieder von den trennenden Zwischenwänden be-
freitworden und bilden jetzt eine grossartige Erweiterung der schon an sich so grossartigen Halle.
Zum Theil von Marmorsäulen gestützt, zeigten hier die Gewölbe auch noch bedeutende Spuren
alter Malereien. Leider wurden letztere von den mit Herstellung jener betrauten Technikern
erst da entdeckt, als sie dieselben, behufs der Erneuerung, herausnahmen, so dass eine
Rettung später unmöglich war, wo die Thatsache zur Kenntniss der betreffenden Behörden
kam. In dieser Halle soll einst der Probst über seine Unterthanen zu Gericht gesessen haben.
 
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