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Zeitschrift für christliche Archäologie und Kunst — 2.1858

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96 LITERARISCHE ANZEIGEN.

betrachten durfte. Mittlerweile war durch den Brand von 1159 der ganze Mittelbau des Doms über den
Kaisergräbern zusammengestürzt, und erst nach Herstellung desselben, nachdem die Basilika der Salier
in einen hohenstauflschen Gewölbebau verwandelt worden, scheint man die Epitaphien der alten Kaiser
und Kaiserinnen in derjenigen Gestalt errichtet zu haben, wie sie das XIII. Jahrb. zeigte — wenn dies
nicht etwa erst in dieser späten Periode geschah. Nach dieser Zeit landen hier auch erst wieder kaiser-
liche Begräbnisse statt, zunächst aber nur das einer jung verstorbenen Tochter Kaiser Friedrichs I. und seiner
zweiten Gemahlin Beatrix. Er mochte die glänzende Erneuerung des Domes als legitimer Erbe des sali-
schen Kaiserhauses vorzugsweise gefordert und dabei auch das Becht beansprucht haben, neben demselben
für die Seinen ein Grab zu wählen. Unzweifelhaft nahmen beide die Mitte der hinteren westlichen Beihe
ein, da hier später die Könige Adolf und Albrecht, die in denselben Gräbern nachträglich beigesetzt wurden,
zufolge den Protokollen v. J. I 739 vorgefunden wurden, und dies auch der ihnen naturgemäss gebührende Platz
war, wo sie, nachdem die Vorderreihe der Salier ausgefüllt war, die zweite Reih« wieder in der Mitte begannen.

Friedrich selbst fand, nach seinem jähen Tode im fernen Lande, in der alten Patriarchalische
zu Antiochien sein Grab; sein kaiserlicher Sohn und Enkel unter den Normannen-Königsgräbern zu Palermo,
wohin auch Conrad IV. gebracht werden sollte, als die Flamme seinen Leichnam mit dem Dome von Messina
verzehrte, während der Körper des unglücklichen Conradin bei den Carmelitern neben der Richtstätte des
allen Marktes zu Neapel seine Ruhe fand. Nur ein Hohenslaufe, König Philipp von Schwaben, ward nach-
träglich durch seinen Neffen Kaiser Friedrich IL, wohl rechts neben dem Grabe der Schwester Agnes,
beigesetzt, nachdem er mehrere Jahre an dem Orte seiner Ermordung, zu Bamberg geruht halte. Es ist
nicht wohl zu erkennen, ob der Kaiser ihn hiermit schon als König hat ehren wollen, und somit damals
schon das Bewusstsein vorhanden war, der Dom zu Speier sei die ordentliche Grabstätte der deutschen
Könige und römischen Kaiser, oder ob er ihm nur zur Seite seiner Mutter und Schwester seine Ruhe-
stätte bereiten wollte, als seiner nächsten Angehörigen, da das Grab des Vaters doch in zu weiter Ferne
und ausserhalb der deutschen Grenzen lag. Aber auch dieses königliche Begräbniss neben den alten
Kaisergräbern fand zunächst keine Nachfolge, was allerdings mit der mehr und mehr von Deutschland
sieh abwendenden und fast ganz auf Italien hingerichteten Gesinnung der späteren Stauler zusammenhing,
während die gleich Meteoren nur flüchtig und lokal auftauchenden Gegenkaiser, welche den darauf fol-
genden Zwischenraum einnahmen, hierzu noch weniger Veranlassung hatten. Erst Rudolf von Habsburg,
der zuerst Deutschland wieder zur einstweiligen formalen Einheit zu bringen wusste — die wirkliche Ein-
heil hatte er mit der Idee des Kaiserthums um so mehr preisgegeben — fand 1291 hier zuerst wieder
ein Grab, wohl links zur Seite der Beatrix. Auch hätte er es vielleicht nicht grade hier gefunden, wenn
er nicht grade zufällig hier gestorben wäre. Doch scheint man von jetzt an wirklich den Königschor zu
Speier als die rechte Stätte des Begräbnisses deutscher Könige und Kaiser angesehen zu haben; denn
als König Adolf von Nassau seinem Gegner unterlegen, verweigerte ihm Albrecht ausdrücklich das Begräb-
niss in Spcier, und er mtisste sich zunächst mit einer einstweiligen Stätte in der Nähe des Schlachtfeldes
begnügen. Nicht minder widerfuhr aber dasselbe Missgeschick auch ihm nach seinem schrecklichen Ende zu
Windisch an der Aar. Erst Heinrich VII., der letzte wahre Kaiser, den Deutschland gehabt hat, gewährte
seinen beiden Vorgängern jene Ehre des Begräbnisses im Königschore, welche nunmehr als eine nach-
trägliche Legitimirung, fast einer zweiten Krönung gleich geachtet wurde. Da aber kein anderer
ehrenvoller Platz vorbanden war, so nahmen beide, wie schon gesagt wurde, Theil an dem Grabe der
Hohenstauflschen Prinzessin und Kaiserin. Beide bis zum Tode unversöhnliche Feinde, beide eines un-
natürlichen Todes gestorben, ruhen jetzt hier, nur wenige Spannen von einander getrennt, neben-
einander, Albrecht wohl neben dem königlichen Vater, Adolf neben dem gleichfalls eines frühen unnatürlichen
Todes gestorbenen Philipp. Heinrich VII. fand auf seinem grossartigen Römerzuge, dem letzten, der diesen
Namen verdient, gleichfalls ein unnatürliches Ende und ruht im antiken Marmorsarkophage des Campo
santo zu Pisa. Seine Nachfolger am Beiche dachten nur noch an Befestigung und Vergrößerung ihrer
jedesmaligen neuerworbenen Hausmacht, sein eigenes luxemhurger Haus zunächst am meisten, und nach
ihm dessen Erbe, das habsburg-öslreichische. Dort auch, in ihren neuen Reichsmetropolen, stifteten
sie neue Dome und in ihnen neue Beihen von Kaisergräbern. Der Königschor zu Speier war gefüllt
und verlassen.

So unsre Ansicht über die Gräber in Speier, wie wir sie, nach Analogie anderer verwandter
Anlagen und mit Benutzung des vorhandenen Materials uns gebildet haben. Wir können aber nicht umhin
den Wunsch auszusprechen, dass gegenwärtig, bevor der Ilerstelhmgsbau des Doms seiner Vollendung
entgegengeht, von dem für Kunst und Wissenschaft so sehr besorgten K. Bairischen Gouvernement eine
sorgsame und pietätsvolle Aufgrabung des Königschors staltfinden möge, wo möglich, da es sich um ein
Heiligthuin des weiland heil. Rom. Reichs deutscher Nation handelt, mit Zuziehung der Bevollmächtigten der
übrigen grossen Fürstenhäuser, namentlich, imperio vacante, der alten Kurfürstenthümer. Erst wenn
dies geschieht, wird eine genauere Einsicht in die ursprüngliche Ardage nicht minder, wie darüber statt-
finden, welche Ausdehnung die Verwüstungen besonders der französischen Bäuberhorden gehabt haben.

v. Q.
 
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