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Zeitschrift für christliche Archäologie und Kunst — 2.1858

DOI Artikel:
Quast, Ferdinand von: Archäologische Reiseberichte, [6]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3678#0176

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172 ARCHÄOLOGISCHE REISEBERICHTE. ---- (HAMERSLEBEN.)

aus von keinem Zufalle die Rede sein, vielmehr muss die eine Kirche der anderen nachge-
bildet sein. Dass Paulinzelle (um 1105 gestiftet) um einige Jahre älter ist als Hamersleben,
dürfte weniger entscheidend sein, als dass die Formen in erslerer Kirche, bei aller Aehn-
lichkeit, doch vielfach noch einen älteren Charakter zeigen. So sind die Eckwarzen der
Basen nur noch mehr Anschrägungen der unteren Plinlhe, während sie in unserer Kirche
schon eine ausgebildete Form zeigen. Noch mehr aber ist die Schmucklosigkeit der Ka-
pitale in Paulinzelle hervorzuheben, wo die grosse Mehrzahl, ausser den kleineren inneren
Halbkreisen keine andere Verzierung zeigt, als die zierlichen Umschliessungen der Halb-
kreise durch Bänder und oberhalb in deren Ecken die vortretenden Nasen. Nur zwei Ka-
pitale haben schwache Anfänge von Ornament innerhalb des unteren schildförmigen Feldes
und von dort aus nach unten fortgeführt; es sind nur wenige Stab- oder Laubverzierungen,
welche fast nur schüchtern sich zeigen. Die Ursprünglichkeit der Anlage von Paulinzelle
im Gegensalze zu der viel weiter ausgebildeten Ornamentik in Hamersleben kann nicht
bezweifelt werden. Dass die Paulinzeller Kirche aber gleich nach Gründung des Klosters
erbaut wurde, ist aus den im Ganzen noch sehr einlachen und reinen Formen zu folgern.
Jene sparsamen Ornamente, welche eingemischt werden, deuten nur eben erst* auf den Be-
ginn einer reicheren Formenwelt hin, die in Hamersleben schon bedeutsamer auftritt, um end-
lich später zu immer grösserer Entfaltung zu gelangen. Die Formen der ersleren Kirche
hat bereits Schnaase mit denen der Aureliuskirche in Hirsau (von wo aus sie mit Mönchen
besetzt wurde) in Verbindung gebracht, deren Säulenkapitäle gleichfalls die Würfelform
zeigen. Im Ucbrigcn ist die Abweichung beider aber doch nicht minder zu urgiren. Die
Aureliuskirche hat nur sehr kurze Säulen mit ganz einfachen Würfelkapitälen, über denen
eine steile Schmiege den Abakus bildet; auch hat das Schiff jederscits nur drei Säulen
mit sehr weit gespannten Bögen, die der viereckigen Umschliessung entbehren. Nicht min-
der sind alle Maasse sehr klein; noch wesentlich verschiedener ist es, dass die Seitenschiffe
gleich ursprünglich mit Kreuzgewölben überspannt und deshalb die Rückseilen der Würfel-
kapitale mit Consolen zu deren Aufnahme versehen waren: ein Fortschritt, der lange ohne
Nachahmung blieb. Dagegen hat Hesse (a. a. 0. S. 37), dem die Bauweise der Aurelius-
kirche wohl nicht bekannt war, darauf aufmerksam gemacht, dass nach alten Beschreibun-
gen auch die grosse (Peter-Pauls)- Kirche zu Hirsau ehemals mit Säulen geschmückt war
(von denen jetzt keine Spur mehr vorhanden ist) und wohl der Kirche in Paulinzelle als
Muster gedient hat. Wir werden dem vorläufig wohl um so mehr beistimmen können, als
grade diese kurz zuvor 1092 vollendete Kirche durch ihre Grösse hervorragte und dadurch
würdig war als Muster für die gleichfalls grossarlige neue Stiftung in Thüringen zu dienen;
vielleicht dass sie bereits einige der Eigenthümlichkeilen besass, welche die Paulinzeller
und sodann die Hamerslebener Kirche charakterisiren. Wollten wir die Genealogie
noch weiter fortführen, so könnten wir Speier nennen, zu dessen Diöces Hirsau gehörte,
wenn der dortige Dom ursprünglich, vor dem Gewölbebau, etwa durch Säulen ge-
lragen wurde, was aber allerdings nicht so wahrscheinlich ist, als dass es eine
 
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