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Zeitschrift für christliche Archäologie und Kunst — 2.1858

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https://doi.org/10.11588/diglit.3678#0285

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KLEINERE AUFSÄTZE UND NOTIZEN. 281

düng und über vorgekommne Bauten an derselben sind uns nicht überliefert, und wir können, aus der
Betrachtung der Einzelnheiten schliessend, die Gründung in den Anfang des XIII. Jahrhunderts setzen.

Der Grundriss ist der der sächsischen Pfeilerbasiliken in ihrer einfachsten Auffassung. Schein-
bar hat dieselbe keine Veränderungen im Laufe der Zeit erlitten. Die Ilalbkreisbogenstellung, welche
die niedrigeren Seitenflügel von dem höheren Mittelschiff trennt, zeigt ungleiche Bogenhöhen bei gleich
hoch (in derselben horizontalen Linie) angeordneten Kämpfersimsen, welche aus starker Platte und Kehle
von nüchterner Auffassung und Ausbildung bestehen. Die Sockel fehlen und sind unter dem später er-
höheten Pflaster der Kirche verdeckt: eine jener schmählichen Barbareien, welche dem schon kahlen
Inneren ein noch dürftigeres Ansehen verleihen. Die grade Balkendecke ist ursprünglich angeordnet. Die
Thurm-Vorhalle fehlt. Der Thurmbau öffnet sich mit einem spitzen Scheidbogen gegen das Schiff der Kirche.
Die beiden schmalen, aber sehr massiv gebauten Thünne zeigen sehr entschieden den Uebergangstyl in
ihren oberen spitzbogigen Fensteröffnungen mit der Dreistich-Bogenfüllung und dem noch romanischen
Theilungssäulchen, während das zwischen den Thürmen liegende Glockenhaus rundbogige Fenster auf
der West- und Ostseite hat. Letztere haben treffliche Verhältnisse. Der Fuss der Theilungssäule im
Glockenhause ist, wenn nicht unfertig, gradezu hässlich zu nennen. Bemerkenswerth für die Constru-
ction der drei Bögen im Bogenfelde dieser Fenster ist, dass der Erzeugungs- und Mittelpunkt des obe-
ren Bogens nicht in der Umfangslinie des unteren Bogenstückes liegt, auch bei seinem kleinen Halb-
messer nicht angenehm wirkt. Uebrigens ist es auch nicht richtig, dass die Bogenstücke dieser Fül-
lungen stets aus je einem Steine gearbeitet sind, weil dieselben, zu tief ausgehauen, schon bei einem
geringen Druck des Bogens spalten, wie wir das an den meisten romanischen Kirchen sehen. (?) Die
beiden Bundfenster im Untertheil der Thurmanlage sehen wir als unbeholfene Nachahmung der so
schönen romanischen Bundfenster an. Im unteren Theil des südlichen Thurmes befindet sich eine
Dresskammer; der nördliche dient als Treppenthurm. — Die grossen Scheidbögen sind spitze; der west-
liche zeigt, wie der unter dem Glockenhause, die grosse Bohheit der Anordnung, indem er ohne Vermit-
telung eines vorgelegten Pfeilers oder wenigstens doch eines Kragsteines aus der Wand vortritt. Die
Kämpfersimse der drei übrigen Scheidbögen sind einfach, und es macht sich bei dem einen der Uebergang
in die gothische Weise durch die Abkantung des Bundstabes und die tief eingezogene Kehle bemerkbar.

Scheinbar ist der Chorbau etwas jünger als die Thurmanlage und der Schiffbau; die Ungleich-
heit der Fenster veranlasst zu dieser Annahme. Die rechtwinkelige Ostwand, das gänzliche Fehlen der
Chornische ist eine unschöne und (in Niedersachsen) seltener vorkommende Anordnung (in Halberstadt
ist noch S. Burchardi mit geradem Chorschluss). *) Die drei Pforten zeigen als einzige Verzierung die
Schmiege mit vorgesetzten Rundstäben im Gewände.

Der Thurmbau zeigt noch glücklicher Weise sein Baumaterial im Aeusseren: Werksteine aus
dem bei Halberstadt brechenden Kreidesandstein, während Schill', Kreuz- und Seitenflügel durch die
Weisheit eines klugen Magistrates und Kirchenvorstandes mit zolldickem Kalkputz überzogen sind, bei
welcher Gelegenheit auch alles Nebenwerk, wie Leichensteine u. s. w., im Inneren und Aeusseren der
Kirche verschwunden zu sein scheint.

Ausser einigen vermauerten Eingängen, wahrscheinlich zu einer, schon wieder abgebrochenen
Sacristei auf der Süd- und Ostseile der Kreuzflügel, lässt sich nichts bemerken, was auf einen Verän-
derungsbau deuten könnte.

Schliesslich erwähnen wir noch das einfache, gut ausgedachte Zimmerwerk der Thurmdächer
und des sehr alten Glockenstuhles. Die Schenkel des Kreuzgewölbes im Thurmzwischenbau sind fast
bis zur Scheitelhöhe aus vorgekragten Sandsteinbrocken gebildet, ohne gute Ausführung. Der schiefe
Grundriss ist jedenfalls eine Folge von Unachtsamkeit bei der Bau-Ausführung, und wir verwahren uns
gegen die Annahme, dass dadurch eine perspectivische Wirkung hätte hervorgebracht werden sollen.

Die Eingänge vom Glockenhaus zu den Thürmen zeigen die frühe Einweihung des graden
Sturzes mit geringer Erhebung der Wölbsteine nach der Mitte.

*) Diese nördlich von der Sladt gelegene Kirche gehörte einem Cistercienser-Nonnenkloster, und der viereckige
Chorschluss ist aus der bei diesem Orden gewöhnlichen Bauform zu erklären., Bemerkenswerlh ist es, dass derselbe, wie in
Cileaux, mit einem ebensolchen Umgange verseben isl, was bei Nonnenklöstern sonst nicht bekannt ist. v. Q.

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