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Zimmer, Heinrich Robert
Ewiges Indien: Leitmotive indischen Daseins — Zürich, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.22906#0016
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seines Bildes einer äußeren Welt, in der auch das Le-
ben — als Mensch und Bewußtsein — als ein Außeres
betrachtet werden. Noch ist sie nicht unfrei in den
Grenzen der Vernunft, nach deren Geheiß sie in Hypo-
thesen nur vorwegnehmen darf, was experimentell ge-
leitete Erfahrung und rationaler Beweis als neue Er-
kenntnis gelten lassen können. Solche souveräne Stel-
lung als unbefangene Spiegelkraft des Lebensgefühls
hat die mythenbildende Phantasie in Indien immer be-
halten bis zum Einbruch der Moderne: — von den „Ve-
den" der einwandernden Arier bis zur großen Schluß-
vision des Göttlichen in Mensch und Welt, den „Tan-
tras", in denen arisches und alteingesessenes Wesen
sich weltanschaulich vermählen.

Das Denken der Veden stammt nicht aus Geist und
Hirn, sondern aus Leben und Leib. So ist es ein Sich-
selbst-Denken des Essens und Zeugens. Beides sind
große ewige Vorgänge der Wandlung, wie Leben wäh-
rende Wandlung ist: dauernde Aufhebung der Identi-
tät. Wir sind und sind nicht, — wir werden. Das ge-
wohnte Wort für „sein" ist im Indischen „werden"
(„bhavati" zu griechisch „phyo" wachsen, „physis"
Natur gehörend), „asti" = ist (latein „est") tritt gegen
„bhavati" zurück und dient mehr logischer Gleichset-
zung. (— „Tat tvam asi" = „das bist du"), — „bha-
vati" = „werden" bezeichnet das „Dasein", das eben
kein in sich Verharren ist, sondern währendes Werden.

Essen und Zeugen sind geheimnisvolle Vorgänge:

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