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Zimmer, Heinrich Robert
Ewiges Indien: Leitmotive indischen Daseins — Zürich, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.22906#0039
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III. K A R M A N

Leben fängt in jedem Neugeborenen frisch an — und
ist uralt. Es trägt die Narben früheren Lebens auf der
Stirn. Wir sprechen beim Einzelwesen von Vererbung
und bei der Gattung vom Aufstieg höheren Lebens aus
dumpferen Formen. Ein Stück Baum und Fisch ist
noch in uns, und vor der Geburt sind wir Zelle, Ge-
wächs und Fisch. Alles Leben ist vielfältige Erbschaft,
hat Weltalter einer Geschichte im Leibe, von der es
nichts weiß. Alle Form an ihm ist Schicksal, das sich
entschied, ehe sie ward. Wir sehen Möglichkeiten, das
Einzelne an vielen Lebensformen als zuvor gewebtes
Schicksal zu begreifen — bis in unser Ich hinein. Aber
das Ich weiß selbst nicht, woher es kommt, wohin es
geht.

Diese Erkenntnis, daß alle Form des Lebens Erb-
schaft ist, hat das Bewußtsein des Lebens von sich
selbst in Indien entscheidender gestaltet als ander-
wärts .

Im Sohne sieht der Inder sich selbst neugeboren. Es
heißt: das Wort für „Gattin" sei „Gebärerin", weil der
Mann von ihr als Sohn wiedergeboren werde18). Der
Vater segnet den neugeborenen Sohn mit den Worten:
„in Dem hier will ich als tausend gedeihen, anschwel-
lend im eigenen Hause" und vollzieht sterbend den
Brauch der „Ubergabe" mit dem Sohn: — der zum Tod
Gealterte legt seine Sinnes- und Seelenkräfte, die Le-

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