Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zimmer, Heinrich Robert
Ewiges Indien: Leitmotive indischen Daseins — Zürich, 1930

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.22906#0063
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
mene Selbsterkenntnis des Lebens in seinem Wesen: —
es ist der Wille, ewig über alle Grenzen da zu sein.
Grenze aber ist alle Gestalt und alle Wahlverwandt-
schaft durch Tun, die den „Leber" in die Grenzen ein-
zelner Gestalten bannt, daß er bald Leben in dieser,
bald in jener Form ist, daß er Leben in jeder Form ist,
aber nicht „Leber", Leben schlechthin. Seine offenbare
sinnliche Gestalt in seine geheime, ungreifbare Gestalt-
losigkeit aufzulösen und einzuschmelzen ist ein ewiger
Drang des Lebens. So ewig wie sein Drang, sich in im-
mer neue Gestalt vervielfältigend zu besondern. Lust
zum Ende und Lust zur Zeugung sind einerlei Rausch:
in jeder Zeugung ist ein Moment des Ersterbens —
„Entformungsgefühl" (Benn) —, im Tode ein Ahnen
von Wandlung und Neugeburt.

Zwischen den beiden Drängen spielt das Leben. Die
Einheit ihres Gegenspiels ist die große Erfahrung des
„Erwachers" im brahmanischen Hinduismus. Ihr Sieg
bedeutet die späte geschichtliche Überwindung des
Buddha in Indien. Sie ist die Selbsterkenntnis des Le-
bens in seiner Zwiefältigkeit: seiner ewig lustvollen
Selbstentzweiung in gestalthaftem Werden und seiner
ewig lustvollen Einheit in übergestaltigem, innergestal-
tigem Sein.

59
 
Annotationen