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gemeinsamen Reichs-Strafgesetzes zu bestimmen — und so ist wohl
nichts weniger unwahrscheinlich, als dass dem Joh. v. Schwarzenberg
die Tyroler Halsgerichtsordnung Maximilians I. kurz nach [ihrer
Abfassung mitgetheilt worden ist. *) Allein — nehmen wir an, dass
Schwarzenberg sowohl das alte Bamberger Stadtrecht, als die
Tyroliensis gekannt habe — so wird weder durch die eine noch die
andere Quelle seinen grossen Verdiensten um das Strafrecht der ge-
ringste Abbruch gethan. Mag er bald aus der einen, bald aus der
anderen eine Wortform für eine Rechtsbestimmung erborgt, oder die
Ordnung einzelner Sätze derselben beibehalten haben, so erleidet
hierdurch die Originalität seiner Leistung nicht die mindeste Verrin-
gerung. Beide Quellen konnten ihm nichts geben, als ein Bild des
Rechtszustandes seiner Zeit und der Praxis in den Gerichten —
nichts als einen Theil des Stoffs, welcher zu beherrschen und zu
reformiren war« Je genauer sich aber uns diese Quelle erschliesset,
desto höher tritt die Genialität des Mannes hervor, der das Bediirfniss
seinerzeit klar erfasste — der es verstand, die Resultate der Schule
und des Lebens zu einem Ganzen zu verschmelzen, und dem Geschöpfe
seines Geistes eine Fortbildungsfähigkeit einzupflanzen, welche ihm
Anwendung und Brauchbarkeit noch nach vollen drei Hundert Jahren
— bei gänzlich veränderten Staats- und Lebensverhältnissen und
neben der Herrschaft der neuesten philosophischen Systeme und den
grössten Fortschritten der Humanität gesichert hat — eine Fort-
hildungsfähigkeit, welche in den Annalen der Gesetzgebung fast
ohne Beispiel ist und äusser der Carolina nur noch eine einzige po-
sitive Rechtsaufzeichnung erwiesen hat — nämlich die XII Tafeln
der römischen Republik — auf deren Grundlage das gesammte Recht
des weltherrschenden Römervolkes zur Zeit der höchsten Blüthe der
römischen Jurisprudenz noch eben sowohl beruhte, als Schwarzenberg
durch seine glückliche Verschmelzung des römischen Rechtes und
der deutschen nationalen Rechtsgewohnheiten, und durch das Aus-
sprechen von gesunden, lebenskräftigen, dem deutschen Volkscharacter
entsprechenden Rechts-Ideen den sämmtlichen neueren Codiflcationen
in Deutschland eine Grundlage gegeben hat, welche noch nie ohne
empfindlichen Nachtheil verlassen worden ist, und auf welche noch
alle neueren deutschen Particulargesetzgebungen als auf eine ge-
meinsame Mutter deutlich genug zurückverweisen.
5) Möglich ist auch, dass Schwarzenberg während seines Aufenthaltes auf den
grossen Besitzungen des Bisthums Bamberg in Kärnthen, denen er eine Zeitlang als
Beamter vorgestanden haben soll, mit der Tyroliensis bekannt wurde. Nähere Notizen
über diesen Aufenthalt Scuwarzenberg’s in Kärnthen sind noch zu erwarten.
gemeinsamen Reichs-Strafgesetzes zu bestimmen — und so ist wohl
nichts weniger unwahrscheinlich, als dass dem Joh. v. Schwarzenberg
die Tyroler Halsgerichtsordnung Maximilians I. kurz nach [ihrer
Abfassung mitgetheilt worden ist. *) Allein — nehmen wir an, dass
Schwarzenberg sowohl das alte Bamberger Stadtrecht, als die
Tyroliensis gekannt habe — so wird weder durch die eine noch die
andere Quelle seinen grossen Verdiensten um das Strafrecht der ge-
ringste Abbruch gethan. Mag er bald aus der einen, bald aus der
anderen eine Wortform für eine Rechtsbestimmung erborgt, oder die
Ordnung einzelner Sätze derselben beibehalten haben, so erleidet
hierdurch die Originalität seiner Leistung nicht die mindeste Verrin-
gerung. Beide Quellen konnten ihm nichts geben, als ein Bild des
Rechtszustandes seiner Zeit und der Praxis in den Gerichten —
nichts als einen Theil des Stoffs, welcher zu beherrschen und zu
reformiren war« Je genauer sich aber uns diese Quelle erschliesset,
desto höher tritt die Genialität des Mannes hervor, der das Bediirfniss
seinerzeit klar erfasste — der es verstand, die Resultate der Schule
und des Lebens zu einem Ganzen zu verschmelzen, und dem Geschöpfe
seines Geistes eine Fortbildungsfähigkeit einzupflanzen, welche ihm
Anwendung und Brauchbarkeit noch nach vollen drei Hundert Jahren
— bei gänzlich veränderten Staats- und Lebensverhältnissen und
neben der Herrschaft der neuesten philosophischen Systeme und den
grössten Fortschritten der Humanität gesichert hat — eine Fort-
hildungsfähigkeit, welche in den Annalen der Gesetzgebung fast
ohne Beispiel ist und äusser der Carolina nur noch eine einzige po-
sitive Rechtsaufzeichnung erwiesen hat — nämlich die XII Tafeln
der römischen Republik — auf deren Grundlage das gesammte Recht
des weltherrschenden Römervolkes zur Zeit der höchsten Blüthe der
römischen Jurisprudenz noch eben sowohl beruhte, als Schwarzenberg
durch seine glückliche Verschmelzung des römischen Rechtes und
der deutschen nationalen Rechtsgewohnheiten, und durch das Aus-
sprechen von gesunden, lebenskräftigen, dem deutschen Volkscharacter
entsprechenden Rechts-Ideen den sämmtlichen neueren Codiflcationen
in Deutschland eine Grundlage gegeben hat, welche noch nie ohne
empfindlichen Nachtheil verlassen worden ist, und auf welche noch
alle neueren deutschen Particulargesetzgebungen als auf eine ge-
meinsame Mutter deutlich genug zurückverweisen.
5) Möglich ist auch, dass Schwarzenberg während seines Aufenthaltes auf den
grossen Besitzungen des Bisthums Bamberg in Kärnthen, denen er eine Zeitlang als
Beamter vorgestanden haben soll, mit der Tyroliensis bekannt wurde. Nähere Notizen
über diesen Aufenthalt Scuwarzenberg’s in Kärnthen sind noch zu erwarten.