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§· 6.). Am vollständigsten findet sich das Executionsverfahren
gegen die Person des Schuldners in den §. 256 a. u. fl. beschrieben,
welche sich jedoch nur in den beiden jüngsten Codices LN. finden.
Der insolvente Schuldner wird zuerst drei Tage und drei Nächte in
des Büttels Stube eingesperret, um abzuwarten, ob er etwa noch
irgendwo Zahlungsmittel oder Sicherheit sich verschaffen könnte:
hierauf wird er drei Tage und drei Nächte in den Stock gelegt,
damit ihn Jedermann sehen, und sich in Zukunft hüten könne, ihm
ferner etwas zu borgen. Sodann ordnet das Gericht den Verkauf
aller seiner etwaigen Habe an, und hiernach darf er „des Klägers
geschworner Gülte“ werden — ein sehr singuläres Rechtsverhältniss,
welches darin bestehet, dass der Schuldner beschwört, dass er ge-
genwärtig äusser Stande sei, den Gläubiger zu befriedigen, und
eidlich gelobt, ihm alles, was er forthin über seine Nahrung und einen
Schilling Pfenning erwirbt, fort und fort, bis zur gänzlichen Til-
gung der Schuld, abzuliefern. Bis dahin muss der geschworne Gülte
an dem rechten Bein 11 j barfuss und barschenkel (d. h. mit blossem
Schenkel) gehen, und darf keinen Rock tragen, der weiter herunter
gehe, als höchstens drei Finger unter das Knie, und darf ihn auch
der Gläubiger bei Verlust seiner Forderung von dieser Verbindlich-
keit, sich dergestalt zu kleiden, nicht entlassen.
Anstatt dieser Bestimmungen findet sich in den Cod. ABG.
(StadtR. §. 434 b. und 434 c.) eine andere Verordnung, wonach
der insolvente Schuldner auf so lange zwei Meilen von der Stadt
sein (Raumen) musste, bis er seine Schulden getilgt hatte. Auch
werden daselbst (StadtR. §. 434 a.) alle diejenigen, welche einem
Schuldner zur Flucht in der Art behiilflich sind, dass er Vermögen
mit fortnehmen kann, und dadurch die Gläubiger hintergeht (ihnen
das ihre entführt), für sammtverbindlich für die Schulden des Ent-
wichenen erklärt. Es ist wohl unverkennbar, dass diese Bestimmun-
gen älter sind, als die vorher aus Cod. LN. angeführten, welche in
dem neu erfundenen Rechtsverhältnisse des geschwornen Gülten
offenbar nur einen Ausweg anordneten, um das Raumen zu vermeiden.
Sehr eigenthtimlich sind nach dem Bamberger Stadtrechte die
Verhältnisse der Bürgen, und anderer für eine Schuld intercedirenden
Personen bestimmt. Das Stadtrecht Tit. XX. bezeichnet den Haupt-
schuldner (debitor principalisj stets als „Selbstschuldner“ und

11) Frauen müssen an beiden Beinen und Füssen ohne Bekleidung gehen, dür-
fen aber ihre Röcke tragen, so lang, wie zuvor, und werden auch nicht in den Stock
gelegt (StadtR. §. 256 d.). Eine ähnliche Sonderbarkeit verordnet die Tyroliensis
50: hiernach soll insolventen Betrügern „ ein gelbes Scheibelw (eine gelbe
Scheibe) auf den Rock geheftet werden.
 
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