§. 1. Die deutsche Göttersage. 3
jedoch nur Thieropfer fielen 5). Äusser einigen anderen Gottheiten,
welchen nur eine locale Bedeutung beigelegt ist 6), wird sodann aber
auch noch als eine in einem grösseren Umkreise , nämlich bei einem
Theile der suevischen Völker verehrte Gottheit ein weibliches Wesen,
hier als Isis7) bezeichnet, erwähnt. Offenbar hat T a c i t u s bei dieser
Schilderung des germanischen Cultus den Römern geläufige Namen
gewählt, welche den Symbolen und Attributen der germanischen Götter
zu entsprechen schienen. So befremdend es auch bei dem ersten An-
blicke erscheinen mag, eine Gottheit, wie Mer cur, oder Hermes,
welche in der späteren römischen Volksreligion nur eine untergeordnete
Stellung einnimmt, als die oberste Gottheit eines kriegerischen und
fast noch unbändigen, mit dem Handel und den Künsten des Friedens
noch wenig bekannten Volkes, wie es die Deutschen damals waren,
dargestellt zu sehen, so verschwindet dieses Bedenken doch vollständig,
wenn man sich an die hohe Bedeutung erinnert, welche dem Mer cur
(dem Mythras) in der alten phrygischen Göttersage beigelegt worden
war, deren Kenntniss sich bei den gebildeteren Griechen und Römern
und in der Geheimlehre , von welcher sich Verzweigungen durch alle
Völker der alten Zeit nachweisen lassen, auch nach der Entstehung der
frivoleren und trivialen Mythologie fortwährend erhalten hatte. Ueber-
diess wird die Nachricht des Tacitus durch eine Reihe späterer
historischer Zeugnisse unterstützt 8), und dadurch die Identität seines
Mercurius mit dem deutschen Wuotan, Wodan, oder (altnordisch)
Odhinn über jeden gegründeten Zweifel erhoben. Wo sich bei einem
deutschen Volksstamme, wie z. B. in dem Skandinavischen Norden,
die alte Göttersage in einer nur etwas vollständigeren Form erhalten
а) Caesar de B. G. VI. c. 18, nennet an ihrer Stelle zunächst dem Merkur
„Apollincm, Martern et Jovem.“ Dass diese Bezeichnung der gallischen Gottheiten
nur scheinbar von der Bezeichnung der germanischen bei Tacitus abweicht, ergibt
sich aus der Vergleichung ihrei' Attribute und ihres Charakters. —
б) Tac. Germ. c. 2. 40. 43. —
7) Bei Caesar de B. G. VI. 18. correspondirt der Name „Minerva.“ —
Bei Tac. Germ, wird sie später (Germ. c. 40) auch unter dem Namen Nerthus
(corrigirt von Manchen in Herthus) erwähnt. (S. Grimm, deut. Mytli. p. 140.) —
s) Jonas Bobbiensis (ein lombardischer Schriftsteller aus der ersten Hälfte
des 7. Jahrh.) in Vita S. Columbani: „Illi (Suevi) ajunt, deo suo Wodano,
quem Mercurium vocant alii se veile litare (d. h. Wodans Minne trinken).“ —
Paulus Warnefridus Diac. de gestis Langobard aus dem 8. Jahrh. (I, 9.)
„Wodan sane, quem adjecta litera Gwodan (Langobardi) dixerunt, ipse est,
qui aqud Romanos Mercurius dicitur, et ab universis Germaniae gentibus ut Deus
adoratur.“ — Vergl. besonders J. Grimm, deut, Myth. p. 94 u. flg. u. p. 692. —
1 *
jedoch nur Thieropfer fielen 5). Äusser einigen anderen Gottheiten,
welchen nur eine locale Bedeutung beigelegt ist 6), wird sodann aber
auch noch als eine in einem grösseren Umkreise , nämlich bei einem
Theile der suevischen Völker verehrte Gottheit ein weibliches Wesen,
hier als Isis7) bezeichnet, erwähnt. Offenbar hat T a c i t u s bei dieser
Schilderung des germanischen Cultus den Römern geläufige Namen
gewählt, welche den Symbolen und Attributen der germanischen Götter
zu entsprechen schienen. So befremdend es auch bei dem ersten An-
blicke erscheinen mag, eine Gottheit, wie Mer cur, oder Hermes,
welche in der späteren römischen Volksreligion nur eine untergeordnete
Stellung einnimmt, als die oberste Gottheit eines kriegerischen und
fast noch unbändigen, mit dem Handel und den Künsten des Friedens
noch wenig bekannten Volkes, wie es die Deutschen damals waren,
dargestellt zu sehen, so verschwindet dieses Bedenken doch vollständig,
wenn man sich an die hohe Bedeutung erinnert, welche dem Mer cur
(dem Mythras) in der alten phrygischen Göttersage beigelegt worden
war, deren Kenntniss sich bei den gebildeteren Griechen und Römern
und in der Geheimlehre , von welcher sich Verzweigungen durch alle
Völker der alten Zeit nachweisen lassen, auch nach der Entstehung der
frivoleren und trivialen Mythologie fortwährend erhalten hatte. Ueber-
diess wird die Nachricht des Tacitus durch eine Reihe späterer
historischer Zeugnisse unterstützt 8), und dadurch die Identität seines
Mercurius mit dem deutschen Wuotan, Wodan, oder (altnordisch)
Odhinn über jeden gegründeten Zweifel erhoben. Wo sich bei einem
deutschen Volksstamme, wie z. B. in dem Skandinavischen Norden,
die alte Göttersage in einer nur etwas vollständigeren Form erhalten
а) Caesar de B. G. VI. c. 18, nennet an ihrer Stelle zunächst dem Merkur
„Apollincm, Martern et Jovem.“ Dass diese Bezeichnung der gallischen Gottheiten
nur scheinbar von der Bezeichnung der germanischen bei Tacitus abweicht, ergibt
sich aus der Vergleichung ihrei' Attribute und ihres Charakters. —
б) Tac. Germ. c. 2. 40. 43. —
7) Bei Caesar de B. G. VI. 18. correspondirt der Name „Minerva.“ —
Bei Tac. Germ, wird sie später (Germ. c. 40) auch unter dem Namen Nerthus
(corrigirt von Manchen in Herthus) erwähnt. (S. Grimm, deut. Mytli. p. 140.) —
s) Jonas Bobbiensis (ein lombardischer Schriftsteller aus der ersten Hälfte
des 7. Jahrh.) in Vita S. Columbani: „Illi (Suevi) ajunt, deo suo Wodano,
quem Mercurium vocant alii se veile litare (d. h. Wodans Minne trinken).“ —
Paulus Warnefridus Diac. de gestis Langobard aus dem 8. Jahrh. (I, 9.)
„Wodan sane, quem adjecta litera Gwodan (Langobardi) dixerunt, ipse est,
qui aqud Romanos Mercurius dicitur, et ab universis Germaniae gentibus ut Deus
adoratur.“ — Vergl. besonders J. Grimm, deut, Myth. p. 94 u. flg. u. p. 692. —
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