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Albrecht Dürer.

der Geburt Christi läßt die Mitteltafel sehr
ansprechend erscheinen. Die Flügelbilder zei-
gen zwei ritterliche Gestalten, offenbar Por-
träts von Nürnberger Patriciern, deren
Tracht durch reichliches Rot das Auge auf
sich zieht. Wie ein damaliger Nürnberger
Ratsherr zu Felde zog, vergegenwärtigen sie
uns in sehr anschaulicher Weise und bean-
spruchen deshalb nebenbei noch einen beson-
dern kulturgeschichtlichen Wert.
Wie Durer fortwährend bestrebt war, zu
lernen und sich ansznbilden, zeigt in eigen-
tümlicherWeise ein Madonnenbild von 1503ll
In der Auffassung schließt er sich dabei an
den schon genannten Jacopo Barbari ans Be-
liebig an, der damals in den Diensten Kaiser
Maximilians stand und zeitweise in Nürn-
berg sich anfhielt. Dürer versucht sich bei die-
ser Tafel probeweise in den etwas empfind-
samen, zierlichen Formen des Italieners.
Fast möchte man aber glauben, daß die ge-
stochene kleine Madonna von den: gleichen
Jahre hier in ähnlich schroffer Weise die
Rückkehr zur Natur bekundet, wie auf einem
andern Gebiet um jene Zeit die große For-
tuna. Es hat etwas zu Auffallendes, ge-
rade neben jenen einem Theorem zuliebe ge-
malten Formen einem so ältlichen, anmnt-
losen Madonnenkopf zu begegnen. Befremdet
uns eine derartige Verwertung der Natur,
so betrachten wir dagegen nut ungeteilter
Freude die auf die feinsten Einzelheiten ein-
gehenden Tier- und Pflanzenstudien jener
Jahre, die wohl ebenfalls durch den frem-
den Meister veranlaßt waren. Wir nennen
ein Rasenstück mit den verschiedensten Grä-
sern, ein jedenfalls in eben diese Zeit gehören-
des Veilchensträußchen, einen großen Hirsch-
kopf, einen Hirschschröter und das wunder-
volle sitzende Kaninchen. Auch später treffen
wir noch ans solche Arbeiten wie z. B. auf
den schönen Rehkopf von 1514 bei Bonnat
in Paris.
In jene frühe Zeit fällt auch eine Anzahl
landschaftlicher Studien, Arbeiten, die uns von
einer andern Seite her beobachten lassen, wie
der junge Meister der Natur selbst nachgeht.
Da wird keine künstliche Bereicherung erstrebt,
sondern er sucht sich Rechenschaft darüber zu
geben, was denn die Natnr in ihrer nnver-
'fälschten Erscheinung und Beleuchtung wirk-
lich biete. Erst von hier ans konnte man
zn einer eigentlichen Landschaftsmalerei ge-

langen. Durch Beischriften erfahren wir, daß
ein gut Teil der erhaltenen Studien — es
sind meist Aquarellmalereien — in seiner
nächsten Umgebung entstanden sind. Ande-
res hatte er von seiner ersten Reise nach Vene-
dig zurückgebracht. Anziehend wirkt auch eine
Anzahl farbiger Trachtenstudien ans jenen
Jahren.
Unter den in diese Zeit gehörenden Por-
träts befinden sich einige, die in hohem Grade
unsere Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Das
zweite Porträt seines Vaters aus dem Jahre
1497 ist leider in sehr schlechtem Zustande auf
uns gekommen 2. Allgemein bekannt ist es
schon im 17. Jahrhundert durch einen Stich
Wenzel Hollars geworden. In das gleiche
Jahr gehört die halb als Porträt, halb als
Heiligenbild gedachte sogenannte Fürlegerin.
Das sehr verdorbene Original befindet sich in
Frankfurt. Die Augsburger Kopie zeigt, wie
Dürer im Anschluß an die Natnr die Anmut
eines schönen, jungen Mädchens wiederznge-
ben suchte. Das prachtvolle, reiche Haar spielte
dabei eine wichtige Rollet Nun folgt ein
neues Selbstporträt vom Jahre 1498, das
nach Madrid gekommen ist. Nach der auf der
Tafel befindlichen Ziffer würde dann schon
dem Jahre 1500 ein weiteres angehören,
wenn der Zahl zn trauen wäre. Es ist das be-
rühmte, im Vergleich mit dem Porträt von
1498 wohl einige Jahr später entstandene
Münchner Porträt, das aus dem Nürnberger
Rathanse stammt, wo man es noch gern wissen
möchte. In das Jahr 1500 fällt ein weiteres
Münchner Porträt, das als das Konterfei
von Dürers Bruder Hans gilt, und dem vor-
hergehenden Jahre gehören mehrere andere
auf Bestellung gemalte Porträts der Tucher-
fchen Familie an.
Weitaus die besten, am sorgsamsten durch-
gebildeten Stücke in dieser Reihe find die bei-
den Selbstporträts. Es ist das doch wohl
darauf zurückzuführen, daß der Meister hier
Gelegenheit nahm, sein ganzes Können zu ent-
falten. Es ist, als ob er damit sich selbst Rechen-
schaft über feine Kunst Hütte ablegen wollen.
Das Selbstporträt von 1498 (Abb. 27) denkt
man sich gern „als ein Denkmal innerer geho-
bener und froher Stimmung nach Vollendung
der Apokalypse". In fast gleicher Haltung,
aber in noch vornehmerer und reicherer Tracht
als im Jahre 1493 sehen wir den jetzt bärti-
gen jungen Künstler vor uns, dessen Hände,
 
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