LV. Das künstlerische Schaffen nach der
niederländischen Reise.
ätte die Kunstpflege in Nürnberg ein
Heim gehabt wie in vielen damaligen
italienischen Städten, so würde Dürer bei sei-
ner Rückkehr ans den Niederlanden eine monu-
mentale Aufgabe zugefalleu fein. Die Erwar-
tung, daß Kaiser Karl V. zu einem Reichstag
nach Nürnberg kommen würde, hatte den Ge-
danken geweckt, den großen Rathaussaal aufs
neue durch Gemälde zu schmücken. In dem
Ratsbeschluß, der über diese Angelegenheit ge-
faßt wurde, kommt aber die herrschende, hand-
werkliche Kunstauffasfung in bezeichnender
Weise zum Ausdruck. Dürer sollte allerdings
die nuszuführenden Gemälde entwerfen und
dafür erhalten, was die „älteren Herren" auf
Grund eines eingereichten Verzeichnisses ihm
zubilligen würden (es waren 100 Gulden),
aber die Gemälde selbst wurden von anderer
Hand ansgeführt und, wie es in dem Rats-
beschluß hieß, „nach der Malertaxe" bezahlt^
Der langgestreckte, an drei Seiten mit Fen-
stern versehene, mächtige Ranm aus der ersten
Hälfte des 14. Jahrhunderts ist allbekannt.
Die Pfeiler an der Fensterwand der Langseite
erhielten einen Schmuck, von dem nurnoch Spu-
ren vorhanden find. Vor nicht langer Zeit erst
ist man darauf durch eine Zeichnung Dürers
aufmerksam geworden, die bis dahin unbe-
kannt geblieben war. Leichte Entwicklung von
Stab- und Rankenwerk, in welches Medail-
lons mit bildlichen Darstellungen eingefügt
find, zeichnet die erhaltene feine Skizze aus.
In ganz ungesuchter Weise schmiegt sich dieser
Schmuck als gefällige Zierde der langen Reihe
schmaler, durch Spitzbogen verbundener Pfei-
ler an. Wir haben hier eine den veränderten
Bedingungen entsprechend unigebildete Weise
der Dekoration des Gebetbuches vor uns?. Die
der Fensterreihe gegenüber befindliche Seite
des langen Saales wurde dagegen mit den
friesartig angebrachten Darstellungen des
Triumphzuges Maximilians, des sogenann-
ten Pfeiferstuhles und der Verleumdung des
Apelles bemalt. Es entsprach das der Bestim-
mung des reichsstädtischen Saales als Raum
für Reichstags - und Ratsversammlungen, Ge-
richtshandlungen und festliche Gelegenheiten
verschiedener Art. Der in schwerer Pracht ent-
worfene Triumphwagen mit seinen sechs, von
allegorischen Franengestalten geführten Rosse-
paaren deckt sich in allem Wesentlichen mit dem
1522 erschienenen Holzschnittwerk. Wohl erst
infolge des von der Stadt ihm erteilten Auf-
trages nahm Dürer den älteren Entwurf eines
Triumphwagens vom Jahre 1518, den wir
schon kennen, wieder voM. Er vereinfachte den
Wagen, auf dem wir statt der kaiserlichen Fa-
milie jetzt nur mehr Maximilian allein er-
blicken. Man brachte dem neuen Kaiser so eine
Huldigung in der Person seines Großvaters
dar. Das war dann eine günstige Gelegenheit,
das Werk anch zu veröffentlichen.
Zu der Verleumdung des Apelles, die dem
Richter durch ein Beispiel völliger Vernei-
nung der Gerechtigkeit das Gewissen schärfen
sollte, ist noch eine sehr sorgfältig durchgebil-
dete, wohldurchdachte Federzeichnung in Wien
vorhanden. Die dort wahrzunehmenden Fein-
heiten der Auffassung bei den einzelnen Fi-
guren find in dem Wandgemälde großenteils
verloren gegangen. Auch ist die Gesamtwir-
kung durch die veränderte räumliche Anord-
nung der Gruppen beeinträchtigt. Die Dar-
stellung selbst geht bekanntlich auf ein von
niederländischen Reise.
ätte die Kunstpflege in Nürnberg ein
Heim gehabt wie in vielen damaligen
italienischen Städten, so würde Dürer bei sei-
ner Rückkehr ans den Niederlanden eine monu-
mentale Aufgabe zugefalleu fein. Die Erwar-
tung, daß Kaiser Karl V. zu einem Reichstag
nach Nürnberg kommen würde, hatte den Ge-
danken geweckt, den großen Rathaussaal aufs
neue durch Gemälde zu schmücken. In dem
Ratsbeschluß, der über diese Angelegenheit ge-
faßt wurde, kommt aber die herrschende, hand-
werkliche Kunstauffasfung in bezeichnender
Weise zum Ausdruck. Dürer sollte allerdings
die nuszuführenden Gemälde entwerfen und
dafür erhalten, was die „älteren Herren" auf
Grund eines eingereichten Verzeichnisses ihm
zubilligen würden (es waren 100 Gulden),
aber die Gemälde selbst wurden von anderer
Hand ansgeführt und, wie es in dem Rats-
beschluß hieß, „nach der Malertaxe" bezahlt^
Der langgestreckte, an drei Seiten mit Fen-
stern versehene, mächtige Ranm aus der ersten
Hälfte des 14. Jahrhunderts ist allbekannt.
Die Pfeiler an der Fensterwand der Langseite
erhielten einen Schmuck, von dem nurnoch Spu-
ren vorhanden find. Vor nicht langer Zeit erst
ist man darauf durch eine Zeichnung Dürers
aufmerksam geworden, die bis dahin unbe-
kannt geblieben war. Leichte Entwicklung von
Stab- und Rankenwerk, in welches Medail-
lons mit bildlichen Darstellungen eingefügt
find, zeichnet die erhaltene feine Skizze aus.
In ganz ungesuchter Weise schmiegt sich dieser
Schmuck als gefällige Zierde der langen Reihe
schmaler, durch Spitzbogen verbundener Pfei-
ler an. Wir haben hier eine den veränderten
Bedingungen entsprechend unigebildete Weise
der Dekoration des Gebetbuches vor uns?. Die
der Fensterreihe gegenüber befindliche Seite
des langen Saales wurde dagegen mit den
friesartig angebrachten Darstellungen des
Triumphzuges Maximilians, des sogenann-
ten Pfeiferstuhles und der Verleumdung des
Apelles bemalt. Es entsprach das der Bestim-
mung des reichsstädtischen Saales als Raum
für Reichstags - und Ratsversammlungen, Ge-
richtshandlungen und festliche Gelegenheiten
verschiedener Art. Der in schwerer Pracht ent-
worfene Triumphwagen mit seinen sechs, von
allegorischen Franengestalten geführten Rosse-
paaren deckt sich in allem Wesentlichen mit dem
1522 erschienenen Holzschnittwerk. Wohl erst
infolge des von der Stadt ihm erteilten Auf-
trages nahm Dürer den älteren Entwurf eines
Triumphwagens vom Jahre 1518, den wir
schon kennen, wieder voM. Er vereinfachte den
Wagen, auf dem wir statt der kaiserlichen Fa-
milie jetzt nur mehr Maximilian allein er-
blicken. Man brachte dem neuen Kaiser so eine
Huldigung in der Person seines Großvaters
dar. Das war dann eine günstige Gelegenheit,
das Werk anch zu veröffentlichen.
Zu der Verleumdung des Apelles, die dem
Richter durch ein Beispiel völliger Vernei-
nung der Gerechtigkeit das Gewissen schärfen
sollte, ist noch eine sehr sorgfältig durchgebil-
dete, wohldurchdachte Federzeichnung in Wien
vorhanden. Die dort wahrzunehmenden Fein-
heiten der Auffassung bei den einzelnen Fi-
guren find in dem Wandgemälde großenteils
verloren gegangen. Auch ist die Gesamtwir-
kung durch die veränderte räumliche Anord-
nung der Gruppen beeinträchtigt. Die Dar-
stellung selbst geht bekanntlich auf ein von