62
Offener Brief an den österreichischen Wirthfchafts-Direetor H. Simon Rappelkopf
z« T..... n.
Hochgeehrter Herr Wirt h sch a s ts - D i r ect or !
Der ausgebreitete Ruf Ihrer gründlichen und umfassenden
Kenntnisse, sowohl theoretischer, als auch besonders praktischer
Art, veranlaßt mich, Sie mit diesem Schreiben zu belästigen,
um Ihnen ein vortheilhastes Anerbieten, welches ganz geeignet
ist, der segensreichen Entfaltung und nützlichsten Anwendung
Ihres herrlichen Wissens einen freien, unbegrenzten Spielraum
zu gönnen — in Vorschlag zu bringe». Ich habe nämlich in
den westlichsten, uncultivirtesten Gegenden Nordamerika's einen
j Fleck Landes von circa 100,000 preuß. Morgen um den Spott-
preis von 1000 Thlr. preuß. Cour, angekauft, und suche einen
Theilnehmer, um von diesem colossalen Körper den größtmög-
lichen Nutzen zu ziehen, denn wenn ich auch an einem Morgen
nur 10 Thaler profitire, so macht das schon: E i n e M i l l i o n!!!
Daß nun Sie, geehrter Herr! sich herbciließen, dieses Unge-
' heures versprechende Geschäft mit mir gemeinschaftlich zu be-
! ginnen, ist mein Wunsch. Geld brauchen Sie gar nicht; selbst
die Reisekosten will ich übernehmen. Ich verlange nichts, als
Ihre hohe Intelligenz und Ihr herrliches Talent, neue originelle
Pläne zu machen. Ich dachte auch schon hin und her darüber
nach, was sich da Alles beginnen unv einrichten ließe, und
erlaube mir, Ihnen hiermit das Resultat dieser Gedanken mit-
zuthcilen, um Ihren mir über Alles werthen Rath darüber zu
vernehmen. Vor allem Andern wird es nöthig sein, Menschen
hinzubekommen, und zwar aus doppeltem Grunde: Erstens,
um Arbeitskräfte zur Urbarmachung, und zweitens, um den
nöthigen Dünger zu erzielen. Ihre Verbindungen in Schmal-
kalden werden cs Ihnen leicht ermögliche», uns binnen kurzer
Zeit tausend Mann zu schaffen, welche wohl in einem halben
Jahre die Urbarmachung zu Stande bringen dürften. Geld
bekommen sie nicht, sondern nur die Steine und Wurzeln, die
sie ausroden, zur Erbauung von Wohnungen, und jeder eine
Kuh. Das kostet uns nun gar Nichts, verschafft uns aber
cultivirtes Land und Dünger von Mensch und Vieh.
Besonders handelt es sich darum, denjenigen Fruchtwechsel-
Anbau einzuführen, der den größten Ertrag gibt. Nun ist nach
reiflichem Ueberlegen meine Ansicht darüber folgende — eine
Ansicht, der Sie bei Ihrer aufgeklärten Denkungsart gewiß Ihren
Beifall nicht versagen werden. Die 100,000 Morgen werden
in fünf Schläge eingetheilt, jeder zu 20,000 Morgen, und
folgende fünf Früchte angebaut: Zucker, Caffee, Rosen, Topi-
nanibour sErdbirnen) und Quecken. Den Nutzen der beiden
ersten Früchte anschaulich zu machen, ist wohl unnöthig. Noch
größer aber ist der Ertrag der Rosen. Ein preuß. Morgen
hat 180 Quadratruthen. Rechnen wir auf eine Quadratruthe
800 Stück Rosen, so bringt ein Morgen mindestens 144,000
Stück Rosen, also bringen 20,000 Morgen 2,880,000,000 Stück
Rosen. Davon Bouquets ä drei Rosen gibt 960,000,000 Stück
Bouquets, davon jedes in London um ein Schilling verkauft,
gibt eine Einnahme von 48,WO,000 Pfund Sterling oder ein
Pfund Sterling zu sieben Thaler gerechnet, 336 Millionen
Thaler!!!
Ein herrlicher Gedanke ist der des Anbaues von Topi-
nambour (Erdbirnen) im Großen. Dieses edle Knollengewächs,
welches an Güte und Wohlgeschmack die Kartoffeln bei Weitem
übertrifft, dürfte sich, meiner Meinung »ach, wenn nur Jemand
den Anfang damit macht, binnen kurzer Zeit einer allgemeinen
Aufnahme erfteuen, um so mehr, als die Kartoffeln durch die
immer mehr und mehr um sich greifende Fäulniß bald ganz
im Feldbane verschwinden müffen. Stellen Sie sich nur vor,
welch'herrliches Erträgniß: 20,OW Morgen mit Topinambour!
Rechnen wir auf ein Morgen mindestens 100 Scheffel, so sind
das 2,<>W,W0 Scheffel, und es müßte sehr schlecht stehen,
wenn man einen Scheffel nur mit einem halben Thaler bezahlt
bekäme; und schon das gäbe eine Einnahme von Einer Mil-
lion Thalern!!!
Nun komme ich zu der fünften Frucht meiner Feldereinthei-
lung, nämlich zu den Quecken. Alle Landwirthe Europa's
sind leider von der irrigen Ueberzeugung befangen, daß die
Quecken eines der schädlichsten Unkräuter sind, und indem sie,
blind gegen deren allseitigen, unberechenbaren Vortheil, dieselben
mit angestrengtestem Fleiße ausrotten, wüthen sie gegen eine
der schönsten Gaben der gütigen Natur. Wo soll ich aber
anfangen, wenn ich den Nutzen der Quecken beschreiben will?
„Unendlich genügsam inihren Anforderungen, un-
endlich freigebig in ihrem Ertrage," so will ich sie
charakterisiren. Jeder Boden, sei er welcher Gattung er wolle, ist
ihnen recht. Welches Gewächs kann es schon hierin mit ihnen
Offener Brief an den österreichischen Wirthfchafts-Direetor H. Simon Rappelkopf
z« T..... n.
Hochgeehrter Herr Wirt h sch a s ts - D i r ect or !
Der ausgebreitete Ruf Ihrer gründlichen und umfassenden
Kenntnisse, sowohl theoretischer, als auch besonders praktischer
Art, veranlaßt mich, Sie mit diesem Schreiben zu belästigen,
um Ihnen ein vortheilhastes Anerbieten, welches ganz geeignet
ist, der segensreichen Entfaltung und nützlichsten Anwendung
Ihres herrlichen Wissens einen freien, unbegrenzten Spielraum
zu gönnen — in Vorschlag zu bringe». Ich habe nämlich in
den westlichsten, uncultivirtesten Gegenden Nordamerika's einen
j Fleck Landes von circa 100,000 preuß. Morgen um den Spott-
preis von 1000 Thlr. preuß. Cour, angekauft, und suche einen
Theilnehmer, um von diesem colossalen Körper den größtmög-
lichen Nutzen zu ziehen, denn wenn ich auch an einem Morgen
nur 10 Thaler profitire, so macht das schon: E i n e M i l l i o n!!!
Daß nun Sie, geehrter Herr! sich herbciließen, dieses Unge-
' heures versprechende Geschäft mit mir gemeinschaftlich zu be-
! ginnen, ist mein Wunsch. Geld brauchen Sie gar nicht; selbst
die Reisekosten will ich übernehmen. Ich verlange nichts, als
Ihre hohe Intelligenz und Ihr herrliches Talent, neue originelle
Pläne zu machen. Ich dachte auch schon hin und her darüber
nach, was sich da Alles beginnen unv einrichten ließe, und
erlaube mir, Ihnen hiermit das Resultat dieser Gedanken mit-
zuthcilen, um Ihren mir über Alles werthen Rath darüber zu
vernehmen. Vor allem Andern wird es nöthig sein, Menschen
hinzubekommen, und zwar aus doppeltem Grunde: Erstens,
um Arbeitskräfte zur Urbarmachung, und zweitens, um den
nöthigen Dünger zu erzielen. Ihre Verbindungen in Schmal-
kalden werden cs Ihnen leicht ermögliche», uns binnen kurzer
Zeit tausend Mann zu schaffen, welche wohl in einem halben
Jahre die Urbarmachung zu Stande bringen dürften. Geld
bekommen sie nicht, sondern nur die Steine und Wurzeln, die
sie ausroden, zur Erbauung von Wohnungen, und jeder eine
Kuh. Das kostet uns nun gar Nichts, verschafft uns aber
cultivirtes Land und Dünger von Mensch und Vieh.
Besonders handelt es sich darum, denjenigen Fruchtwechsel-
Anbau einzuführen, der den größten Ertrag gibt. Nun ist nach
reiflichem Ueberlegen meine Ansicht darüber folgende — eine
Ansicht, der Sie bei Ihrer aufgeklärten Denkungsart gewiß Ihren
Beifall nicht versagen werden. Die 100,000 Morgen werden
in fünf Schläge eingetheilt, jeder zu 20,000 Morgen, und
folgende fünf Früchte angebaut: Zucker, Caffee, Rosen, Topi-
nanibour sErdbirnen) und Quecken. Den Nutzen der beiden
ersten Früchte anschaulich zu machen, ist wohl unnöthig. Noch
größer aber ist der Ertrag der Rosen. Ein preuß. Morgen
hat 180 Quadratruthen. Rechnen wir auf eine Quadratruthe
800 Stück Rosen, so bringt ein Morgen mindestens 144,000
Stück Rosen, also bringen 20,000 Morgen 2,880,000,000 Stück
Rosen. Davon Bouquets ä drei Rosen gibt 960,000,000 Stück
Bouquets, davon jedes in London um ein Schilling verkauft,
gibt eine Einnahme von 48,WO,000 Pfund Sterling oder ein
Pfund Sterling zu sieben Thaler gerechnet, 336 Millionen
Thaler!!!
Ein herrlicher Gedanke ist der des Anbaues von Topi-
nambour (Erdbirnen) im Großen. Dieses edle Knollengewächs,
welches an Güte und Wohlgeschmack die Kartoffeln bei Weitem
übertrifft, dürfte sich, meiner Meinung »ach, wenn nur Jemand
den Anfang damit macht, binnen kurzer Zeit einer allgemeinen
Aufnahme erfteuen, um so mehr, als die Kartoffeln durch die
immer mehr und mehr um sich greifende Fäulniß bald ganz
im Feldbane verschwinden müffen. Stellen Sie sich nur vor,
welch'herrliches Erträgniß: 20,OW Morgen mit Topinambour!
Rechnen wir auf ein Morgen mindestens 100 Scheffel, so sind
das 2,<>W,W0 Scheffel, und es müßte sehr schlecht stehen,
wenn man einen Scheffel nur mit einem halben Thaler bezahlt
bekäme; und schon das gäbe eine Einnahme von Einer Mil-
lion Thalern!!!
Nun komme ich zu der fünften Frucht meiner Feldereinthei-
lung, nämlich zu den Quecken. Alle Landwirthe Europa's
sind leider von der irrigen Ueberzeugung befangen, daß die
Quecken eines der schädlichsten Unkräuter sind, und indem sie,
blind gegen deren allseitigen, unberechenbaren Vortheil, dieselben
mit angestrengtestem Fleiße ausrotten, wüthen sie gegen eine
der schönsten Gaben der gütigen Natur. Wo soll ich aber
anfangen, wenn ich den Nutzen der Quecken beschreiben will?
„Unendlich genügsam inihren Anforderungen, un-
endlich freigebig in ihrem Ertrage," so will ich sie
charakterisiren. Jeder Boden, sei er welcher Gattung er wolle, ist
ihnen recht. Welches Gewächs kann es schon hierin mit ihnen
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Offener Brief an den österreichischen Wirthschafts-Director H. Simon Rappelkopf zu T.....n"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 11.1850, Nr. 248, S. 62
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg