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Einer für Alle.

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Sie richtete die Uebergabsworte an die versammelten Väter
der Stadt mit reiner, freier, lebhafter Sprache. Dorn hatte
sie ihr einstudirt. Herr Fischer dankte — und Dorn als Fest-
redner grüßte nun das theure Geschenk mit feurigem Gruße,
während die Fahne am Seile langsam emporstieg zum Thurm-
geländer und nun endlich, dem freien Luftstrom überlassen, ihre
Wellen schlug im schönsten Farbendrei, das je die Sonne
beschienen.

Dorn sah der steigcnden Fahne nach, sein Auge war feucht,
er griff nach Theodvliudens Hand, die neben ihm in unerklär-
licher Ergriffenheit stund. Herr Fischer sah cs. — Noch immer
läuteten die Glocken, donnerten die Geschütze, sangen die Sänger.
Mitten durch diese Feierklänge vernahm Dorn mit einem Male
des Bürgermeisters Stimme: „Doktor — Sie haben mich sehr
glücklich gemacht — ich will es auch. — Sie lieben meine
Tochter — sie sei die Ihre!"

Nun hörte der Entzückte auch noch die Engel im Himmel
singen und auch ihr Lied lautete: „So soll es sein — das,
wackrer Deutscher, nenne Dein!"

Wer die Leitung gelesen hat, weiß, daß es
auf die Länge nicht Vorhalten wollte mit diesen
Fest- und Volksjubeln, mit dem Eifer für die
gute Sache, mit den steten Erhebungen und Auf-
schwüngen, weder in Deutschland noch in X.

Die guten Bürger unsrer guten Städte waren
solche andauernde Bewegung nicht gewohnt. Sie
waren noch nie in ihrem Leben auf einmal so
weit vorwärts gegangen — jetzt sehnten sie sich
nach einem Ruhepunkte, aber noch winkte kein
Arm zu Einkehr und Labung, kein Ziel war
sichtbar, am Weg stund nirgend ein Sitz. Da
sahen sie sich um, wo sie die warmen Ofenbänke
und weichen Schlafstühle zurückgelassen und es
ward ihnen wohl und weh um's Herz, sie mußten
vorsichtshalber ein paar Schritte rückwärts thun,
dann stille stehen und warten und sich näher er-
kundigen, wie weit sie denn eigentlich noch zu
gehen hätten.

Indessen nun die vernünftigen Leute mit diesen
Schwachen im Fleische verhandelten, liefen die
Uebereifrigen und Blinden, die Buben und Gauner
voran, weit über Ziel und End hinaus und von
hinten schlichen die Schlauen und Ingrimmigen
heran und hafteten fest an den Rockschößen der
Müden und Matten.

Tagtäglich neue Besorgnisse und nie eine Be-
ruhigung zu erleben, so viele Zeitungen zu lesen,
so lange Reden zu hören, und dabei immer weniger
Geld im Kasten zu haben, das war noch zu keiner Zeit von
den Bürgern zu 3E. begehrt worden, selbst damals nicht, als
sie auf Befehl eines Stadtvogtes mit Weibern und Kindern
alles Gras in den Straßen mit den Zähnen ausraufen mußten.
Das geschah in der Finsterniß eines Jahrhunderts, als noch
die Wütheriche allgemein üblich waren, jetzt aber hatten sie
eine neue Verfassung und einen jubilirten Bürgermeister und in
Frankfurt wurden soeben die Grundrechte fertig.

Leider gewahrten sie bald, daß sie auch durch diese Grund-
rechte noch nicht zu ihrer Ordnung kämen. Nach Paragraph
so und so viel konnten die weltfremdesten Menschen selbst aus
Preußen, sich bei ihnen niedersetzen und konnten Strümpfe und
baumwollene Schlafmützen wirken ohne Meisterbrief, und auch
ohne ein Stadtkind zu sein, wäre man befähigt zu jeglicher
Celebrität des Tagcs oder der Nacht. Um solche Paragraphen
zu holen, hatten sie ihren Abgeordneten nicht bis Frankfurt
geschickt mit drei Thaler Taggeld.

Die Strumpfwirker demonstrirten gegen die Grundrechte —
ihre Vertrauensmänner erschienen bei Herrn Fischer und ver-
wahrten ihr unantastbares Recht zur ausschließlichen Schlaf-
mützenstrickerei; der Mann ves Volkes begriff vollkommen ihre
Berechtigung und versprach, wenn nicht den betreffenden Para-
graph, doch die gesammten Grundrechte zu beseitigen.


it
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Einer für Alle"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Stauber, Carl
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Stadt <Motiv>
Fahne <Motiv>
Karikatur
Junge Frau <Motiv>
Kranz <Motiv>
Satirische Zeitschrift

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Künstler/Urheber (GND)
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Digitales Bild
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Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 11.1850, Nr. 249, S. 67

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