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Einer für Alle.

Ebenso bereitwillig half er den preußischen Erbkaiser ab-
i setzen, ehe dieser den Thron bestiegen hatte, und wies die Zu-
muthung mit Entrüstung von sich, als wollte er die Unbequem-
lichkeiten seines cngern Vaterlandes vertauschen mit einer freiern
Bewegung im weiten deutschen Reiche.

Im Klub war Herr Fischer freilich innig überzeugt, daß
man zum Parlamente stehen müsse, um eines Anhaltspunktes
gewiß zu sein; dort sagte es der jDoktor Dorn, und Herr Fischer
bestätigte jederzeit, was der verehrliche Redner vor ihm eben
so treffend als schön gesagt hatte; aber auf dem Heimwege war
er nicht abgeneigt, daffelbe durch vierunddreißigerlei vereinte
Bayonette auflöscn zu lassen, wenn er bedachte, daß er durch
l die Debatten im Klub wieder um die halbe Nacht gekom-
men war.

Für den constitutionellen Fortschritt mit Aufrechthaltung
der bestehenden Ordnung wirkte er noch immer nach Kräften,
er las daher das liberale Tagblatt im Casino, und wurde
Attionär bei der Gcgenzeitung „Der aufrichtige Alt-Jxer."
Auf seinen Betrieb wurden die deutsche-Flotten-Nicht-Hut-
Abnehmungs-Zeichen eingeführt, er trug die erste Marke —
die ihn jedoch nicht hinderte, mit diesem Hute in der Hand,
Herrn Baron Hecht, den neuen Ministerial-Commiffär, stunden-
lang zu begleiten, als man abermals des Volkes Stimmung und
Bedürfniffe kennen lernen wollte, da das neue Ministerium die
Würger'schen Belege unstatthaft fand. Auch Baron von Hecht
konnte zu ihm sagen: „Es ist höhern Orts zur Genüge be-
kannt, daß hier in X. die Wühlerei ihre Gistbuden und Pulver-
kammern hat, aber man ist beruhigt, wenn man die Stadt
von einem Manne, wie Sie, bevorstandet sieht."

Eine seltne Anerkennung, aber auch ein seltner Mann —
unser Herr Fischer. Die Giftbude blieb nun sein einziger
Augenmerk — die Schenke zum schwarzen Mohren — schlaflose
Nächte aber kostete ihm — die Pulverkammer — denn er
wußte nicht, wo sic zu finden sei. Im geheimsten Gcheimniß-
tone fragte er Dorn, ob die Bürgerwehr etwa gar Patronen

besitze, und als er vernahm: „etliche falsche!" sagte er:

„Schlimm genug;" indeffen der Doktor ergänzte: „daß sie nicht
scharf seien!" —

Mißverständniffe — wie dieses — schlichen sich zum öftern
ein zwischen Schwiegervater und Sohn in Anwartschaft — doch
sie störten nicht den Alltags-Verkehr. — Nur zu Theodolinde
seufzte manchmal der Bürgermeister: „Leider Gott, dein Doktor,
liebes Kind — schielt in's Rothe!" und Dorn scherzte: „Dein
alter Herr, liebe Dietlinde, bleibt eben doch — ein Zopf!"
Dafür schüttelte die Tochter ihre freien Locken und schelmisch-
zärtlich antworteten die hellen Augen — und vielen Kummer
um's Vaterland warf ihr der Geliebte in den Strickkorb
und sie strickte ihn und die Liebesträume alle in die Nacht-
mützen ihres Vaters.

Diese Mützen oder die Reichsverfassung, oder beide zusam-
men störten seit Wochen Herrn Fischer in Erfüllung seiner
ersten Bürgerpflicht, im ruhigen Schlafen. Er hatte gehofft,
daß sie nie fertig jwerde, diese Verfassung, damit Niemand in
Verlegenheit gerathe wegen ihrer Annahme oder Ablehnung
und nun war sie da und in X. wollten die Leute nun mit
einem Male sie haben und er sollte sic ihnen verschaffen. Der
„aufrichtige Alt-Jxer" mochte ihnen in jeder Nummer wieder-
holen, sie müßten nun preußisch werden und außer der Redak-
tion des Jxertagblattes gäb' es nichts verworfneres, als den
Convent in Frankfurt; es kamen trotzdem Deputationen und
Adressen an Herrn Fischer und begehrten, er solle Namens der
j Stadt X. in der Residenz beim Landesvatcr die Reichsversassung
l durchsetzen.

Herr Fischer erklärte sich ganz für diesen nächsten Weg zum
Ziele, aber den noch nähern auf dem Postwagen vermochte er
nicht ! zurückzulegen. Es gab Hindernisse ganz unerwartete und
viele, und Hinderniffe wurden stets geehrt, wenn man sie nur
nicht selbst beseitigen mußte. — Indessen aber die Leute in X.
auf ihres Bürgermeisters Abreise warteten, welche täglich in
der Zeitung mit dem halbofficiellen Zeichen „in Aussicht stund;"
war andern geduldigen Deutschen der Rest dieser Vätertugend
hinweggegaunert worden und sie ließen diese Gauner schlechte
Streiche machen, indeffen sie selbst im besten Glauben dumme
machten. Dort war bereits wieder Ordnung gestiftet, nur in
X. mangelte es noch an einem beruhigenden Belagerungszu-
stand. Bereits begehrte Niemand mehr die Verfassung — nur
der schwarze Mohrenwirth und seine Proletarier wollten sie
demnächst beschwören — vielleicht sogar um Mitternacht.

„Uebcrall hin kommen die Preußen" — klagte Herr Fischer
— „nur zu uns nicht!" Immer banger ward es ihm mitten
unter den Strumpfwirkern, die doch alle ihre Ruhe — aber
freilich keine Preußen auf der Schüssel haben wollten. Und

jener Schwur um Mitternacht tonnte doch nur von den Preußen
verhindert werden.

(Schluß folgt.)
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Einer für Alle"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Stauber, Carl
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Herr <Motiv>
Nachtwächter
Nacht <Motiv>
Straße <Motiv>
Karikatur
Hund <Motiv>
Satirische Zeitschrift

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Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 11.1850, Nr. 249, S. 68

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