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Der neue Eulenspicgel.
nung und kam bald mit den Tausend Gulden in der Tasche
zurück.
„Hannes/' rief er schon in der Thüre, „du mußt mir dei-
nen Wahrsager verkaufen, was willst du dafür haben?"
„Mein Wahrsager ist mir nicht feil/' antwortete der Hannes.
„Aber ich geb' dir, was du willst, den Wahrsager muß
ich haben."
Der Hannes kratzte sich hinter dem Ohr.
„Eigentlich thu' ich's nicht gern," sagte er, „aber weil
Jhr's seid, nun. für 500 fl., da beißt aber keine Maus den
Faden ab."
„Nein, Hannes, so viel geb' ich nicht, dann magst du
deinen Wahrsager behalten."
„Meinetwegen," erwiderte der Hannes, „so ist mir's ganz
recht, der Wahrsager bringt mir doch mehr Geld ein als 500 fl."
„Nun, Hannes, laß doch handeln, ich geb' dir 200, 300 fl.,
ja, ich geb' dir 400 fl., willst du jetzt?"
„Nein, wir wollen den Handel lassen, 500 fl. verlang' ich
und davon geh' ich nicht ab, ich Hab' einmal das Wort ge-
sprochen und so mag's bleiben."
„Du bist ein rechter Trotzkopf," sagte der Gerber, „nun,
da hast du denn deine 500 fl., jetzt gib mir den Wahrsager."
Der Hannes strich das Geld ein und überreichte das Kuh-
horn dem Gerber, der wollte sogleich die Wunderkraft des
Wahrsagers probiren und hielt das Horn an das Ohr, da
hörte er nur ein Brummen und Summen, aber weiter nichts.
„Ich versteh' ja gar nicht, was der spricht," meinte der
Gerber, „was hat er denn eigentlich für eine Sprache, Hannes?"
„Ei, du mußt das Ohr recht dicht daran halten und das
i Gras ein Bischen herausziehen, dann wirst du ihn schon ver-
: stehen."
Der Gerber that, wie ihm gesagt worden war, er zog das
Gras von der Oeffnung, ein Fensterflügel stand offen, da
summte etwas an seinem Ohr vorüber und siehe da! der Wahr- !
sager war zum Fenster hinausgeflogen, um sich irgend wo
anders eine beffere Kameradschaft aufzusuchen. Der Gerber war
trostlos über seinen Verlust, der Hannes aber wußte, daß die
Hummel, die bisher in dem Kuhhom eingeschlossen gewesen war,
j nicht mehr zurück geholt werden konnte. Nachdem er auch die
i Kuhhaut verkauft hatte, begab er sich auf den Rückweg nach
seinem Dorfe. —
Zweiter Schwank.
Der alten Weiber Mord.
Als der Hannes in sein Dorf zurückgekehrt war, begegne-
ten ihm einige Bauern.
„Wo kommst du her, Hannes?" fragten sie.
„Wo ich her komme, ei, aus der Stadt komm' ich," ant-
tvortete der Hannes. „Schlagt all' eure alten Küh' tobt, dann
kriegt Ihr auch für die Haut 500 fl."
„Ist das wahr?" fragten etwas ungläubig die Bauern.
„Seht her, ein ganzer Beutel voll alter Laubthaler!"
Da gingen die Bauern eilig nach Haus und ein Nachbar
sagte es dem andern, der Hannes hätt' für seine Kuhhaut 500 fl.
bekommen. Nun gab es ein allgemeines Morden und Todt-
schlagen im Dorfe. Wer eine Kuh im Stalle hatte, schlug sie
todt, um die Haut in die Stadt zu verkaufen.
Am andern Morgen zog die ganze Gemeinde in die Stadt,
ein jeder Bauer hatte die Haut seiner erschlagenen Kuh über-
gezogen, so kamen sie vor die Wohnungen der Gerber.
„Ei, Ihr Leut', was ist geschehen," fragten die Gerber,
„herrscht die Viehseuche in Eurem Dorf?"
„Was, Viehseuche? Nein, der Hannes hat 500 fl. für
seine Kuhhaut bekommen, da wollen wir schnell auch so viel
Geld verdienen."
„Ha, ha, ha," lachten die Gerber, „Ihr seid angeführt,
geht nur wieder hübsch nach Haus."
Da waren denn die Bauern außerordentlich böse darüber,
daß der Hannes sie an der Nase herumgeführt habe und sie
beschloffen, ihn todt zu schlagen. Nun wußten sie, daß der
Hannes und seine alte Mutter in einem Bette schliefen, der
Hannes lag Bornen, seine Mutter aber hinten. Darüber mußten
sie in Gewißheit sein; denn der Todschlag sollte in der finsteren
Nacht geschehen.
Der Hannes aber hatte Alles gehört. Ms es nun Abend
wurde und die Zeit gekommen war zu Bett zu gehen, sagte
er zu seiner Mutter: „Hört ein Mal, Ihr könntet mich hinten
schlafen kaffen, ich furcht' mich so."
Der neue Eulenspicgel.
nung und kam bald mit den Tausend Gulden in der Tasche
zurück.
„Hannes/' rief er schon in der Thüre, „du mußt mir dei-
nen Wahrsager verkaufen, was willst du dafür haben?"
„Mein Wahrsager ist mir nicht feil/' antwortete der Hannes.
„Aber ich geb' dir, was du willst, den Wahrsager muß
ich haben."
Der Hannes kratzte sich hinter dem Ohr.
„Eigentlich thu' ich's nicht gern," sagte er, „aber weil
Jhr's seid, nun. für 500 fl., da beißt aber keine Maus den
Faden ab."
„Nein, Hannes, so viel geb' ich nicht, dann magst du
deinen Wahrsager behalten."
„Meinetwegen," erwiderte der Hannes, „so ist mir's ganz
recht, der Wahrsager bringt mir doch mehr Geld ein als 500 fl."
„Nun, Hannes, laß doch handeln, ich geb' dir 200, 300 fl.,
ja, ich geb' dir 400 fl., willst du jetzt?"
„Nein, wir wollen den Handel lassen, 500 fl. verlang' ich
und davon geh' ich nicht ab, ich Hab' einmal das Wort ge-
sprochen und so mag's bleiben."
„Du bist ein rechter Trotzkopf," sagte der Gerber, „nun,
da hast du denn deine 500 fl., jetzt gib mir den Wahrsager."
Der Hannes strich das Geld ein und überreichte das Kuh-
horn dem Gerber, der wollte sogleich die Wunderkraft des
Wahrsagers probiren und hielt das Horn an das Ohr, da
hörte er nur ein Brummen und Summen, aber weiter nichts.
„Ich versteh' ja gar nicht, was der spricht," meinte der
Gerber, „was hat er denn eigentlich für eine Sprache, Hannes?"
„Ei, du mußt das Ohr recht dicht daran halten und das
i Gras ein Bischen herausziehen, dann wirst du ihn schon ver-
: stehen."
Der Gerber that, wie ihm gesagt worden war, er zog das
Gras von der Oeffnung, ein Fensterflügel stand offen, da
summte etwas an seinem Ohr vorüber und siehe da! der Wahr- !
sager war zum Fenster hinausgeflogen, um sich irgend wo
anders eine beffere Kameradschaft aufzusuchen. Der Gerber war
trostlos über seinen Verlust, der Hannes aber wußte, daß die
Hummel, die bisher in dem Kuhhom eingeschlossen gewesen war,
j nicht mehr zurück geholt werden konnte. Nachdem er auch die
i Kuhhaut verkauft hatte, begab er sich auf den Rückweg nach
seinem Dorfe. —
Zweiter Schwank.
Der alten Weiber Mord.
Als der Hannes in sein Dorf zurückgekehrt war, begegne-
ten ihm einige Bauern.
„Wo kommst du her, Hannes?" fragten sie.
„Wo ich her komme, ei, aus der Stadt komm' ich," ant-
tvortete der Hannes. „Schlagt all' eure alten Küh' tobt, dann
kriegt Ihr auch für die Haut 500 fl."
„Ist das wahr?" fragten etwas ungläubig die Bauern.
„Seht her, ein ganzer Beutel voll alter Laubthaler!"
Da gingen die Bauern eilig nach Haus und ein Nachbar
sagte es dem andern, der Hannes hätt' für seine Kuhhaut 500 fl.
bekommen. Nun gab es ein allgemeines Morden und Todt-
schlagen im Dorfe. Wer eine Kuh im Stalle hatte, schlug sie
todt, um die Haut in die Stadt zu verkaufen.
Am andern Morgen zog die ganze Gemeinde in die Stadt,
ein jeder Bauer hatte die Haut seiner erschlagenen Kuh über-
gezogen, so kamen sie vor die Wohnungen der Gerber.
„Ei, Ihr Leut', was ist geschehen," fragten die Gerber,
„herrscht die Viehseuche in Eurem Dorf?"
„Was, Viehseuche? Nein, der Hannes hat 500 fl. für
seine Kuhhaut bekommen, da wollen wir schnell auch so viel
Geld verdienen."
„Ha, ha, ha," lachten die Gerber, „Ihr seid angeführt,
geht nur wieder hübsch nach Haus."
Da waren denn die Bauern außerordentlich böse darüber,
daß der Hannes sie an der Nase herumgeführt habe und sie
beschloffen, ihn todt zu schlagen. Nun wußten sie, daß der
Hannes und seine alte Mutter in einem Bette schliefen, der
Hannes lag Bornen, seine Mutter aber hinten. Darüber mußten
sie in Gewißheit sein; denn der Todschlag sollte in der finsteren
Nacht geschehen.
Der Hannes aber hatte Alles gehört. Ms es nun Abend
wurde und die Zeit gekommen war zu Bett zu gehen, sagte
er zu seiner Mutter: „Hört ein Mal, Ihr könntet mich hinten
schlafen kaffen, ich furcht' mich so."
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Der neue Eulenspiegel"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Thema/Bildinhalt (normiert)
Kuhhaut <Motiv>
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 11.1850, Nr. 251, S. 82
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg