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Der neue Eulenspiegel.

Als sie auf dem Wege nach dem Fluß waren, kamen sie
an der Kirche vorüber, da fühlten sie Mitleid mit der armen
Seele und wollten erst für sie beten, ehe sie ersäuft wurde.
Sie legten also den Sack vor die Kirchthüre und begaben sich
selbst in's Gesammt in die Kirche. Dem Hannes aber wurde
in dem Sacke die Zeit zu lange und da er keine Gesellschaft
bei sich hatte, so sprach er zur Kurzweile mit sich selber.

„Ich soll ein Amt annehmen und kann doch nicht schreiben
und nicht rechnen, ich soll ein Amt annehmen und kann doch
nicht schreiben und nicht rechnen," so sprach er immer laut für
sich hin. Da kam ein hungriger Soldat des Wegs, der hörte
die Worte und blieb stehen.

„Ich soll ein Amt annehmcn und kann doch nicht schreiben
und nicht rechnen," murmelte der Hannes immer noch fort.

„Hört, guter Freund," sagte der Unteroffizier, „ich kann
schreiben und rechnen. So laßt mich in den Sack, ich will
Euch heraushelfen."'

„Nun gut," erwiderte der Hannes, „das ist mir schon
recht. Knüpft nur den Sack auf, dann will ich herauskriechen
und Ihr nehmt meinen Platz ein."

So geschah's denn und als Alles vollbracht war und der
Hannes sich eiligst davon gemacht hatte, kamen die Bauern
wieder aus der Kirche, hoben den Sack auf und warfen ihn in
das Waffer.

„Jetzt ist abgethan," sagten die Bauern im Nachhausegehn,
„dem thut kein Zahn mehr weh'." Sie waren froh und wohl-
gemuth und freuten sich der befriedigten Rache. —

Vierter Schwank: Der Wafferspruug.

Eine lange Zeit verstrich, die Bauern dachten schon nicht
mehr an den Hannes, da erschien er Plötzlich an einem hübschen
Sommcrtage wieder mit einer großen Heerde Schafe, die trieb
er mitten durch das Dorf.

„Ei, Hannes, wo kommst du denn her," riefen ihm die
Bauern mit der größten Verwunderung zu.

„Wo komm' ich her? aus dem Waffer komm' ich," ant-
wortete der Hannes, „seht! daher Hab' ich auch die vielen
Schafe milgebracht. Wenn Ihr wollt, könnt Ihr auch so
hübsche Schafe kriegen, es sind noch genug dort."

Das waren denn die Bauern zufrieden, sie vergaßen allen
Unmuth und Zorn, den sie gegen den Hannes hatten, und folg-
ten ihm an den Fluß.

Die Sonne schien so hell und guckte immer in das Waffer,
der Hannes aber trieb seine Heerde am Ufer auf und ab, da
blinkten die Schafe im Flusse wieder, daß man glauben konnte,
es sei eine große Heerde darin zu sehen.

„Seht Ihr," rief der Hannes, „da springen die Böcke,
guckt ein Mal, was für Hörner sie haben!"

Da staunten denn die Bauern und jeder suchte sich schon
in Gedanken die besten Schafe aus.

Jetzt rief der Schulz um Stille und sagte: „Ihr Leute,

hört, was ich sage. Ich bin der Schulz, ich Hab' das Vorrecht.
Jetzt geh' ich auf die Brücke und springe hinunter in das
Wasser, um mir zuerst die schönsten Böcke auszusuchen. Wenn
ich nun rufe: kommt, so kommt Ihr."

Nun sprang der Schulz in die Tiefe, da ging es: „plump."
Da glaubten die Bauern, er hätte gerufen: „kommt" und Einer
sprang dem Andern nach in die nassen Wellen. Doch die Frauen
wollten nicht zurückbleiben und folgten dem edlen Streben ihrer
Männer und bald hatte sich die ganze Dorfgemeinde auf dem
Grunde des Flusies wieder versammelt, nur der Hannes war
mit seiner Heerde am Ufer zurückgeblieben, dem gehörte jetzt
das ganze Dorf.

Ob der Hannes noch lebt, weiß ich nicht. Dem aber,
ivelcher diese Geschichte erzählt hat, ist der Mund noch warm.

Redacnon: Caspar Braun und Friedr. Schneider. — München, Vertag von Braun & Schneider.

Kgl. Hol- unv UiiiversitälS-Buchdruckerei von vr. C. Wolf & Sohn in München.
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Der neue Eulenspiegel"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

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Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Fluss <Motiv>
Schafherde
Sprung <Motiv>
Brücke <Motiv>
Schäfer <Motiv>
Karikatur
Bauer <Motiv>
Satirische Zeitschrift

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Digitales Bild
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Public Domain Mark 1.0
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Fliegende Blätter, 11.1850, Nr. 252, S. 96

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