18.
Zeit
Bestellungen werden in allen Buch- und Kunst.
Handlungen, sowie von allen Postämtern und
ungSexpeditionen angenommen.
Nr°- 35S*.
Erscheinen wöchentl. ein Mal. Subscriptionspreis
für den Band von 24 Nummern 3 fl. 36 kr. R.-W-I.
od. 2 Rthlr. Einzelne Nummern kosten 12 kr. R.-W. od. 3 ggr.
XI. Band.
Herzog und Koch.
. * - •_
„Die Zeiten ändern sich— höchst abgevroschner und doch
wahrer Spruch, vor zweitausend Jahren schon in einen Vers
gebracht und doch noch immer giltig, in keiner Hinsicht aber
mehr bewährt, als was den Respekt vor „der von Gott einge-
setzten Obrigkeit," die „Ehrfurcht vor den angestammten Herr-
schern" anbelangt. Begegnet zum Beispiel mir, einem Sprößling
der Zwanziger Jahre unsres neunzehnten Jahrhunderts, das
Schicksal (ich sage absichtlich weder Glück noch Unglück),
auf der Straße zu wandeln und eine fürstliche Equipage auf
mich zurollen zu sehen, so halte ich den Kopf gerade vor mich
hin, weder rechts, noch links, bis die Cavalcade vorbei ist,
und denke: „Fahret nur zu, bis ans Ende der Welt. Ihr
brauchet nimmer zurückzukehren." — Solche gottlose und hoch-
verrätherische Gedanken waren in unsrer Väter Tagen, in der
„guten alten Zeit" noch nicht in den Köpfen der Leute; die
gehören erst zu den neuesten Errungenschaften. Nein, damals
war man fromm und loyal. Die erste Stelle im philiströsen
Herzen eines deutschen Bürgersmannes im achtzehnten Jahr-
hundert nahm das etwas sonderbar formirte Bild des Herrn
aller Heerschaaren ein; ihm zunächst kain Serenissimus mit
Höchstseiner Gemahlin, Prinzen, Prinzeßchcn und hohen Agna-
ten. Folgten darauf in langer Reihe: Geheimer Rath, Hof-
: marschall, Räthe der verschiedensten Gattung und anderweitige
hohe Kund- und Gönnerschaft. Den untersten Platz oder den
Eckwinkel im weitfaltigen Herzen nahmen Frau und Kinder
ein, im Fall selbige vorhanden waren. Ward der Name Gottes
oder Christi genannt, so entblößte der Mann sein Haupt und
neigte sich; war die Rede vom Herzog und seiner Familie, so
lüftete er seinen Dreimaster mit einem Lächeln, welches alle
! edeln Gefühle seines Herzens auf seinem Gesicht spiegelte:
! kindliche Liebe zum Landesvater, exemplarische Treue eines
j Hundes zu seinem Herrn, die süße Gewißheit, ganz in der
Gnade seines „allergnäbigsten Herrn" zu leben und zu sterben.
Glückliche Zeiten!
Eine derarttge Figur, wie sie vor uns steht mit dem gut-
müthigen deutschen Gesicht, mit dem zärtlich gepflegten Zopf,
Gott und seinen Herzog im Herzen, war meiner Großmutter
selig Großvater bis in sein breiunddreißigstes Jahr. Da an
einem Tage erblich das Bild seines Herrn in seinem Herzen
und machte dem seiner Gattin Platz, welches denselben auch
Zeit seines Lebens behauptete. Denn, daß in seinem Wesen
18
Zeit
Bestellungen werden in allen Buch- und Kunst.
Handlungen, sowie von allen Postämtern und
ungSexpeditionen angenommen.
Nr°- 35S*.
Erscheinen wöchentl. ein Mal. Subscriptionspreis
für den Band von 24 Nummern 3 fl. 36 kr. R.-W-I.
od. 2 Rthlr. Einzelne Nummern kosten 12 kr. R.-W. od. 3 ggr.
XI. Band.
Herzog und Koch.
. * - •_
„Die Zeiten ändern sich— höchst abgevroschner und doch
wahrer Spruch, vor zweitausend Jahren schon in einen Vers
gebracht und doch noch immer giltig, in keiner Hinsicht aber
mehr bewährt, als was den Respekt vor „der von Gott einge-
setzten Obrigkeit," die „Ehrfurcht vor den angestammten Herr-
schern" anbelangt. Begegnet zum Beispiel mir, einem Sprößling
der Zwanziger Jahre unsres neunzehnten Jahrhunderts, das
Schicksal (ich sage absichtlich weder Glück noch Unglück),
auf der Straße zu wandeln und eine fürstliche Equipage auf
mich zurollen zu sehen, so halte ich den Kopf gerade vor mich
hin, weder rechts, noch links, bis die Cavalcade vorbei ist,
und denke: „Fahret nur zu, bis ans Ende der Welt. Ihr
brauchet nimmer zurückzukehren." — Solche gottlose und hoch-
verrätherische Gedanken waren in unsrer Väter Tagen, in der
„guten alten Zeit" noch nicht in den Köpfen der Leute; die
gehören erst zu den neuesten Errungenschaften. Nein, damals
war man fromm und loyal. Die erste Stelle im philiströsen
Herzen eines deutschen Bürgersmannes im achtzehnten Jahr-
hundert nahm das etwas sonderbar formirte Bild des Herrn
aller Heerschaaren ein; ihm zunächst kain Serenissimus mit
Höchstseiner Gemahlin, Prinzen, Prinzeßchcn und hohen Agna-
ten. Folgten darauf in langer Reihe: Geheimer Rath, Hof-
: marschall, Räthe der verschiedensten Gattung und anderweitige
hohe Kund- und Gönnerschaft. Den untersten Platz oder den
Eckwinkel im weitfaltigen Herzen nahmen Frau und Kinder
ein, im Fall selbige vorhanden waren. Ward der Name Gottes
oder Christi genannt, so entblößte der Mann sein Haupt und
neigte sich; war die Rede vom Herzog und seiner Familie, so
lüftete er seinen Dreimaster mit einem Lächeln, welches alle
! edeln Gefühle seines Herzens auf seinem Gesicht spiegelte:
! kindliche Liebe zum Landesvater, exemplarische Treue eines
j Hundes zu seinem Herrn, die süße Gewißheit, ganz in der
Gnade seines „allergnäbigsten Herrn" zu leben und zu sterben.
Glückliche Zeiten!
Eine derarttge Figur, wie sie vor uns steht mit dem gut-
müthigen deutschen Gesicht, mit dem zärtlich gepflegten Zopf,
Gott und seinen Herzog im Herzen, war meiner Großmutter
selig Großvater bis in sein breiunddreißigstes Jahr. Da an
einem Tage erblich das Bild seines Herrn in seinem Herzen
und machte dem seiner Gattin Platz, welches denselben auch
Zeit seines Lebens behauptete. Denn, daß in seinem Wesen
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Herzog und Koch"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Kommentar
Signatur
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 11.1850, Nr. 258, S. 137
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg