172 Münchner Ballgespräche.
(Der Walzer ist zu Ende; der Schriftsteller trennt sich von seiner
Tänzerin, stürzt aufgeregt hinunter in das Rauchstübel, brennt sich
eine Cigarre an und ergänzt die wenigen Worte, die er oben gespro-
chen, mit folgenden):
„O du armseliges Autorleben! da lesen sieben freie Städte
an einem einzigen Freiexemplar und der Telegraph, der meine
schönsten Gedanken vor das Auge meiner Liebe führen sollte,
der braucht fünfzehn Monate, bis er Antwort bringt aus der
Lederergafle. — Ich wollt ich säß' auf einem Wüstenrosie — !"
IV.
Die Politische».
(Altbayerischer Student und pfälzisches Fräulein.)
Er. „Na, wirklich Fräulein, Sie glauben's gar nicht, was
ich für ein Reactionär bin."
Sie. „Nu, das sieht man Ihne schon von weitem an."
Er. „Ich glaub's selbst und damit's noch besier herum-
kommt, last' ich mich nächstens ausschreiben als Reactionär."
Sie. „Und da wird Ihne hoffentlich jeder ordentliche
Mensch aus dem Weg gehe."
Er. „Und desto beffer macht sich die Carriere."
Sie. „Wenn Sic das für Alles entschädigt —"
Er. „Ru, so ein junger Reacttonär hat weiter kein Leben!
Thun thut er gar nichts, als daß er sich recommandiren laßt
von einem großen Herrn zu dem andern. Und mein Alter,
der kennt sie alle nacheinander und der streicht mich schon
heraus, daß es eine Schand' ist."
Sie. „Wenn der Minister wüßt', was Sie für ein Edel-
stein sind, könnten Sie heute noch Protocollist werden."
Er. „Nu, nu! aber da wett' ich mit Ihnen selber, Fräu-
lein, einen Korb Champagner, daß ich nicht länger brauch' als
anderthalb Jahre und angestellt bin ich und eine Partie mach'
ich und dann kann mich die ganze Welt —"
Sie. „Wär's denn aber nicht recht niedlich, wenn Sie
selbst auch ein Bische Verdienst hätte!"
Er. „Ich brauch ja keines."
Sie. „Ich mein' nur, wär's denn nicht recht hübsch,
wenn Sie etwas lerne thäte? Ich glaub', es fehlt als noch
e' Bische."
Er. „Wiffen Sie, Fräulein, dumm bin ich nicht, auf
Ehr', aber studiren mag ich nichts, und die neuen Sachen, die
jetzt kommen, taugen nicht für mich. Wenn aber Alles beim
Alten bleibt, und mein Vater gibt seinen Trumpf drein, dann
stell' ich schon meinen Mann."
Sie. „Und dann werde Sie sich gewiß recht nützlich er-
weise für die Menschheit?"
Er. „Werden's schon sehen —*
Sie. „Und da mache Sie wohl als ein klein Spazier-
gängelche mit der Frau Gemahlin in den grüne Wald."
Er. „Na, Hab' kein Sinn für Natur."
Sie. „Oder Sie stifte eine reactionäre Liedertafel und
singe recht ministerielle Lieder: Ei du lieber Augustin, 's Geld
ist hin, oder so was?"
Er. „O na! Hab' keinen Sinn für Musik."
Sie. „Oder Sie lege sich ein klein Cabinet von Selten-
heiten an, Hirschgeweih oder eine Wappesammlung oder Por-
trät von berühmte Männer, von Ihrem Herr Landrichter,
oder vom Herr Stadtpfarrer oder von dem Gerichtsdiener.
Die Gerichtsdiener, die machen sich erst gar gut in Pho-
tographien; habe alle so loyale Gesichter, daß man sich
schämen muß, wenn man anders aussieht."
Er. „Das ist schon wahr, ich Hab' aber auch kein ,
Sinn für Kunst."
S i e. „Da muß denn freilich die gute Gesinnung das
Beste thun."
Er. „Werden's schon sehen, wenn ich einmal etwas
bin, wie ich da die Demokraten schind' und die Republi-
kaner und die Wühler und die Proletarier und die Com-
munisten und die Deutschkatholiken —"
Sie. „Ja und warum denn?"
Er. „Nu, weil ich Reacttonär bin."
Sie (droht mit dem Finger). „Und wenn's dann wie-
der einmal losgeht, da wird man Sie ganz sachte auf ein
klein Guillotinche lege und da wird das Köpfche abglitsche,
eh' Sie Paff sage könne."
Er. „Jetzt hören S' aber auf! Deßwegen gibt's ja
die Reactionär, damit keine Guillotinen mehr kommen."
Sie. „Ei, deßwege komme gerad die Guillotine, well
die Reacttonär da sind."
Er. „Ach was, ich Hab' einmal so einen reactionären
(Der Walzer ist zu Ende; der Schriftsteller trennt sich von seiner
Tänzerin, stürzt aufgeregt hinunter in das Rauchstübel, brennt sich
eine Cigarre an und ergänzt die wenigen Worte, die er oben gespro-
chen, mit folgenden):
„O du armseliges Autorleben! da lesen sieben freie Städte
an einem einzigen Freiexemplar und der Telegraph, der meine
schönsten Gedanken vor das Auge meiner Liebe führen sollte,
der braucht fünfzehn Monate, bis er Antwort bringt aus der
Lederergafle. — Ich wollt ich säß' auf einem Wüstenrosie — !"
IV.
Die Politische».
(Altbayerischer Student und pfälzisches Fräulein.)
Er. „Na, wirklich Fräulein, Sie glauben's gar nicht, was
ich für ein Reactionär bin."
Sie. „Nu, das sieht man Ihne schon von weitem an."
Er. „Ich glaub's selbst und damit's noch besier herum-
kommt, last' ich mich nächstens ausschreiben als Reactionär."
Sie. „Und da wird Ihne hoffentlich jeder ordentliche
Mensch aus dem Weg gehe."
Er. „Und desto beffer macht sich die Carriere."
Sie. „Wenn Sic das für Alles entschädigt —"
Er. „Ru, so ein junger Reacttonär hat weiter kein Leben!
Thun thut er gar nichts, als daß er sich recommandiren laßt
von einem großen Herrn zu dem andern. Und mein Alter,
der kennt sie alle nacheinander und der streicht mich schon
heraus, daß es eine Schand' ist."
Sie. „Wenn der Minister wüßt', was Sie für ein Edel-
stein sind, könnten Sie heute noch Protocollist werden."
Er. „Nu, nu! aber da wett' ich mit Ihnen selber, Fräu-
lein, einen Korb Champagner, daß ich nicht länger brauch' als
anderthalb Jahre und angestellt bin ich und eine Partie mach'
ich und dann kann mich die ganze Welt —"
Sie. „Wär's denn aber nicht recht niedlich, wenn Sie
selbst auch ein Bische Verdienst hätte!"
Er. „Ich brauch ja keines."
Sie. „Ich mein' nur, wär's denn nicht recht hübsch,
wenn Sie etwas lerne thäte? Ich glaub', es fehlt als noch
e' Bische."
Er. „Wiffen Sie, Fräulein, dumm bin ich nicht, auf
Ehr', aber studiren mag ich nichts, und die neuen Sachen, die
jetzt kommen, taugen nicht für mich. Wenn aber Alles beim
Alten bleibt, und mein Vater gibt seinen Trumpf drein, dann
stell' ich schon meinen Mann."
Sie. „Und dann werde Sie sich gewiß recht nützlich er-
weise für die Menschheit?"
Er. „Werden's schon sehen —*
Sie. „Und da mache Sie wohl als ein klein Spazier-
gängelche mit der Frau Gemahlin in den grüne Wald."
Er. „Na, Hab' kein Sinn für Natur."
Sie. „Oder Sie stifte eine reactionäre Liedertafel und
singe recht ministerielle Lieder: Ei du lieber Augustin, 's Geld
ist hin, oder so was?"
Er. „O na! Hab' keinen Sinn für Musik."
Sie. „Oder Sie lege sich ein klein Cabinet von Selten-
heiten an, Hirschgeweih oder eine Wappesammlung oder Por-
trät von berühmte Männer, von Ihrem Herr Landrichter,
oder vom Herr Stadtpfarrer oder von dem Gerichtsdiener.
Die Gerichtsdiener, die machen sich erst gar gut in Pho-
tographien; habe alle so loyale Gesichter, daß man sich
schämen muß, wenn man anders aussieht."
Er. „Das ist schon wahr, ich Hab' aber auch kein ,
Sinn für Kunst."
S i e. „Da muß denn freilich die gute Gesinnung das
Beste thun."
Er. „Werden's schon sehen, wenn ich einmal etwas
bin, wie ich da die Demokraten schind' und die Republi-
kaner und die Wühler und die Proletarier und die Com-
munisten und die Deutschkatholiken —"
Sie. „Ja und warum denn?"
Er. „Nu, weil ich Reacttonär bin."
Sie (droht mit dem Finger). „Und wenn's dann wie-
der einmal losgeht, da wird man Sie ganz sachte auf ein
klein Guillotinche lege und da wird das Köpfche abglitsche,
eh' Sie Paff sage könne."
Er. „Jetzt hören S' aber auf! Deßwegen gibt's ja
die Reactionär, damit keine Guillotinen mehr kommen."
Sie. „Ei, deßwege komme gerad die Guillotine, well
die Reacttonär da sind."
Er. „Ach was, ich Hab' einmal so einen reactionären
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Münchner Ballgespräche"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 11.1850, Nr. 262, S. 172
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg