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Moderne Romantik.

erscheine oft Nachts ein Geist, aber ein guter, der den Men-
schen nichts zu leide thue. — „Geist?" dachte Wolf bei sich.
„Ja einer mit Fleisch und Blut, süßen Augen und rothen
Lippen. Ach himmlisches Wesen," setzte er exaltirt hinzu, in-
dem er mit den Händen wie bittend nach dem Thurme hinauf
gestikulirte, „meine Träume, meine Ahnungen von dir werden
mich nicht täuschen!" — Er machte hierauf die Runde um
die Burg, ob er vielleicht irgend etwas entdecken könne, was
seinen Forschungen einen Anhalt böte. Aber die um die Burg
laufende Mauer machte ihm jede nähere Einsicht unmöglich.
An einer zerfallenen Stelle, wo er festen Fuß fassen konnte,
suchte er sie daher zu erklettern; es gelang auch endlich seinen
Anstrengungen. Aber er sah nichts Lebendiges auf dem öden
Burghofe, erbot das Bild größter Einsamkeit und Verwilderung
dar. Diese Gebietsrecognoscirung hatte daher weiter nichts zur
Folge, als einen großen Riß in seine Jnexpressibles, die mit
ihrer engen Coustruction gar nicht auf solche romantische Turn-
und Leibesübungen eingerichtet waren. Dieser prosaische Unfall
brachte ihn somit von seinen Träumereien für jetzt zurück; er
war im wirklichen Sinne des Wortes aus seinen hohen Ab-
stractionen in die platte Alltagswelt und auf den realsten .
Boden zurückgefallen. Seine Hände abstrahirten nämlich von
der Mauer und er fiel nicht eben sanft in das Gras hinab.
Ein aus der Mauer gewachsener Strauch, an dem er sich fest-
gehalten, war ausgerissen, sein Fuß war ausgeglitten und ■
die Folge dieses unhaltbaren Standpunktes war ein Fall in |
die Tiefe gewesen. Er erhob sich indeß bald wieder von
dieser Niederlage, er sah sich scheu um, ob auch Niemand
diesen lächerlichen Vorfall gesehen habe, am Wenigsten das
liebe Wesen da oben, — er wagte den Gedanken gar nicht
auszudenken und wurde blutroth im Gesichte. In dieser
Beziehung aber beruhigt trat er seinen Rückzug nach dem goldnen
Stern an, vorsichtig seitwärts balancirend, damit nicht ein
boshafter Windstoß den schadhaften wunden Fleck seines Ex-
terieurs etwa hinten nachsehenden Augen blos lege. —

Da er vor dem Abende in dieser romantischen Angelegen-
heit nichts mehr unternehmen konnte, vertrieb er sich den
Nachmittag damit, daß er seinem Freunde, dem Assessor von
Witzleben, schriftlich das wunderbare Ereigniß von gestern Abend,
seine Empfindungen und sein ganz umgewandeltes Wesen in
wahrhaft dithyrambischem Schwünge mittheilte. Er versprach
zugleich, in der Weise eines Tagebuches mit seinen interessanten
Mittheilungen fortzufahren. Der Assessor, der nur eine kleine
Tagreise weit von hier entfernt wohnte und den Wolf hatte
besuchen wollen, solle ihn daher jetzt noch nicht erwarten;
allem Anscheine nach werde er hier noch lange gefesselt werden.

II.

Wolf faßte nun den Entschluß, noch an diesem Abende zu
Wasser oder zu Land dem Boote zu folgen, in welchem der
nächtliche Waldhornist den Rhein hinauffahren würde, nachdem
er den vom Balkon herabgesenkten Schleier in Empfang ge-
nommen hätte. Denn er zweifelte nicht, daß sich heute das
Schauspiel von gestern wiederholen würde und glaubte so am

leichtesten zu erfahren, wie die Sache stünde, um dann mit
Glück die Operationen zur Eroberung der weißen Dame begin-
nen zu können. — Zu diesem Zwecke ließ er sich an das jen-
seitige, das rechte Ufer übersetzen, weil er an den Tönen des
Waldhorns gehört zu haben glaubte, daß der Kahn an dieser
Seite anzulegen pflege. Unser Freund war auch nicht lange
unter den Weidenanpflauznngen dem Schloßberg gegenüber in
ungeduldiger Spannung auf- und abgewandert, als er aus der
Mitte des Flusses das Geräusch eines nach der Gegend unter
dem Thurme zurudernden Bootes zu vernehmen meinte. Bald
darauf hörte er auch die bekannten Weisen, konnte aber in
dieser weiten Entfernung nichts mehr genau gewahren, um so
weniger, als der Himmel trüb und der Mond von dunkeln
Wolkenschichten verdeckt war. Nur das Ividcrlichc Kreischen
tagscheuer Uhus ließ sich mitunter vernchnien und ein scheuer
Wasservogel, der pfeilschnell über die Fluthen dahin schoß mit
den Spitzen seiner Fittige den Spiegel des Wassers berührend.
Unserm Freunde war so bänglich, er hätte beten mögen. —
Der Kahn fuhr jetzt wieder den Rhein hinauf, sich allmälig
dem diesseitigen Ufer nähernd und landete dann, nachdem jene
dritte freudige Weise auf dem Waldhorn beendigt war. Eine
Person sprang an das Land und befestigte die Kette des Kahnes
an einem Pfahl, Wolf kaum noch zu Allem entschlossen, fühlte
nun eine unüberwindliche Angst. Wahrscheinlich wäre er that-
los hinter dem Weidenstamnie stehen geblieben, wenn er dem
Begegnen noch hätte ausweichen können. Die Gestalt kam
aber gerade auf ihn zu; er machte daher aus der Noth eine
Tugend, und trat sich selbst ermuthigend wie zufällig des Weges
kommend hervor, um nicht in den Verdacht des Auflauerns zu

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Moderne Romantik"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Mann <Motiv>
Flussufer
Burg <Motiv>
Nacht <Motiv>
Fels <Motiv>
Karikatur
Landschaft <Motiv>
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

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Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 15.1852, Nr. 342, S. 43

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CC0 1.0 Public Domain Dedication
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