Moden über die Welt.
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stets einander anfeixen, während mir gesagt ist, daß die Mi-
nister des neuen Kaisers z. B. in seidenen Strümpfen und
gestickten Röcken gar ernsthaft und ehrbar an einander vor-
über gehen, ohne auch selbst nur eine Miene zu verziehen.
Das Alles thut die Mode, die uns eben so zum Bedürf-
niß geworden, daß wir sie zuletzt vom eigentlichen Bedürfniß
gar nicht mehr unterscheiden können, aber sie sitzt bei uns im
Kopf, nicht etwa im Herzen, und Gewohnheit und Sitte, Re-
ligion, Kunst, Phantasie, Politik und Wissenschaft — es sind
Alles ihre Dienerinnen; ja selbst im Tode noch läßt sie
nicht von uns, denn sogar der Sterbende verlangt: anstän-
dig begraben zu werden."
Gramatikalische Studien.
Wir Menschen mit unfern mannigfachen Verhältnissen und
Zuständen stellen eine große Grammatik dar; ein Jeder hat sei-
nen Werth, seine Bedeutung. Wir treten als gewisse Rede-
theile, Wörter, Formen, Figuren in Beziehung zu einander.
Das ist unsere gesellschaftliche Stellung: die sociale Syntax.
Es gibt regierende Wörter (Könige, Kaiser), es gibt regierte
(Unterthanen), es gibt Vorgesetzte, es gibt hintangesetzte, es
gibt Wörter, die für sich gar nichts sind und nur dadurch Be-
deutung erhalten, daß sie neben andern stehen oder damit ver-
bunden werden. Viele Menschenwörter ändern ihre Bedeutung,
wenn ihnen etwas angehängt wird, z. B. eine Verläumd-
ung u. s. w., viele begründen ihren Werth blos auf die
Etymologie, d. h. auf den Stamm, von dem sie abzuleiten
sind, während in den meisten Fällen Die Bildung der Wör-
ter ihren Werth bestimmt. Reichthum, Luxus, Verdienst,
d. h. der Verdienst, sind Hauptwörter, die als solche Verän-
derungen unterliegen; es sind gewisse Fälle, Beugefälle, Zufälle
des Schicksals. Geld ist ein Mittelwort, Vermögen ein Eigen-
schaftswort, derRentier einpossessivum, unsereBanquieursstel-
lenactivabar, die arbeitendenKlassenpassiva. Rothschild reprä-
sentirt das Zahlwort, ein Geliebter ist ein Verhältnißwort,
Nächstenliebe ein Nebenwort, die Knute ein imperati vus. Deutsch-
land ist ein plurale tantum, b. h. es hat noch keine Einheit.
Die Republik ist ein unbestimmter Artikel; die Handlungen der
Regierungen hat man immer für perfecta, ja plusquamperfecta
angesehen, was ein beschränkter Unterthanenverstand that, blieb
immer imperfectum. Ein schlichter Bürger ist immer ein subscct,
Excellenz ein praeäicat. Freundschaftsverhältnisse sind cousunc-
tiouen, die heutzutage nur selten gebraucht werden. Indifferente
Menschen sind verba neutra, der Referendarius ein optativus,
die Polen eine parantbcsc, Krakau ein trausitivus, die Eensur
ein Gedankenstrich. Lißt, der überall Ruhm und Geld davon-
trägt, ist ein ablativus instrumcnti. Der König, der zum
geheimen Rath ernennt, ist ein nomiuativus. Jenny Lind ein
vocativus, der Staatsanwalt ein accuoativuo, Prinz Albert
ist ein genitivus, Victoria ist ein meäium, regiert als solches
den genitivus und wird alsdann ein äeponcns. Die Eobur-
ger werden zum conjugiren gebraucht. Metternich, so lange
ein iuäecliuabile, ist jetzt ein punctum, der Bundestag ein
practerftum. Der König von Neapel ist ein Spiritus asper,
viele andere Menschen sind pleonasmen. Das Berliner Volk
ist häufig ein äcmonotrativum.
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stets einander anfeixen, während mir gesagt ist, daß die Mi-
nister des neuen Kaisers z. B. in seidenen Strümpfen und
gestickten Röcken gar ernsthaft und ehrbar an einander vor-
über gehen, ohne auch selbst nur eine Miene zu verziehen.
Das Alles thut die Mode, die uns eben so zum Bedürf-
niß geworden, daß wir sie zuletzt vom eigentlichen Bedürfniß
gar nicht mehr unterscheiden können, aber sie sitzt bei uns im
Kopf, nicht etwa im Herzen, und Gewohnheit und Sitte, Re-
ligion, Kunst, Phantasie, Politik und Wissenschaft — es sind
Alles ihre Dienerinnen; ja selbst im Tode noch läßt sie
nicht von uns, denn sogar der Sterbende verlangt: anstän-
dig begraben zu werden."
Gramatikalische Studien.
Wir Menschen mit unfern mannigfachen Verhältnissen und
Zuständen stellen eine große Grammatik dar; ein Jeder hat sei-
nen Werth, seine Bedeutung. Wir treten als gewisse Rede-
theile, Wörter, Formen, Figuren in Beziehung zu einander.
Das ist unsere gesellschaftliche Stellung: die sociale Syntax.
Es gibt regierende Wörter (Könige, Kaiser), es gibt regierte
(Unterthanen), es gibt Vorgesetzte, es gibt hintangesetzte, es
gibt Wörter, die für sich gar nichts sind und nur dadurch Be-
deutung erhalten, daß sie neben andern stehen oder damit ver-
bunden werden. Viele Menschenwörter ändern ihre Bedeutung,
wenn ihnen etwas angehängt wird, z. B. eine Verläumd-
ung u. s. w., viele begründen ihren Werth blos auf die
Etymologie, d. h. auf den Stamm, von dem sie abzuleiten
sind, während in den meisten Fällen Die Bildung der Wör-
ter ihren Werth bestimmt. Reichthum, Luxus, Verdienst,
d. h. der Verdienst, sind Hauptwörter, die als solche Verän-
derungen unterliegen; es sind gewisse Fälle, Beugefälle, Zufälle
des Schicksals. Geld ist ein Mittelwort, Vermögen ein Eigen-
schaftswort, derRentier einpossessivum, unsereBanquieursstel-
lenactivabar, die arbeitendenKlassenpassiva. Rothschild reprä-
sentirt das Zahlwort, ein Geliebter ist ein Verhältnißwort,
Nächstenliebe ein Nebenwort, die Knute ein imperati vus. Deutsch-
land ist ein plurale tantum, b. h. es hat noch keine Einheit.
Die Republik ist ein unbestimmter Artikel; die Handlungen der
Regierungen hat man immer für perfecta, ja plusquamperfecta
angesehen, was ein beschränkter Unterthanenverstand that, blieb
immer imperfectum. Ein schlichter Bürger ist immer ein subscct,
Excellenz ein praeäicat. Freundschaftsverhältnisse sind cousunc-
tiouen, die heutzutage nur selten gebraucht werden. Indifferente
Menschen sind verba neutra, der Referendarius ein optativus,
die Polen eine parantbcsc, Krakau ein trausitivus, die Eensur
ein Gedankenstrich. Lißt, der überall Ruhm und Geld davon-
trägt, ist ein ablativus instrumcnti. Der König, der zum
geheimen Rath ernennt, ist ein nomiuativus. Jenny Lind ein
vocativus, der Staatsanwalt ein accuoativuo, Prinz Albert
ist ein genitivus, Victoria ist ein meäium, regiert als solches
den genitivus und wird alsdann ein äeponcns. Die Eobur-
ger werden zum conjugiren gebraucht. Metternich, so lange
ein iuäecliuabile, ist jetzt ein punctum, der Bundestag ein
practerftum. Der König von Neapel ist ein Spiritus asper,
viele andere Menschen sind pleonasmen. Das Berliner Volk
ist häufig ein äcmonotrativum.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Moden über die Welt"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)