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90 Der Hi

rcn ein großes Vermöge» halten, das sie ihm nebst allen Wür-
den vererbten, endlich weil sic mannichfache Verdienste besaßen,
die sie ihm nicht vererbten.

Eines Tages nahm er Feder und Papier zur Hand und
schrieb ein Briefchen an den reichen Juden Nathan in Mann-
heim, der eine sehr große Waffcnhandlung besaß. Der Graf
brauchte einen neuen Hirschdegen. Er befand sich nämlich im
Jagdgcfolge des Fürsten von U—, eines Regenten, der das
Waidwerk leidenschaftlich liebte. Unter hundert seiner Gedanken
drehte sich einer um das RcgierungSwcsen und die andern um
! Hirsche, Wildschweine, Fasanen und Auerhähne.

Bei einem solchen beständigen Leben unter allen Sorten
I des Thierreichs konnte ein feiner Hofton so wenig gedeihen
! wie in der Arche Noäh und der gute Graf hielt cS gewiß
i noch für einen Ausbund von Artigkeit, als er einen Hebräer
! mit folgendem Handbillet beehrte:

„Jude Nathan!

- Uebermach Er mir sporcnstrcichs den schönsten und beßten
! Hirschdäge, den Er hat und habben mag. DaS Zahlungswesen
eia andermal! Aber so schnell Jud', als Er kann, derweil ich's
teufclmäßig beuöthigt. Graf B—•"

Aber der Jude Jiathan war ein ganz besonderer Jude.
Ein Mann so klug wie einer und rechtschaffner wie viele
' Christen — dafür hielt ihn die Welt. Und wer ihn auch
darum nicht achtete, respektirte doch allerwcnigstens seinen Reich-
tbum. Dazu kam nun, daß unser Mann allerlei Ideen von
Gleichheit und so weiter hatte und vermeinte, da er ein recht-
schaffner und reicher Mann, obwohl ein Jude sei, so nehme
sich rin „geehrter Herr" vor seinen Namen so gut aus wie
vor jedem andern und so habe selbst ein Graf nicht daS Recht
ihn feiner Ehre zu benehmen, und so weiter.

Solcherlei Gedanken halte er, als er den Brief des Grafen
burchlas. Aber in seinem scharfgcprägten, hagern Gesichte ließ '
! sich auch nicht die kleinste Veränderung bcnicrkcn. Endlich
; stand er von seinem alten Lederseffcl auf und murmelte vor
I sich hin: „Aß ich euch gleich antworte will, Herr Graf, sporn-
; streiche Herr Graf." Hierauf trat er zu einem der Commis,

: die in den verschiedenen Winkeln des Comptoirs lautlos und
emsig drauf los arbeiteten.

„Löbchcn," sagte der Alte, „geh, hol en Papierches so
j grau und so grob wie das da. Ich werd' Der biktire c
i Bricfchcs."

Das Löbchc gehorchte, fing aber schon an, sich zu wundern.

! „Löbche, hast de geholt des Papicrche, as ich der sagte?

| Dann setz' dich und schreib — aber, aß ich der sag', mach'
j mer kein schöne BuchstabchcS — mal se so schief und häklicht
durcheinander, Löbchen, wie die da, siehst de Löbchen, sonst ich
dir kündigen will den Dienst."

Das Erstaunen Löbchcns schoß immer mächtiger auf. Er
stutzte und sah seinen Principal an, als wollte er fragen, ob's
| Spaß wäre oder Ernst. Als er aber sah, daß derselbe ein
! grimmiges Gesicht machte, wußte er nichts räthlicheres, als zu
! gehorchen, so gut er konnte.

„Nu schreib, Löbchen, was ich der will diktire!"


„Hochgeborncr Herr Graf B—"

„Löbchen, hast de geschriebe?"

„Gottswunder! Ja, Herr."

„Streich's wieder aus!"

Dem Löbchen ward es jetzt angst und bang, denn der !
Gedanke stieg in ihm auf, sein Principal habe inmitten seines
Comptoirs den Verstand verloren. Der arme Tropf zögerte
daher ein wenig, aber der alte Jude rief: „Streich durch,

Löbchen, streich aus, oder ich will dich jagen aus dem Dienst." |

Wenn etwas das Löbchen dazu bringen konnte, dem Teufel ;
vor die Schmiede zu gehen, so war es das, was ihm sein
Herr jetzt gedroht hatte. Er strich durch und dachte bei sich: j
Au weih, mein Herr is worde meschukke — er wird ruwenirc
all' sein Gcschäftches.

„Nu, Löbchen, schreib unten dninter:

Herr Graf B—•

Hast de geschrieben, Löbchen, Herr Graf B—?"

„Gotts Wunder Herr, ja Herr!"

„Streich's aus, Löbchen! — Hast de gestriche?"

„Au weih! Ja, Herr!"

„Schreib drunter Löbchen:

Graf B—."

Indem Löbchen schrieb, dachte er: Au weih, was ist mer
das en Aengste und c Schwitzes! Wollt ich doch, daß ich wär'
hundert Stund' dervon!
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Der Hirschdegen"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Ille, Eduard
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Brief <Motiv>
Korrektur
Karikatur
Diktat
Satirische Zeitschrift
Juden

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 22.1855, Nr. 516, S. 90
 
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