18 Auserlesene Gedichte rc.
Wir verehren die Gesetze
eines weisen Kirchcnraths,
dieser gibt die bessern Plätze
altern Dienern unsers Staats,
und crthcilet dann den Jüngern
wohlbcdächtig die geringer»,
Schlottcrbck auch du gewinnst
bald wohl einen bessern Dienst.
Lasse dir zum Angedenken
einen Silberbcchcr wcih'n,
dich nach Würden zu beschenken,
sollt' er freilich größer sein;
Tausend Glück und tausend Segen
wünschen wir zu deinen Wegen,
rufen herzlich, thränenvoll:
Scklottcrbck, o lebe wohl!
Herrn Graf's Tagebuch wahrend seines
Besuches in Berlin.
(Fortscxung.)
Sobald als wir mit unserer Tollactte fertig waren, be-
schlossen wir unsere Wanderschaft in Berlin anzutreten. Kohle
hatte sich in seinen Hutdeckcl inncwcndigt den Blan von die
ganse Stadt Berlin gemalt, so daß wir uns überall gleich
oricchentircn können thäten, wen» mir uns in die große Welt-'
stadt verlaufen gehabt hätten, wo man danach nur brauchte in
den Hut hincinzugucken, daß man wußte wo man' sogleich war.
Kohle war gans cndusichastdumirsicihrt, wie cs die Eng-
länder nennen, wenn Einer einmal verrückt ist und er sprang
mit alle seine zwcibciden Beine zugleich aus die Hausthürc
mitten hinaus aus die Straße. Aber oh wehe! Bautz ging
es und da war Kohle verschwunden und wo er hingesprungen
war, da sah man jetzt nicht anderes nicht mehr, als eine große
Vertiefung mit gans schwärzen Schmutze und andere unan-
genehme Flüssigkeiten. Ich stand nun an das Ufer von dieses
große schwarze Loch und schlug die Hände über meinen Kobs
Herrn Graf's Tagebuch ic.
zusammen; dann weinte ich ganz bitkersalzigte Threncn, denn-
ich glaubte, daß hier der Tcifcl Kohlen auf eine hinterlistige
Weise geholt hätte. Allein aus einmal wurde cs unten in
den schlammigtcn Schmutze lcbendigt, cs verbreitete sich ein
pestallcuzialichter Geruch und siehe da! es kam aus dieser
Schwärzlichkcit ein großer Klumpen in die Höhe, welcher auf
mich loSlief und sagte: „Ach Jemine, oh je, Graf! Es wäre
bald gans aus mit mir gewesen!" — Ich war darüber so
endsetzt, daß ich glaubte dieses wäre der Tcifcl jetzt selbst und
wollte ich schon in das Haus zurückstiehcn, aber da schrie der
schwarze Schmutzklumpe»: „Gras! Gras! Kennst Du mich nicht
mehr? Ich bin doch Dein Rcisegepferde Kohle! Oh je!" Hier-
daraus entdeckte ich nun erst, daß cs kein Tcifcl sondern nur
eine obtischc Täuschung war, welche Kohle vorstellcn that. Ich
faßte mir also Muth und half Kohlen vollcndlich aus dem
Schlamm heraus. Dann mußte ich ihn unter eine sich da-
neben besindlichc Bumbe legen und bumbte nun eine viertel
Stunde langes Wasser auf ihm, wobei mir ein Herr sehr freund-
lich helfen that und wodurch Kohlen seine Formazion und seine
Gcsichtszigc erst wieder an das Tageslicht kommen thatcn. Nur
der Geruch war nicht wcgzubringcn, warum ich ein Glas Otto-
kohlohnigc nahm und Kohlen gehörig ciNbalzamircn that, so '
daß er nun wieder wie ein menschliches Mitglied der Mensch- .•
lichkeit erscheinen konnte. Allein sein Pabir und die Oclfarbe |
hatte in der Nässe gelitten, warum wir neue Zeichncnmathceria- .
lichcn kaufen müssen thaten.
Aber woher daß diese plötzliche Verschwindung von Kohlen 1
kam? So wird ein wahrheitsliebender Naturforscher fragen und ,
denkt vielleicht, daß sogar eine Naturerscheinung dabei erschienen \
war, aber hingegen nein! es geschah dieses auf ga»S einfache
Weise wie ich cs jetzt erklären will. Vor jedes Berliner Haus j
ist auf der Straße ein Graben, welcher mit dicken Schlamm
und Schmutz angefüllt ist und wenn man eg von milithecri-
schcr Hinsicht ansieht, so könnte man denken, daß dieses Festungs-
werke sind, allein cs 'sind weiter nichts nicht als wie Schleusen
wohincin aller Schmutz aus die Häuser gegossen wird. Es
scheint mir also, daß der geborene Einwohner von Berlin sehr j
naturforstl)crig und wißbegicrlich sein muß, weil er diese Schleu- :
sengrabcn nie nicht zudcckt, damit daß er sehen und riechen ,
kann, was darin liegt und schwimmt. Ich dächte aber, daß
hier die Naturforschcrci aufhört, aber man nennt so etwas
landschaftlich, sittlich, wie das Sprichwort sagt.
Kohle war also in seine blindsichtige Frcibc, daß er in
Berlin war, mitten in eine solche Berliner Rinne hincinge-
sprungcn, wo er beinahe seinen mörderlichen Tod gesunden
haben hätte, können. Aber sein guter Kcnigus hatte ihn dies-
mal noch aus diese Pfitze gerettet.
Jetzt aber kam ein Konstawclcr hinzu und wollte Kohlen
noch aritiren, weil die Rinnen gar nicht zum Hincinspringcn
angebracht wären und also Kohle ein öffentlicher Ruhestörer
wäre. Ich fragte aber den Mann: ob denn die Rinnsteine
etwa die öffentliche Ruhe sein sollten, worauf er sagte: nein,
aber die Straße soll Ruhe sein. „Na, sagte ich, Kohle ist
doch aber bloß in die Rinne und nicht in die Straße ge-
Wir verehren die Gesetze
eines weisen Kirchcnraths,
dieser gibt die bessern Plätze
altern Dienern unsers Staats,
und crthcilet dann den Jüngern
wohlbcdächtig die geringer»,
Schlottcrbck auch du gewinnst
bald wohl einen bessern Dienst.
Lasse dir zum Angedenken
einen Silberbcchcr wcih'n,
dich nach Würden zu beschenken,
sollt' er freilich größer sein;
Tausend Glück und tausend Segen
wünschen wir zu deinen Wegen,
rufen herzlich, thränenvoll:
Scklottcrbck, o lebe wohl!
Herrn Graf's Tagebuch wahrend seines
Besuches in Berlin.
(Fortscxung.)
Sobald als wir mit unserer Tollactte fertig waren, be-
schlossen wir unsere Wanderschaft in Berlin anzutreten. Kohle
hatte sich in seinen Hutdeckcl inncwcndigt den Blan von die
ganse Stadt Berlin gemalt, so daß wir uns überall gleich
oricchentircn können thäten, wen» mir uns in die große Welt-'
stadt verlaufen gehabt hätten, wo man danach nur brauchte in
den Hut hincinzugucken, daß man wußte wo man' sogleich war.
Kohle war gans cndusichastdumirsicihrt, wie cs die Eng-
länder nennen, wenn Einer einmal verrückt ist und er sprang
mit alle seine zwcibciden Beine zugleich aus die Hausthürc
mitten hinaus aus die Straße. Aber oh wehe! Bautz ging
es und da war Kohle verschwunden und wo er hingesprungen
war, da sah man jetzt nicht anderes nicht mehr, als eine große
Vertiefung mit gans schwärzen Schmutze und andere unan-
genehme Flüssigkeiten. Ich stand nun an das Ufer von dieses
große schwarze Loch und schlug die Hände über meinen Kobs
Herrn Graf's Tagebuch ic.
zusammen; dann weinte ich ganz bitkersalzigte Threncn, denn-
ich glaubte, daß hier der Tcifcl Kohlen auf eine hinterlistige
Weise geholt hätte. Allein aus einmal wurde cs unten in
den schlammigtcn Schmutze lcbendigt, cs verbreitete sich ein
pestallcuzialichter Geruch und siehe da! es kam aus dieser
Schwärzlichkcit ein großer Klumpen in die Höhe, welcher auf
mich loSlief und sagte: „Ach Jemine, oh je, Graf! Es wäre
bald gans aus mit mir gewesen!" — Ich war darüber so
endsetzt, daß ich glaubte dieses wäre der Tcifcl jetzt selbst und
wollte ich schon in das Haus zurückstiehcn, aber da schrie der
schwarze Schmutzklumpe»: „Gras! Gras! Kennst Du mich nicht
mehr? Ich bin doch Dein Rcisegepferde Kohle! Oh je!" Hier-
daraus entdeckte ich nun erst, daß cs kein Tcifcl sondern nur
eine obtischc Täuschung war, welche Kohle vorstellcn that. Ich
faßte mir also Muth und half Kohlen vollcndlich aus dem
Schlamm heraus. Dann mußte ich ihn unter eine sich da-
neben besindlichc Bumbe legen und bumbte nun eine viertel
Stunde langes Wasser auf ihm, wobei mir ein Herr sehr freund-
lich helfen that und wodurch Kohlen seine Formazion und seine
Gcsichtszigc erst wieder an das Tageslicht kommen thatcn. Nur
der Geruch war nicht wcgzubringcn, warum ich ein Glas Otto-
kohlohnigc nahm und Kohlen gehörig ciNbalzamircn that, so '
daß er nun wieder wie ein menschliches Mitglied der Mensch- .•
lichkeit erscheinen konnte. Allein sein Pabir und die Oclfarbe |
hatte in der Nässe gelitten, warum wir neue Zeichncnmathceria- .
lichcn kaufen müssen thaten.
Aber woher daß diese plötzliche Verschwindung von Kohlen 1
kam? So wird ein wahrheitsliebender Naturforscher fragen und ,
denkt vielleicht, daß sogar eine Naturerscheinung dabei erschienen \
war, aber hingegen nein! es geschah dieses auf ga»S einfache
Weise wie ich cs jetzt erklären will. Vor jedes Berliner Haus j
ist auf der Straße ein Graben, welcher mit dicken Schlamm
und Schmutz angefüllt ist und wenn man eg von milithecri-
schcr Hinsicht ansieht, so könnte man denken, daß dieses Festungs-
werke sind, allein cs 'sind weiter nichts nicht als wie Schleusen
wohincin aller Schmutz aus die Häuser gegossen wird. Es
scheint mir also, daß der geborene Einwohner von Berlin sehr j
naturforstl)crig und wißbegicrlich sein muß, weil er diese Schleu- :
sengrabcn nie nicht zudcckt, damit daß er sehen und riechen ,
kann, was darin liegt und schwimmt. Ich dächte aber, daß
hier die Naturforschcrci aufhört, aber man nennt so etwas
landschaftlich, sittlich, wie das Sprichwort sagt.
Kohle war also in seine blindsichtige Frcibc, daß er in
Berlin war, mitten in eine solche Berliner Rinne hincinge-
sprungcn, wo er beinahe seinen mörderlichen Tod gesunden
haben hätte, können. Aber sein guter Kcnigus hatte ihn dies-
mal noch aus diese Pfitze gerettet.
Jetzt aber kam ein Konstawclcr hinzu und wollte Kohlen
noch aritiren, weil die Rinnen gar nicht zum Hincinspringcn
angebracht wären und also Kohle ein öffentlicher Ruhestörer
wäre. Ich fragte aber den Mann: ob denn die Rinnsteine
etwa die öffentliche Ruhe sein sollten, worauf er sagte: nein,
aber die Straße soll Ruhe sein. „Na, sagte ich, Kohle ist
doch aber bloß in die Rinne und nicht in die Straße ge-
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Herrn Graf's Tagebuch während seines Besuches in Berlin"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 22.1855, Nr. 507, S. 18
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg