! 66 Herrn Graf's
„Nein," sagte ich, „wir wollen ihn von Ihnen haben."
„Ja, wenn ick ihn Ihnen jeden sollen soll," sagte er,
| „dann müssen Sie'» ooch erst mitbringen."
Ich konnte mich in diese verdunkelten RedenSartigkeitc»
j gar nicht finden, bis es mir ein Mann erklären that, daß sich
I hier Jeder müßte seinen Kaffee selbst mitbringen und daß dann
! Jeder von den Jnfahliden für ein baar Silbergroschcn gekocht
würde. Selbst aber welchen zu kochen und zu verkaufen, dazu
hätte der Jnfahlide kein Brühviclcgium nicht. Jetzt wurde es
mir auch aufgeklärter, was an manche Häuser gans in die
Nähe an den Fuße von den Kreuzberge angeschrieben war.
Da stand nämlich:
Hier können Familichen warmes Wasser haben und
sich selbst kochen!
Ich glaubte daraus erst, daß cs am Ende gar Menschen-
sräßige Bewohner hier geben thäte, aber nun merkte ich, daß
dieses auf den Kaffee gehen sollte.
Der Mann, welcher mir die freindliche Auskunft gegeben
hatte, ladete uns ein, ein Schälcchen von seinen mitzutrinken,
welches wir auch sehr gern thaten und dann auf einen
freien Blatz mit andern jungen Leuten, besonders auch von das
anderseitige Geschlecht, Fändersbielc sbielen thaten. Aber dieses
hätte können bald mein Tod sein, denn wie wir das sogenannte
Kämmrichenvcrmicdcn machten, so wollte ich mit eine jugend-
lichte Schustcrstochter den Baum vertauschen, mache also einen
recht kihnen Sbrung und schwapp! versinke ich bis über die
iß
Ohren in feinen Streisand. Ich versank immer tiefer und war
vielleicht schon zehn Fiße unter die Meeresfläche, als mich einer
noch bei der Rockkrachcn erwischen that und mich mit anderen
Menschenfreinden wieder herauszog. Ich war also noch mit
die blose Todenangst weggekommen. Diese Versinkung aber
kam diescrhalb her, weil der ganse Kreuzberg ein kinstliches
Gebirge ist und aus lauter echten Berliner Sand besteht. Das
große Loch, woraus das er gemacht ist, kann man noch in
die Nachbarschaft sehen. Dieser Sand ist nun hier und dort
bloS obendrauf oberflechlich ein bischen feste und hat aber auch
gefehrliche Stellen, wo schon mancher in seiner Unwissenheit
und Streisand einen jämmerlichen Tod gefunden bat.
Tagebuch re.
Wie ich mich erholt und abgeschittelt hatte, so hatte ich j
nun auch von die Fändersbielc genug und wir verließen diesen
lebensgefehrlichtcn Schaublatz. Ich war gans emböhrt über !
den Krcuzberg, aber Kohle sagte, daß er in seiner Art und
Weise doch wirklich einzigt zu nennen wäre, obgleich er auch .
hätte das Albenglühen nicht von oben sehen könncn. Aber
ein Berg, sagte Kohle, von welchen man gar keine Aussicht >
genießt, ist doch auch eine natursbieligte Seltenheit und bat -
trotzdicses das Gute, daß sich die Berliner schon frühzeitig an
Bergcbestcigerung und die Beschwerden dieses Lebens gewöhnen
zu können Gelegenheit haben im Stande zu sein. Nun, dieses
ist auch wieder eine Ansicht von Kohlen.
Zn die Nachbarschaft von den Krcuzberg war früher ein j
sehr besuchter Vergnügungsort, Dieboli genannt, welches sich
besonders dadurch auszeichnete, daß eine Rutschbahn darin war,
wo man sich oben mit Vergnigen Hineinsetzen that und unten
mit gebrochenen Halze ankam, welches eichentlich ein römisches
Vergnigen ist. Wegen Mangel an Gäste» ist aber dieses
Dieboli eines schönen Tages gans abgebrannt und jetzt nur !
noch ein Schuthaufcn.
Wie man auch bas verricktcste Zeig auf Ackziehc» anfängt,
so haben sie wollen gleich in die Nähe von den Krcuzberg :
wollen auf Ackziehcn eine kalte Wasserheilanstalt an- !
stiften und gründen, wo Einer erst schwitzen muß und dann
in daS kalte Wasser sbringcn und ähnlichtc Dörichkeiten mehr.
Aber sie haben bei das Bauen keinen Grund nicht, kein Wasser
nicht und auch kein Geld nicht mehr gefunden und so haben
sie mitten in den Brunnen aufhörcn müssen, noch che das
Wasser gelaufen gekommen gewesen ist. Man sagt hingegen
daß von sehr hoher Seite Brodest gegen die kalte Anstalt ge-
macht worben, weil man gedacht hat, daß die Berliner wen»
sie sich erst bei die Ersteigerung des Krcuzbcrges gans heis
und schwitzig gemacht haben, sic sogleich in die kalte Wasser- ,
Heilanstalt stirzen würden und sich durch das heilsame kalte !
Wasscrtrinken den Tod auf die Stelle holen würden können. j
Dieses muß man doch gewiß eine väterliche Vicrsorgc
und Weißheit nennen! sagte Kohle und er hat Recht.
Weil nun diese kalte wässerige Heilanstalt nicht ist zu- I
sammengekommcn und sie doch wenigstens so was Aehnlichtes
haben wollten, so baute» sic auf die andre Seite eine große
Brauerei, welches am Ende noch gesinbcr ist als wie Wasser.
Wir beschlossen dieses Ebafließemank jetzt auch mit unseren
Besuch zu verherrlichen, weil wir es vor Durstigkeit Keiner
nicht mehr, aushalten konnten. Der Mann, welcher diese
Brauerei besitzt, soll, glaube ich, Hobfen Hessen, welches nun
freilich wie zum Brauer geboren ist und wenn ich einen Sohn
haben thäte, der Hobfen hiese, so müßte er auch ein Brauer
werden, weil er auf zwei Seiten Steiern erspart; denn wenn
sie ihn wollen die Steter auf seinen bärsöhnlichen, Namen und
Stand abnehmen, so sagt er, ich bezahle für Hobfen schon
„Nein," sagte ich, „wir wollen ihn von Ihnen haben."
„Ja, wenn ick ihn Ihnen jeden sollen soll," sagte er,
| „dann müssen Sie'» ooch erst mitbringen."
Ich konnte mich in diese verdunkelten RedenSartigkeitc»
j gar nicht finden, bis es mir ein Mann erklären that, daß sich
I hier Jeder müßte seinen Kaffee selbst mitbringen und daß dann
! Jeder von den Jnfahliden für ein baar Silbergroschcn gekocht
würde. Selbst aber welchen zu kochen und zu verkaufen, dazu
hätte der Jnfahlide kein Brühviclcgium nicht. Jetzt wurde es
mir auch aufgeklärter, was an manche Häuser gans in die
Nähe an den Fuße von den Kreuzberge angeschrieben war.
Da stand nämlich:
Hier können Familichen warmes Wasser haben und
sich selbst kochen!
Ich glaubte daraus erst, daß cs am Ende gar Menschen-
sräßige Bewohner hier geben thäte, aber nun merkte ich, daß
dieses auf den Kaffee gehen sollte.
Der Mann, welcher mir die freindliche Auskunft gegeben
hatte, ladete uns ein, ein Schälcchen von seinen mitzutrinken,
welches wir auch sehr gern thaten und dann auf einen
freien Blatz mit andern jungen Leuten, besonders auch von das
anderseitige Geschlecht, Fändersbielc sbielen thaten. Aber dieses
hätte können bald mein Tod sein, denn wie wir das sogenannte
Kämmrichenvcrmicdcn machten, so wollte ich mit eine jugend-
lichte Schustcrstochter den Baum vertauschen, mache also einen
recht kihnen Sbrung und schwapp! versinke ich bis über die
iß
Ohren in feinen Streisand. Ich versank immer tiefer und war
vielleicht schon zehn Fiße unter die Meeresfläche, als mich einer
noch bei der Rockkrachcn erwischen that und mich mit anderen
Menschenfreinden wieder herauszog. Ich war also noch mit
die blose Todenangst weggekommen. Diese Versinkung aber
kam diescrhalb her, weil der ganse Kreuzberg ein kinstliches
Gebirge ist und aus lauter echten Berliner Sand besteht. Das
große Loch, woraus das er gemacht ist, kann man noch in
die Nachbarschaft sehen. Dieser Sand ist nun hier und dort
bloS obendrauf oberflechlich ein bischen feste und hat aber auch
gefehrliche Stellen, wo schon mancher in seiner Unwissenheit
und Streisand einen jämmerlichen Tod gefunden bat.
Tagebuch re.
Wie ich mich erholt und abgeschittelt hatte, so hatte ich j
nun auch von die Fändersbielc genug und wir verließen diesen
lebensgefehrlichtcn Schaublatz. Ich war gans emböhrt über !
den Krcuzberg, aber Kohle sagte, daß er in seiner Art und
Weise doch wirklich einzigt zu nennen wäre, obgleich er auch .
hätte das Albenglühen nicht von oben sehen könncn. Aber
ein Berg, sagte Kohle, von welchen man gar keine Aussicht >
genießt, ist doch auch eine natursbieligte Seltenheit und bat -
trotzdicses das Gute, daß sich die Berliner schon frühzeitig an
Bergcbestcigerung und die Beschwerden dieses Lebens gewöhnen
zu können Gelegenheit haben im Stande zu sein. Nun, dieses
ist auch wieder eine Ansicht von Kohlen.
Zn die Nachbarschaft von den Krcuzberg war früher ein j
sehr besuchter Vergnügungsort, Dieboli genannt, welches sich
besonders dadurch auszeichnete, daß eine Rutschbahn darin war,
wo man sich oben mit Vergnigen Hineinsetzen that und unten
mit gebrochenen Halze ankam, welches eichentlich ein römisches
Vergnigen ist. Wegen Mangel an Gäste» ist aber dieses
Dieboli eines schönen Tages gans abgebrannt und jetzt nur !
noch ein Schuthaufcn.
Wie man auch bas verricktcste Zeig auf Ackziehc» anfängt,
so haben sie wollen gleich in die Nähe von den Krcuzberg :
wollen auf Ackziehcn eine kalte Wasserheilanstalt an- !
stiften und gründen, wo Einer erst schwitzen muß und dann
in daS kalte Wasser sbringcn und ähnlichtc Dörichkeiten mehr.
Aber sie haben bei das Bauen keinen Grund nicht, kein Wasser
nicht und auch kein Geld nicht mehr gefunden und so haben
sie mitten in den Brunnen aufhörcn müssen, noch che das
Wasser gelaufen gekommen gewesen ist. Man sagt hingegen
daß von sehr hoher Seite Brodest gegen die kalte Anstalt ge-
macht worben, weil man gedacht hat, daß die Berliner wen»
sie sich erst bei die Ersteigerung des Krcuzbcrges gans heis
und schwitzig gemacht haben, sic sogleich in die kalte Wasser- ,
Heilanstalt stirzen würden und sich durch das heilsame kalte !
Wasscrtrinken den Tod auf die Stelle holen würden können. j
Dieses muß man doch gewiß eine väterliche Vicrsorgc
und Weißheit nennen! sagte Kohle und er hat Recht.
Weil nun diese kalte wässerige Heilanstalt nicht ist zu- I
sammengekommcn und sie doch wenigstens so was Aehnlichtes
haben wollten, so baute» sic auf die andre Seite eine große
Brauerei, welches am Ende noch gesinbcr ist als wie Wasser.
Wir beschlossen dieses Ebafließemank jetzt auch mit unseren
Besuch zu verherrlichen, weil wir es vor Durstigkeit Keiner
nicht mehr, aushalten konnten. Der Mann, welcher diese
Brauerei besitzt, soll, glaube ich, Hobfen Hessen, welches nun
freilich wie zum Brauer geboren ist und wenn ich einen Sohn
haben thäte, der Hobfen hiese, so müßte er auch ein Brauer
werden, weil er auf zwei Seiten Steiern erspart; denn wenn
sie ihn wollen die Steter auf seinen bärsöhnlichen, Namen und
Stand abnehmen, so sagt er, ich bezahle für Hobfen schon
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Herrn Graf's Tagebuch während seines Besuches in Berlin"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Thema/Bildinhalt (normiert)
Versinken <Motiv>
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 22.1855, Nr. 513, S. 66
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg