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Memoiren aus dem Hof leben.

machte, daß ein fremder junger Cavalier, der unfern Hof
besuchte, — es war ein schlanker Kater, kohlrabenschwarz
an Körper und an Seele, — mir das Herz der holden
Miezmiez abwendig zu machen anfing. Sie kam immer
seltner, zuletzt gar nicht mehr zu meinem Diner. Ach, den
Verführungskünsten des schwarzen Junkers gelang es gar
bald, das unerfahrene Herz meiner Miezmiez zu bethören,
und eines Tags war er mit ihr heimlich verschwunden, ver-
muthlich um sich ohne die Erlaubniß ihrer Angehörigen und
des Hofes irgendwo mit ihr trauen zu lassen. Natürlich
erregte dies großen Eklat und setzte unfern Hof acht Tage
! lang in die größte Aufregung. Eine viel längere Zeit aber
' brauchte es, um meinen Schmerz zu heilen. Ich verfiel in

eine liefe Melancholie, die mich zusehends immer magerer
werden ließ, tröstete mich aber endlich mit dem sehr ver-
nünftigen Gedanken, daß meine Liebe zu Miczmiez doch im
Grunde nur eine große Thorheit gewesen und zu einer ent-
setzlichen me'salliance geführt haben würde, die an unfern:
Hofe sicher nicht geduldet worden wäre.

Ich verheirathete mich später standesgemäß mit Lucretia,
einer Hündin meiner Art und meines Ranges, erlebte öftere
Vaterfreudc, und hatte auch die Genugthuung, meine Söhne
an fremden Höfen sämmtlich wohlplacirt und meine Töchter
vortheilhast verheirathet zu sehen. Ich lebte eine Zeit lang
vollkommen zufrieden und glücklich, und würde es vielleicht
immer gewesen sein, wenn nicht meine Frau, die Ungetreue
— — o noch jetzt, indem ich es niederschreibe, fallen mir
heiße Thronen über die Schnauze auf das Papier herab!
! — — wenn nicht meine Lucretia — — v wie seltsam ist
doch der Geschmack der Weiber! — — ihre Würde so weit

vergessen hätte, mit einem gemeinen Schäferhund, der sie
umschnupperte, davon zu gehen. Ich sollte nun einmal kein
Glück in der Liebe haben. O Lucretia! O Miezmiez!
O ihr Weiber, ihr seid alle — — — — — _ _ _

— -(Leider fehlt hier ein anscheinend sehr großer

Theil des Manuscriptes, und es finden sich von den Memoiren
nur noch folgende wenige Zeilen vor:) — — — — —

— — — — — — — — --„Also in Ungnade

gefallen! Und warum? Ich weiß es selber nicht. Habe
ich vielleicht ein Hühnchen gebissen? Bin ich vielleicht ein-
mal dem Leibpferde des Herrn in die Beine gefahren? Habe
ich vielleicht ausgeplaudert, was geheim bleiben sollte? Habe
ich treuloser Weise einem fremden Hofe zugeschleppt, was
ich in dem unsrigen erschnappen konnte? — Nichts von
alledem! Wenigstens bin ich mir keiner einzigen von diesen
Vergehungen bewußt. Ja, ich fühle es, Gnade und Un-
gnade sind meist Dinge ohne Grund. Wie mich jetzt Alles,
Alles, was sonst einen tiefen Respect vor mir zeigte, ver-
ächtlich ansieht, ja meidet und flieht! Selbst die jungen
Gänse machen einen spöttischen Schnabel, wann sie mich

sehen, und kichern einander verstohlen die Geschichte meines
Unglücks zu; die Sperlinge auf den Dächern machen sich
lustig und reißen Witze über mich, und sogar die Ratten
und Mäuse kehren mir den Rücken zu. Ich fragte ein
Huhn, was ich denn eigentlich verbrochen; allein es hielt
mir nicht Stand, es antwortete nicht. — Man kündigte
mir endlich an, ich sei meiner Stelle verlustig, doch meine
Knochen könne ich als Pension sortbeziehen und verzehren,
wo ich wolle. Trauriger Trost für einen, der, an das Hof-
lebcn gewöhnt, die Freiheit schon längst nicht mehr goutirt!
Meine Knochen verzehren? Ha, vor Gran: und Kummer
bin ich bereits selber zu lauter Knochen geworden, die der
Tod beziehen und verzehren mag so bald, als möglich."

N. Hase.
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Memoiren aus dem Hofleben"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Ille, Eduard
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Personifikation
Absetzung
Entlassung
Herz <Motiv>
Liebeskummer <Motiv>
Wachhund
Weinen <Motiv>
Höfische Kultur
Alter
Karikatur
Schnitzerei
Baum <Motiv>
Melancholie <Motiv>
Hofkleidung
Spott <Motiv>
Gans <Motiv>
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 42.1865, Nr. 1040, S. 191

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Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
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