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Verbotte.

Und gib a bissele jetzt Ruah, —

Woißt: b’ Muatter hat's verbotte!"" G. S.

Das Schachspiel.

Von A. ci. Wintcrseld.

(Schluß.)

Der Schah machte sofort ein freundliches Gesicht.

„Seine Majestät scheinen fragen zu wollen: L propos, was
mache» meine Frauen im'Harem?" übersetzte der Zeichendeuter.

„Sie essen Näschereien, zanken sich und sind tief bekümmert,
daß Seine Majestät seit zehn Jahren sie nicht mehr besucht
haben," rapportirte der Eunuchenoberst.

Der Schah machte ein betrübtes Gesicht und seufzte tief.

„Da sie aber von dem neuen Spiel hörten," fuhr der hohe
Beamte fort, „mußte ich es ihnen verschaffen, und sie hatten
eine kindische Freude über die elfenbeinernen Püppchen. Etliche
lernten das Spiel auch, am besten Jza, die Circassierin . . .
und deßhalb meinte ich. . ."

Der Schah nickte, und der Eunnchenoberst ging mit
mehreren Schwarzen ab, um die Sclavin zu holen.

Bald darauf meldete ein Hofbediente den Kaufmann Ali
und erhielt Befehl, denselben hereinzusiihren.

Der Schah machte die Gebcrde des Zählens.

„Vezier! Ist Geld im Kasten?" fragte der Zeichendeutcr.

„Nicht ein kupferner Asper."

Der Schah zuckte die Achseln.

„Seine Majestät sagen, das wäre schlimm!" transponirtc
der Zeichendeuter.

„O, erhabene Weisheit!" rief der Vezier, sich tief ver-
beugend.

Gleich darauf wurde Ali eingeführt, der sich vor dem
Schah auf die Erde warf.

„Kaufmann!" redete ihn der Zcichcndenter an, „Deine
Erfindung hat Seiner Majestät allerhöchste Zufriedenheit erzielt,
auch dem ganzen Hofe großes Vergnügen gemacht; wie ich ans
den allerhöchsten Mienen ersehe, darfst Du aufblicken, kniecnd
den Thron anschauen und um eine Gnade bitten; doch zucken
Seine Majestät die Achseln; das heißt mit andern Worten,

Das L>chachspiel.

daß Du kein Geld erflehen darfst, aus Gründen, die Du Dir
bei Deinem unleugbaren Verstände leicht erklären kannst.
Kostbarkeiten, lvelche zum Palast gehören, darfst Du ebenso-
wenig erbitten, wie Ländereien und dergleichen mehr."

Ali hörte das ruhig und gelassen an und sprach dann also:
„Beherrscher von Persien, Sonne, Mond, Sternen, et caetera.!
Weil ich denn Gnade vor Deinem Angesicht fand, so erkühne
ich mich, die folgende Bitte vorzutragen: Lasse mir auf das
erste Feld meines erfundenen Schachbrettes ein Gerstenkorn legen,
auf das zweite zwei, auf das dritte vier, auf das vierte acht,
und so weiter auf jedes Feld, daß immer auf das nächste die
Doppelzahl des vorigen kommt."

Der Schah lachte, daß ihm ein Hosbeaniter den Bauch
halten mußte. Die Anwesenden lachten ebenfalls. Dann hielt
der Beherrscher von Persien ec. seine beiden allcrgnädigsten
Hände über den Ohren empor.

„Seine Majestät meinen, Du wärst ein Esel, weil Du
nichts Besseres zu bitten weißt!" übersetzte der Zeichendeuter.

Da Ali sich aber vollkommen zufrieden mit seiner Forderung
erklärte, ließ der Schah dem Aufseher über die Kornkammern
befehlen, eine Hand voll Gerste zu holen, um den bescheidenen
Kaufmann zu befriedigen.

„Laßt ihn noch warten," sagte Ali, „so gering ist meine
Forderung nicht, als sie Euch scheint. Das Brett hat vier-
undsechzig Felder; ich zweifle, daß in Euren Kornkammern
Gerste genug ist... ."

Der Schah lachte laut, griff dann an den Bart und
lächelte so spöttisch, wie es ihm möglich war.

„Beim Bart des Prophetien sagt cs Dir der Schah zu!"
meinte der Zeichendeutcr.

„Gut!" entgegncte der Kaufmann, „damit aber der
heilige Schwur in keiner Weise verletzt werde, so flehe ich, daß
vorher bestimmt werde, was mir werden soll, wenn ich die
Gerste nicht empfange. Ich fordere in diesem Fall als Ent-
schädigung eine Nase und zwei Ohren."

Und der Schah lachte abermals, zeigte ans seine eigene
Rase und Ohren und machte dann eine Kreisbewegung mit
dem rechten Arm.

„Nur Seiner Majestät Nase und Ohren nicht," sagte der
Zeichendeuter, „sonst magst Du in 'dem weiten Perserrcich sie
abschueidcn, Ivo cs Dir beliebt."

„Gebt dem Kaufmann die Gerste," meinte der Vezier,
der sich unheimlich zu fühlen begann, „dann ist die Geschichte
zu Ende."

„Laßt erst ausrechnen, wie viel es ist," forderte Ali.

Nachdem Vezier und Kornkammeraufseher sich für unfähig
erklärt, wurde der Hofkalendermacher mit dem Exempcl betraut
und machte sich auch sogleich an die Arbeit.

Während er noch rechnete, wurde Jza, die circassischc
Sclavin, hereingesührt.

Als sie Ali gewahrte, machte sie eine Bewegung freudigen
Ueberraschtseins und verbeugte sich dann vor dem Thron. Der
Kaufmann hatte sie, trotz der dreifachen Verschleierung, eben-
falls erkannt und erbebte.
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Verbotte"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Liebespaar <Motiv>
Kuss <Motiv>
Zögern
Karikatur
Umarmung <Motiv>
Schubkarren
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

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Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 60.1874, Nr. 1510, S. 202
 
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