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Die Gartenkunst — 30.1917

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Heicke, C.: Die Kriegstätigkeit der Gartenverwaltungen in ihrer Bedeutung für die Entwicklung der Gartenkultur
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https://doi.org/10.11588/diglit.21302#0067

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Die Kriegstätigkeit der Gartenverwaltungen

in ihrer Bedeutung für die Entwicklung der Gartenkultur.

Von C. HeicKe.

Es dürfte zeitgemäß sein, einmal einen Blick
auf die Betätigung der deutschen Gartenverwal-
tungen, städtischer wie anderer, während der
Kriegszeit zu werfen. Für sie sei in dieser
schweren Zeit, könnte man meinen, wenig Ge-
legenheit, zur Erreichung der Ziele beizutragen,
auf die gegenwärtig alle Kräfte des deutschen
Volkes gerichtet sind. Das trifft zu für die Tätig-
keit in den Jahren vor dem Krieg, obschon auch
damals bereits die reine Verschönerungsarbeit
mehr und mehr durch städtebauliche und volks-
wirtschaftliche Maßnahmen und solche im Zu-
sammenhange mit der Gesundheitspflege zurück-
gedrängt wurde. Darin ist natürlich während
des Krieges, schon aus Mangel an Mitteln und
Kräften, eine weitgehende Einschränkung ein-
getreten.

Aber der Krieg kann stillgelegte Kräfte nicht
lange ungenützt lassen. So fanden auch die
Gartenverwaltungen bald Gelegenheit in Hülle
und Fülle zur Betätigung auf dem Gebiete der
Volksernährung. Freilich die naiven Vorschläge,
die Blumenbeete und Rasenflächen der Parkan-
lagen für den Gemüsebau nutzbar zu machen,
wobei Arbeitskräfte und Saatgut nutzlos vergeu-
det worden wären, haben bei den Gartenverwal-
tungen keine Unterstützung gefunden, dürften
heute auch wohl endgültig erledigt sein. Dagegen
waren die Leiter der Gartenverwaltungen und
ihre Mitarbeiter die gegebenen Helfer, infolge
ihrer Sachkenntnis in der Beschaffung und pfleg-
lichen Behandlung der Bodenerzeugnisse die
Ernährung der Großstadtbevölkerung sicherzu-
stellen. Was der eine oder andere an Kennt-
nissen von früher her verloren hatte, war bald
wieder aufgefrischt und ergänzt. Heute spielen
sie eine wichtige Rolle bei der Volksernährung,
und wer glaubt, eine städtische Gartenverwal-
tung führe während des Krieges ein beschau-
liches Dasein, der irrt sich sehr. Es wird eine
lohnende Aufgabe sein, einen zusammenhän-
genden Bericht über die Leistungen und Erfolge
dieser Abteilungen des städtischen Verwaltungs-
dienstes während des Krieges aufzustellen.
Wir haben die Absicht gehabt, dies im Rahmen
unserer Zeitschrift;zu tun, müssen uns aber aus
Raummangel darauf beschränken, einen kurzen
Überblick aus den zahlreichen Mitteilungen, die
uns darüber zugegangen sind, zu geben.

Diese Kriegsbetätigung der verschiedenen
Verwaltungen ist, wie es in der Natur der Sache
liegt, aus kleinen Anfängen zu teilweise bedeu-
tendem Umfang gediehen. Zunächst scheint man

Gartenkunst Nr. 5, 1917.

sich überall mehr oder weniger auf den Anbau von
Gemüse auf unbenutzten Teilen des Kulturlandes
der Gärtnereien beschränkt zu haben. Bald nahm
man weitere städtische Grundstücke hinzu, und
richtete sie nicht nur für den eigenen Anbau
ein, sondern gab sie auch unentgeltlich oder
gegen geringe Pachtvergütung zu Kleingarten-
bauzwecken an die Bevölkerung ab, sich hierbei
mit den Kleingartenbauvereinigungen im Ein-
vernehmen haltend.

Diese werden ferner in nachhaltiger Weise
durch Abgabe von in den städtischen Gärten
herangezogenen Gemüsepflanzen unterstützt,
zum Teil in ganz erheblichen Mengen; die Garten-
verwaltungen ließen sich außerdem die Beschaf-
fung und Abgabe von einwandfreiem Saatgut,
Düngemitteln u. dgl. angelegen sein; an einigen
Stellen wurden Mustergärten angelegt, in denen
die Bevölkerung Anleitung und Belehrung durch
regelmäßige Unterweisung erhält. Auch wurden
Schulgärten, in denen sonst Pflanzen für den
Naturkundeunterricht herangezogen wurden,
zum Gemüsebau durch Schulkinder unter Lei-
tung der Lehrer hergerichtet, Schulkinder audi
zur Mitwirkung beim Gemüsebau im großen
herangezogen (Frankfurt a. M.). Es wird über
sehr günstige Erfolge gerade bei diesem Ver-
fahren berichtet. Außer städtischem Gelände hat
man an einigen Orten (so in Wien) audi durch
den Krieg stillgelegte Gärtnereien für den Ge-
müsebau in Betrieb genommen. Die bei alledem
gemachten Erfahrungen ermutigten vielfach dazu,
den Gemüsebau in umfangreichem Maßstab feld-
mäßig zu betreiben. Dabei werden nur die gang-
barsten und für die breiten Schichten der Bevöl-
kerung wichtigsten Gemüsearten angebaut.

Die Verwertung der gewonnenen Erzeugnisse
erfolgt meist durch Abgabe an die minderbemit-
telten Volkskreise, an die Beamtenschaft, an
Lazarette und Kriegsfürsorgeanstalten zu bil-
ligen Preisen. Um der starken Nachfrage zu
genügen, ging man dazu über, auch Gemüse
in großen Mengen anzukaufen und der Bevöl-
kerung zuzuführen. Die Abgabe erfolgt an man-
chen Orten in besonderen städtischen Verkaufs-
stellen, dazu kommt Lagerung von Vorräten für
den Winter und das Frühjahr, Überwachung des
Gemüsehandels und Marktes, Preisregelungen
usw. Auch Obst (einschl. Beerenobst, Heidel-
beeren usw.) wurde in die Vermittlungstätigkeit
einbezogen, ganz besonders aber Kartoffeln.
Die guten Erfahrungen ließen die Maßnahmen
einen immer größeren Umfang annehmen, und

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