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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 15.1894

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Abhandlungen
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Kenner, Friedrich: Die Porträtsammlung des Erzherzogs Ferdinand von Tirol, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5906#0257
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228

Dr. Friedrich Kenner.

Jakob Hannibal III. von Hohenems vertauschte die Grafschaft Vaduz, die seiner Familie gehörte,
im Jahre 1710 an den Fürsten Anton Florian von Liechtenstein gegen die im Chrudimer Kreise von
Böhmen gelegene Herrschaft Bistrau und Hess sich im Schlosse Frischenberg daselbst nieder.1 Da-
hin wurden i8o3 auch die werthvollsten Gegenstände aus Hohenems überbracht, darunter die Ge-
mäldegalerie, meist Porträte des Hauses, Standbilder in Lebensgrösse2 enthaltend, deren Reihe mit
Jakob (f 1512) beginnt und mit Grafen Franz Karl (f i8o3) schliesst.3 Wir haben es hier nur mit den
älteren dieser Ahnenbilder zu thun, soweit sie zur Vergleichung mit unserem Bildchen herangezogen
werden müssen, d. i. mit den Numern I—VIII des Bergmann'schen Verzeichnisses, welche mit den hier
folgenden Numern n3—119 correspondiren; es fehlen in letzterer zwei Numern der Ahnengalerie:
Marquard, gestorben um 1523, und Cardinal Marx Sittich II., gestorben 1595; dagegen fehlt in der
Ahnengalerie unser Bildchen der Helena von Freiberg (Nr. 11,5).« Schon diese letztere Incongruenz
deutet auf das Vorhandensein einer zweiten Reihe von Ahnenbildern in Hohenems hin, in welcher
auch das Bildniss der Helena vertreten war. Unsere Bildche n sind ferner von den Gemälden in
Frischenberg mit einziger Ausnahme des jüngsten Bildes in der Kleidung völlig verschieden; sie
können also nicht nach letzteren copirt sein sondern müssen auf Originalien beruhen, welche älter
als die Frischenberger Porträte sind. Noch mehr, diese letzteren sind nicht selbst Originale sondern
erst im letzten Viertel des XVI. Jahrhunderts entstanden. Dies lässt sich leicht aus den Beschreibungen
ermessen, welche Bergmann von ihnen gibt. Sie stellen die Hohenemser in ganzer Figur, in Lebens-
grösse und in mit künstlerischer Ueberlegung gewählten Posen dar. Dies stimmt schlecht zu den auf-
gemalten Jahreszahlen: 1512 (Jakob), 1523 (Marquard), 1533 (Marx Sittich I.), 1538 (Wolf Dietrich
und Clara). In so alter Zeit sind Bildnisse von Personen des Ritterstandes doch nur als Brust- oder
Hüftbilder unter Lebensgrösse gemalt und naiver componirt worden. Aehnlich verhält es sich mit den
Aufschriften, die ungeachtet der Verschiedenheit der Zeiten völlig gleichförmig textirt sind; überall
folgt auf den Namen der Beisatz »AETAT1S« mit der Zahl der Lebensjahre und »ANNO« mit der Jahres-
zahl.5 Dies beweist, dass alle älteren Frischenberger Bilder bis Jakob Hannibal herab zu gleicher Zeit,
und zwar eben unter diesem Letzteren entstanden sind. Er, der am meisten hervorragende Sprössling
des Hauses, der erste Hohenems, der in den Reichsgrafenstand erhoben wurde, war der Urheber dieser
Reihe von Ahnenbildern. Er Hess sie von Anthoni Waiss zwischen 1575 und 1578 nach älteren Ori-
ginalen herstellen. Damit, dass er den eben genannten Meister, wie schon gesagt, bei seinem Aufenthalte
in den Niederlanden, also nicht vor 1574, für seine Dienste gewann, stimmt es trefflich, dass sein
eigenes Bild in der Frischenberger Reihe die Jahreszahl 1575 trägt; es lässt sich ja doch annehmen,
dass dieses Porträt einer der ersten Aufträge an den neugewonnenen Maler war. Bei der Durchführung
der Aufgabe, die Ahnenbilder der Familie in gleicher Grösse zu malen, müssen ältere Originale, die noch
vorhandenen Rüstungen und Theile der Frauengarderobe sowie des Frauenschmuckes benützt worden
sein. Die älteren Originale aber blieben nach dem Entstehen der neuen Ahnenbilder bei Seite gestellt
und scheinen später in Vergessenheit gerathen und weggekommen zu sein.

Unsere Bildchen hingegen zeigen, so roh sie gemalt sind, noch völlig das Harte und Naive der
Porträtdarstellung jener Zeit, in welcher die alten Originale entstanden sein müssen; sie geben diese
selbst wieder und erhalten dadurch einen antiquarischen Werth, welcher allerdings den Kunstwerth
weit übertrifft. Auch darf es nicht befremden, dass Jakob Hannibal für die Copien, die er dem Erz-
herzog sendete, nicht die damals wohl schon vollendeten neuen Gemälde des Waiss sondern die alten
Originale copiren liess; er kannte eben die Grenze des Kunstvermögens jenes treffsicheren aber völlig

' Bergmann, Denkschriften, Bd. XI (1861), S. 69.
2 Ebenda, S. 85.

'i Eine Beschreibung der 52 hohenemsischen und der 3o anderen Porträte und Gemälde siehe a. a. O., S. 102.

4 Dass von Burkhard, dem Sohne Jakobs von Ems, schon in alter Zeit Contrafactur und Harnisch in Hohenems
selbst fehlten, hebt Jakob Hannibal in seinem Schreiben an den Erzherzog Ferdinand vom 31. Juli 1581 ausdrücklich hervor.
Bildnisse desselben kommen daher weder in unserer Sammlung noch in Frischenberg vor. Bergmann, a. a. O., Bd. X
(1860), S. 191.

5 Nur bei Hortensia fehlt die Angabe der Lebensjahre, nicht aber die Jahreszahl.
 
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